JudikaturVwGH

Ra 2025/19/0279 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
23. September 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Funk Leisch und den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M, über die Revision des M D, vertreten durch die Kaiblinger Rechtsanwalts GmbH in Gunskirchen, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. März 2025, L508 2307200 1/4E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Revisionswerber, ein türkischer Staatsangehöriger und Angehöriger der kurdischen Volksgruppe, stellte am 6. September 2023 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2 Mit Bescheid vom 3. Jänner 2025 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl seinen Antrag sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung in die Türkei zulässig sei, und gewährte eine Frist für die freiwillige Ausreise.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Weiters erklärte es die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 In der Revision wird zur Begründung zunächst vorgebracht, das BVwG habe zu Unrecht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen; der entscheidungswesentliche Sachverhalt weise nicht die notwendige Aktualität und Vollständigkeit auf, da zwischen der Einvernahme bei der belangten Behörde und der Erlassung des Erkenntnisses acht Monate liegen würden.

8 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum auch hier maßgeblichen § 21 Abs. 7 erster Fall BFA VG ist ein Absehen von der mündlichen Verhandlung dann gerechtfertigt, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das BVwG die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (vgl. zu diesen Leitlinien grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, sowie aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 12.3.2025, Ra 2025/19/0039).

9 Der Revision gelingt es mit ihrem pauschalen Vorbringen nicht, konkret darzutun, dass das Bundesverwaltungsgericht von diesen Leitlinien abgewichen wäre.

10 Soweit die Revision im Zusammenhang mit der Verhandlungspflicht ferner rügt, dass sich das Bundesverwaltungsgericht keinen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschafft habe, ist anzumerken, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung insbesondere bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen besondere Bedeutung zukommt, und zwar sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK (sonst) relevanten Umstände. Demzufolge kann bei der Erlassung einer Rückkehrentscheidung im Allgemeinen nur in eindeutigen Fällen vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 Abs. 7 BFA VG ausgegangen werden, in denen bei Berücksichtigung aller zu Gunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft (VwGH 26.9.2023, Ra 2023/19/0222, mwN).

11 Die Revision legt jedoch nicht dar, weshalb das Bundesverwaltungsgericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass ein solch eindeutiger Fall vorliege. Aus dem Vorbringen, die aktuelle Lebenssituation des Revisionswerbers, insbesondere seine am 14. Juni 2024 geschlossene Ehe, sei nicht berücksichtigt worden, ist nichts zu gewinnen. Diesem erstmals in der Revision erstatteten Vorbringen steht bereits das Neuerungsverbot nach § 41 Abs. 1 VwGG entgegen (vgl. VwGH 29.6.2023, Ra 2023/19/0064, mwN).

12 Schließlich macht die Revision geltend, das Bundesverwaltungsgericht habe seiner Entscheidung veraltete Länderberichte zugrunde gelegt und sei somit von näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Eine Darlegung der Relevanz dieses vorgebrachten Verfahrensmangels enthält die Revision jedoch nicht (vgl. zum Erfordernis der Relevanzdarstellung bei Geltendmachung von Verfahrensmängeln als Zulassungsgründe etwa VwGH 25.7.2025, Ra 2025/19/0159, mwN).

13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 23. September 2025

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