JudikaturVwGH

Ra 2025/20/0294 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
06. Oktober 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer sowie die Hofräte Mag. Eder und Mag. Pichler als Richterin und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann Preschnofsky, in der Rechtssache der Revision des P B, vertreten durch Dr. Max Kapferer, MMag. Dr. Thomas Lechner und Dr. Martin Dellasega, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Mai 2025, W243 23099911/2E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Nepals, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 2. Oktober 2024 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005, den er im Wesentlichen mit wirtschaftlichen und politischen Problemen in seinem Herkunftsstaat begründete.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 26. Februar 2025 ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nepal zulässig sei, und legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 21. Mai 2025 als unbegründet abgewiesen. Unter einem sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revisionnach § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen.

7 In der Begründung der Zulässigkeit der Revision wird geltend gemacht, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 21 Abs. 7 BFA Verfahrensgesetz (BFA VG) abgewichen, weil es zu Unrecht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen habe. Der Revisionswerber bringt in diesem Zusammenhang vor, das vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl geführte Ermittlungsverfahren sei aufgrund von Verständigungsschwierigkeiten mit der Dolmetscherin bei der Erstbefragung mangelhaft gewesen. Außerdem sei der Revisionswerber bei seiner weiteren Vernehmung am 27. Dezember 2024 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unterbrochen worden, weshalb er „die näheren Details der Fluchtgründe“ nicht habe darlegen können. Auch sei der Revisionswerber den Feststellungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in der Beschwerde substantiiert entgegengetreten, indem er vorgebracht habe, er sei vor seiner Ausreise im Sommer 2024 von näher bezeichneten Parteien in seinem Herkunftsstaat bedroht und aufgefordert worden, für sie an Wahlkämpfen mitzuwirken. Schließlich hätte das Bundesverwaltungsgericht erkennbar gemeint: nicht bloß unwesentliche weitere beweiswürdigende Erwägungen angestellt.

8 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind zur Beurteilung, ob im Sinn des hier maßgeblichen § 21 Abs. 7 erster Satz BFA VG „der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint“ und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach dieser Bestimmung unterbleiben kann, folgende Kriterien beachtlich:

9 Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFAVG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen (vgl. dazu ausführlich VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018; sowie aus der folgenden Rechtsprechung etwa VwGH 23.6.2025, Ra 2024/20/0638 bis 0641, mwN).

10 Mit seinem Zulässigkeitsvorbringen gelingt es dem Revisionswerber nicht darzutun, dass das Bundesverwaltungsgericht von den oben dargestellten Leitlinien zu § 21 Abs. 7 BFAVG abgewichen wäre. Entgegen den Behauptungen des Revisionswerbers trifft es nicht zu, dass das Ermittungsverfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht ordnungsgemäß geführt worden wäre. Der Revisionswerber hat bei seiner Erstbefragung angegeben, dass er die anwesende Dolmetscherin gut verstehe. Es wurde ihm im Zuge der Vernehmung am 27. Dezember 2024 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Möglichkeit eingeräumt, von sich aus alle Ereignisse darzulegen, die ihn zum Verlassen seines Herkunftsstaates veranlasst haben. Weiters hat der Revisionswerber am Ende dieser Befragung angegeben, dass er „nichts mehr zu sagen“ habe. Gemäß § 15 AVG liefert, soweit nicht Einwendungen erhoben wurden, eine gemäß § 14 AVG aufgenommene Niederschrift über den Verlauf und den Gegenstand der betreffenden Amtshandlung vollen Beweis, wobei der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges zulässig bleibt (vgl. VwGH 31.10.2019, Ra 2019/20/0398). Fallbezogen sind Einwendungen des Revisionswerbers weder protokolliert noch wird behauptet, der Revisionswerber hätte Einwendungen im Sinn des § 14 Abs. 3 AVG erhoben. Mit der bloßen Behauptung, er wäre bei seiner Einvernahme „unterbrochen worden“, zeigt der Revisionswerber auch keine konkreten Gründe zur Erschütterung der Beweiskraft der Niederschrift auf.

11 Ebensowenig kann erkannt werden, dass das Bundesverwaltungsgericht weitere, in maßgeblicher Weise über jene des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl hinausgehende beweiswürdigende Erwägungen angestellt hätte. Das Verwaltungsgericht gelangte in seiner Beweiswürdigung in Übereinstimmung mit dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unter wiederholter ausdrücklicher Bezugnahme auf dessen Beweiswürdigung im Bescheid vom 26. Februar 2025 zum Ergebnis, dass dem Vorbringen des Revisionswerbers, in seinem Herkunftsstaat von unterschiedlichen politischen Parteien verfolgt zu werden, kein Glauben zu schenken sei. In der bloßen Behauptung in der Beschwerde, der Revisionswerber wäre im Sommer 2024 von politischen Parteien zur Teilnahme an Wahlkämpfen aufgefordert worden, kann kein substantiiertes Bestreiten des vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl festgestellten Sachverhaltes gesehen werden. Wenn im Zulässigkeitsvorbringen überdies noch vorgebracht wird, in der Beschwerde sei dem festgestellten Sachverhalt soweit „entschieden entgegengetreten“ worden, als dies den Rechtsvertretern „ohne die Beiziehung professioneller Dolmetscher möglich“ gewesen sei, ist dem nicht zu entnehmen, mit welchem in der Beschwerde enthaltenen Vorbringen ein „entschiedenes Entgegentreten“ erfolgt sein soll. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass es der Partei obliegt, eine für die Rechtsverfolgung ausreichende Kommunikation mit ihrem gewillkürten Vertreter sicherzustellen.

12 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 6. Oktober 2025