JudikaturVwGH

Ra 2025/20/0065 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
16. Juli 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer sowie Hofrat Mag. Eder und Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Stüger, in der Rechtssache der Revision der I B, vertreten durch Mag. Dino Srndic, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Mariahilferstraße 118/1/33, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 5. Februar 2025, L515 22961401/3E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Die Revisionswerberin ist Staatsangehörige von Georgien und stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 17. November 2023 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005. Diesen Antrag begründete sie mit ihrer Nierenerkrankung, die sie in Österreich behandeln lassen wolle. Auch sei einer ihrer Söhne ihr gegenüber gewalttätig gewesen.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 15. Juni 2024 ab, erteilte der Revisionswerberin keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Georgien zulässig sei, und legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht ohne Durchführung einer Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 5. Februar 2025 als unbegründet abgewiesen. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

4 Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis an ihn gerichteten Beschwerde mit Beschluss vom 5. Juni 2025, E 416/2025 8, ab und trat diese unter einem dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revisionnach § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen.

8In der Begründung für die Zulässigkeit der Revision bezieht sich die Revisionswerberin auf ihre Erkrankung und macht geltend, die Rückführung in den Herkunftsstaat verstoße aufgrund ihrer lebensbedrohlichen Erkrankung gegen Art. 3 EMRK. Die Revisionswerberin habe nur noch eine Niere, welche aufgrund einer schweren Niereninsuffizienz nicht mehr funktionstüchtig sei. Die Krankheit sei mit herkömmlichen Dialysen nicht mehr zu heilen, weshalb dringend eine Nierentransplantation notwendig sei. Im Fall der Rückkehr nach Georgien sei diese Behandlung nicht möglich, weil in Georgien eine „entsprechende medizinische Behandlung lege artis nicht zur Verfügung“ stehe. Die Rückkehr der Revisionswerberin in das Herkunftsland Georgien und der dortige Verbleib hätte daher „schlicht und ergreifend“ ihren Tod zur Folge.

9Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung einer möglichen Verletzung des Art. 3 EMRK eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr („real risk“) einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen.

10Soweit es Erkrankungen betrifft, hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. VwGH 10.2.2025, Ra 2025/20/0015 bis 0021, mwN).

11Das Bundesverwaltungsgericht hat sich - insbesondere auf Grundlage der vorgelegten ärztlichen Unterlagen und der Länderinformationen, im Besonderen aufgrund einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 6. Juni 2024 zur Behandlungsmöglichkeit der chronischen Niereninsuffizienz in Georgien - eingehend mit dem Gesundheitszustand der Revisionswerberin befasst und detaillierte Feststellungen zur Erkrankung, der in Österreich erfolgten Behandlungen und der Behandlungsmöglichkeiten in Georgien getroffen. Es kam zum Ergebnis, dass die Revisionswerberin an einer chronischen Niereninsuffizienz leide, die weitere Behandlung in Georgien möglich sei, die Revisionswerberin Zugang zum georgischen Gesundheitssystem habe und die von ihr benötigten Medikamente in Georgien erhältlich und für die Revisionswerberin auch zugänglich seien. Damit sei eine adäquate Behandlung der Revisionswerberin im Herkunftsstaat möglich. Die Abschiebung der Revisionswerberin in ihren Herkunftsstaat bringe somit keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK mit sich.

12 Die Revision vermag mit den pauschalen, bloß kursorischen Behauptungen, die Revisionswerberin habe in Georgien keinen realen Zugang zu der notwendigen medizinischen Behandlung für ihre lebensbedrohliche Erkrankung, die sich darüber hinaus auch vom festgestellten Sachverhalt entfernen, nicht darzutun, dass das Bundesverwaltungsgericht bei seiner Beurteilung die in der Rechtsprechung aufgestellten, oben angeführten Leitlinien nicht beachtet oder in aus revisionsrechtlicher Sicht zu beanstandender Weise zur Anwendung gebracht hätte.

13 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 16. Juli 2025