Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed als Richter sowie die Hofrätinnen Dr. in Gröger und Dr. in Sabetzer als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Hahn, LL.M., über die Revisionen 1. des G F, 2. der M H, 3. der M F, und 4. der M F, sowie 5. der M F, alle vertreten durch Mag. László Szabó, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. August 2025, 1. I417 2272658 1/12E, 2. I417 2272662 1/9E, 3. I417 2272659 1/9E und 4. I417 2272661 1/9E (ad 1. bis 4., protokolliert zu Ra 2025/18/0330 0333), sowie vom 19. September 2025, I425 23187831/2E (ad 5., protokolliert zu Ra 2025/18/0328), betreffend Asylangelegenheiten (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
1 Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind verheiratet und die Eltern der minderjährigen Dritt bis Fünftrevisionswerberinnen. Sie sind Staatsangehörige Ägyptens.
2 Am 26. Oktober 2022 stellten der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin für sich und die Drittrevisionswerberin sowie am 28. November 2022 für die im Bundesgebiet am 14. November 2022 nachgeborene Viertrevisionswerberin Anträge auf internationalen Schutz.
3Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diese Anträge mit Bescheiden vom 26. April 2023 zur Gänze ab, erteilte den revisionswerbenden Parteien keine Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), erließ gegen sie Rückkehrentscheidungen, stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Ägypten zulässig sei, und räumte ihnen jeweils eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ein.
4 Die gegen diese Bescheide gerichteten Beschwerden wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 10. August 2025 als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.
5 In der Begründung hielt das BVwG zusammengefasst fest, den erst bis viertrevisionswerbenden Parteien drohe in Ägypten nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus asylrelevanten Gründen. Sie seien im Fall der Rückkehr auch keiner existenziellen Bedrohung ausgesetzt, sodass kein subsidiärer Schutz zu gewähren sei. Die Rückkehrentscheidung sei angesichts des Überwiegens der öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthalts gegenüber den privaten Interessen der erst bis viertrevisionswerbenden Parteien an ihrem Verbleib in Österreich zu Recht ergangen.
6 Für die am 2. Juni 2025 im Bundesgebiet nachgeborene Fünftrevisionswerberin stellten der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin am 4. Juli 2025 einen Antrag auf internationalen Schutz, zu dem sie anführten, dass die Fünftrevisionswerberin keine eigenen Fluchtgründe geltend mache.
7Das BFA wies diesen Antrag mit Bescheid vom 31. Juli 2025 zur Gänze ab, erteilte der Fünftrevisionswerberin keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Ägypten zulässig sei, und räumte ihr eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ein.
8 Die dagegen am 27. August 2025 erhobene Beschwerde wies das BVwG mit dem vorliegend ebenfalls angefochtenen Erkenntnis vom 19. September 2025 als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.
9 Begründend führte das BVwG aus, dass für die Fünftrevisionswerberin keine eigenen Flucht und Verfolgungsgründe geltend gemacht worden seien und sie im Fall der Rückkehr nach Ägypten im Familienverband mit ihren Eltern und Geschwistern keiner existentiellen Bedrohung ausgesetzt sei. Die Rückkehrentscheidung begründete das BVwG mit dem Überwiegen des für die Beendigung des Aufenthalts der Fünftrevisionswerberin sprechenden öffentlichen Interesses gegenüber ihren privaten Interessen an einem Verbleib.
10 Gegen diese Erkenntnisse richten sich die vorliegenden wortgleichen außerordentlichen Revisionen, die zur Begründung ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen geltend machen, das BVwG habe im Verfahren der erst bis viertrevisionswerbenden Parteien keine Ermittlungen zur Fünftrevisionswerberin, deren Asylverfahren vor dem BFA zum Zeitpunkt der Erlassung des Erkenntnisses des BVwG betreffend die erst bis viertrevisionswerbenden Parteien bereits abgeschlossen gewesen sei, durchgeführt. Es stelle sich daher die Rechtsfrage der Reichweite des Prüfungsumfangs des BVwG, das in einer solchen Konstellation nach Auffassung der Revisionen die Bescheide der erst bis viertrevisionswerbenden Parteien hätte aufheben müssen, um eine gemeinsame Entscheidung im Familienverfahren mit der Fünftrevisionswerberin zu ermöglichen. Darüber hinaus wird eine Verletzung der Verhandlungspflicht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren betreffend die Fünftrevisionswerberin vorgebracht sowie gerügt, dass in deren Verfahren nicht derselbe Richter wie im Verfahren der erst bis viertrevisionswerbenden Parteien zur Entscheidung zuständig gewesen sei.
11 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revisionen nicht dargetan.
12 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
13Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
14Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
15Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes richtet sich das in § 34 Abs. 4 AsylG 2005 normierte Gebot, die Verfahren von Familienmitgliedern „unter einem“ zu führen, nach dem Gesetzeswortlaut an die Behörde, während § 34 Abs. 5 AsylG 2005 festlegt, dass die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 sinngemäß auch für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht gelten, wodurch sichergestellt wird, dass auch die Verfahren von jenen Familienmitgliedern, die beim BVwG anhängig sind, gemeinsam entschieden werden. Dem Gesetz ist jedoch keine Anordnung zu entnehmen, dass sämtliche Verfahren im Familienverband, die bereits in verschiedenen Instanzen anhängig sind, ebenfalls unter einem geführt werden müssen. Eine gemeinsame Führung der Verfahren hat somit nur dann zu erfolgen, wenn diese gleichzeitig beim BFA oder gleichzeitig im Beschwerdeverfahren beim Bundesverwaltungsgericht anhängig sind (vgl. VwGH 18.12.2018, Ro 2018/18/0004, mwN; sowie grundlegend VwGH 15.11.2018, Ro 2018/19/0004).
16 Im Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG über die Beschwerden der erst bis viertrevisionswerbenden Parteien mit Erkenntnis vom 10. August 2025 (nach dem Akteninhalt zugestellt am 12. August 2025) war das Verfahren über den Asylantrag der Fünftrevisionswerberin noch nicht beim BVwG anhängig, zumal deren Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 31. Juli 2025 erst nach der Erlassung dieses Erkenntnisses, nämlich am 27. August 2025, eingebracht und in weiterer Folge dem BVwG zur Entscheidung vorgelegt wurde. Demnach waren die Beschwerdeverfahren der erstbis viertrevisionswerbenden Parteien und der Fünftrevisionswerberin nicht gleichzeitig beim BVwG anhängig. Gegenteiliges legen auch die Revisionen nicht dar. Ein Verstoß gegen § 34 Abs. 5 iVm Abs. 4 AsylG 2005 und das dort normierte Gebot, die Verfahren von Familienmitgliedern „unter einem“ zu führen, liegt demgemäß nicht vor. Ausgehend davon geht auch das Vorbringen, die Beschwerdeverfahren hätten jeweils in die Zuständigkeit desselben Richters des BVwG fallen müssen, ins Leere.
17 Die Revisionen machen in ihrer Zulässigkeitsbegründung betreffend die Fünftrevisionswerberin zudem eine Verletzung der Verhandlungspflicht geltend.
18 Der Verwaltungsgerichtshof hat die Voraussetzungen, unter denen das BVwG im Asylverfahren von einer Verhandlung absehen kann (§ 21 Abs. 7 BFAVG), in seiner ständigen Rechtsprechung näher präzisiert (vgl. dazu grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018; sowie zuletzt etwa VwGH 19.8.2025, Ra 2025/18/0091). Dass das BVwG von diesen rechtlichen Leitlinien fallbezogen abgewichen wäre, zeigen die Revisionen nicht auf.
19Auf weiteres Vorbringen, das sich allein in den Revisionsgründen findet, ist schon zufolge § 34 Abs. 1a und § 28 Abs. 3 VwGG bei der Beurteilung, ob sich eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 BVG als zulässig darstellt, nicht weiter einzugehen (vgl. etwa VwGH 7.8.2025, Ra 2025/18/0134, mwN).
20 In den Revisionen werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 10. Oktober 2025