JudikaturVwGH

Fr 2025/15/0007 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
15. April 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., in der Fristsetzungssache der W GmbH in P, vertreten durch Wirtschaftstreuhänderin Helga Reutner in 3680 Persenbeug, Habsburgstraße 20, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Steuersache, den Beschluss gefasst:

Spruch

Der Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom 4. Februar 2025, Zl. FR/5100001/2025, mit dem der Fristsetzungsantrag der antragstellenden Partei vom 17. Jänner 2025 als unzulässig zurückgewiesen wurde, wird soweit er die Körperschaftsteuer 2011 betrifft aufgehoben.

Soweit der Fristsetzungsantrag hingegen die Festsetzung von Anspruchszinsen 2011 betrifft, wird er zurückgewiesen.

1 Mit Eingabe vom 17. Jänner 2025 brachte die antragstellende Partei am 20. Jänner 2025 beim Bundesfinanzgericht (BFG) einen Fristsetzungsantrag ein und begehrte, „der Verwaltungsgerichtshof möge dem Bundesfinanzgericht eine Frist zur Entscheidung über die Beschwerde gegen den Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr 2011 vom 22.04.2017 als auch gegen den aufgrund dieses Bescheides ergangenen Festsetzungsbescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2011 setzen“.

2 Mit Beschluss vom 4. Februar 2025 wies das BFG den Fristsetzungsantrag gemäß § 30a Abs. 1 iVm § 30a Abs. 8 VwGG als unzulässig zurück. Begründend verwies das BFG auf den Vorlagebericht des Finanzamts. Dieser sei ein Anbringen (§ 85 BAO), das die Entscheidungspflicht des Verwaltungsgerichtes über die Bescheidbeschwerde (§ 291 Abs. 2 BAO) im Zeitpunkt der Vorlage der Beschwerde auslöse. Der Vorlagebericht sei maßgeblich für den Beginn der Frist nach § 38 Abs. 1 VwGG zur Stellung eines Fristsetzungsantrags. Der vom Finanzamt der antragstellenden Partei gemäß § 265 Abs. 4 zur Kenntnis gebrachte Vorlagebericht habe den Charakter eines Vorhalts. Die vorgelegte Beschwerde richte sich gegen den Wiederaufnahmebescheid betreffend Körperschafsteuer für das Jahr 2011 vom 22. März 2017. Dieser Umstand sei unmissverständlich im Vorlagebericht vom 6. Juni 2017 klargestellt worden. Eine Zuständigkeit des BFG entstehe erst dann, wenn die Vorlage durch das Finanzamt erfolgt sei. Ein Vorlagebericht an das BFG, welcher die Beschwerde hinsichtlich Körperschaftsteuer und Anspruchszinsen zum Inhalt habe, sei bisher nicht erfolgt. Es ergebe sich daher klar, dass sich der Umfang der Entscheidungspflicht des BFG ausschließlich auf den Wiederaufnahmebescheid des Jahres 2011 vom 22. März 2017 beschränke. Darüber sei mit Erkenntnis des BFG vom 19. September 2024, RV/5100806/2017 auch bereits abgesprochen worden. Es liege daher keine Säumnis und somit keine Verletzung der Entscheidungspflicht des BFG vor.

3 Dagegen brachte die antragstellende Partei einen Vorlageantrag gemäß § 30b Abs. 1 VwGG ein und führte aus, ihre beim Finanzamt eingebrachte Beschwerde habe sich nicht nur gegen die von Amts wegen erfolgte Wiederaufnahme, sondern auch gegen den infolge dieser Wiederaufnahme zu ihrem Nachteil abgeänderten Körperschaftsteuerbescheid 2011 sowie den aufgrund dieses Bescheides ergangenen Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2011 gerichtet. Diesbezüglich liege Säumnis des BFG vor, innerhalb der ihm auferlegten Entscheidungsfrist zu entscheiden.

4 Der Verwaltungsgerichtshof ist aufgrund des rechtzeitigen und zulässigen Vorlageantrages zur Entscheidung in der vom BFG vorentschiedenen Fristsetzungssache berufen und hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 lit. c VwGG gebildeten Senat erwogen:

5 Für die Beurteilung von Anbringen kommt es auf den Inhalt und auf das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes an. Bei einem eindeutigen Inhalt eines Anbringens ist eine davon abweichende, nach außen nicht zum Ausdruck kommende Absicht der einschreitenden Partei nicht maßgebend. Bei undeutlichem Inhalt eines Anbringens ist die Absicht der Partei zu erforschen. Nach § 250 Abs. 1 lit. a BAO muss die Beschwerde die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet, enthalten. Ziel der Bestimmung des § 250 Abs. 1 lit. a BAO ist es, die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht in die Lage zu versetzen, über die Beschwerde eine Entscheidung zu treffen, sodass es für die Bezeichnung des Bescheides genügt, dass aus dem gesamten Inhalt des Rechtsmittels hervorgeht, wogegen es sich richtet, und die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht auf Grund des Beschwerdevorbringens nicht zweifeln kann, welcher Bescheid angefochten ist (vgl. VwGH 24.6.2009, 2007/15/0041, mwN).

6 Entspricht eine Beschwerde nicht diesen Erfordernissen, so hat die Abgabenbehörde einen Verbesserungsauftrag zu erteilen. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Beschwerde den in § 250 Abs. 1 BAO bezeichneten Erfordernissen entspricht, ist dabei davon auszugehen, dass der Rechtsschutz nicht durch einen überspitzten Formalismus beeinträchtigt werden darf. So genügt für die Bezeichnung des Bescheides, dass aus dem gesamten Inhalt des Rechtsmittels hervorgeht, wogegen es sich richtet. (vgl. VwGH 28.1.1998, 96/13/0081, mwN).

7 Der Vorlagebericht des Finanzamts (§ 265 Abs. 3 BAO) dient wie aus den Gesetzesmaterialien hervorgeht bloß dazu, um den Verwaltungsgerichten den Überblick zu erleichtern. Der Vorlagebericht (für sich) ist nicht als Antrag der Abgabenbehörde als Partei im Beschwerdeverfahren (§ 265 Abs. 5 BAO) zu beurteilen, der gemäß § 291 Abs. 1 BAO der Entscheidungspflicht unterliegen würde. Auch ist es nicht der Vorlagebericht, der den Lauf der Entscheidungsfrist auslöst; die Entscheidungsfrist beginnt vielmehr mit der Vorlage der Beschwerde. Dass eine Mangelhaftigkeit des Vorlageberichts Auswirkungen auf die Zuständigkeit des BFG zur Entscheidung in der Sache oder auf den Beginn des Laufes der Entscheidungsfrist hätte, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Wenn der Vorlagebericht andere (oder zusätzliche oder auch weniger) anzufechtende Bescheide bzw. erhobene Rechtsmittel nennt als jene, die vorgelegt werden, so wird das BFG diesen Widerspruch aber aufzuklären haben (§ 115 BAO) (vgl. VwGH 29.1.2015, Ro 2015/15/0001).

8 Gegenüber der Antragstellerin sind seitens des Finanzamts mit Datum jeweils vom 22. März 2017 drei Bescheide erlassen worden, nämlich (1) ein Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Körperschaftsteuer 2011 gemäß § 303 BAO; (2) ein Bescheid über die Festsetzung der Körperschaftssteuer 2011; sowie (3) ein Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2011.

9 Mit Schriftsatz vom 20. April 2017 erhob die antragstellende Partei Beschwerde, wobei sie u.a. auch beantragte, dass die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung gemäß § 262 Abs. 2 BAO unterbleibe.

10 Auf dem Rubrum (dem Deckblatt) der Beschwerde war unter „Betreff“ die antragstellende Partei samt Adresse und Steuernummer sowie die Wortfolge „Wiederaufnahmebescheid vom 22. März 2017, betrifft Körperschaftssteuerbescheid für 2011, sowie den Bescheid vom 22. März 2017 über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2011“ angegeben. Darunter stand der Satz: „Gegen sämtliche oben angeführten Bescheide wird innerhalb offener Frist durch den bevollmächtigten Vertreter das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben.“ Auf der folgenden Seite wurde fortgeführt: „Diese richtet sich gegen das Ergebnis der Außenprüfung, lt. Bericht gem. Par. 150 BAO vom 14.03.2017, Tz. 1 Mieten für [LKW ]Auflieger per € 20.000.00, die dem Betriebsergebnis nicht zuzurechnen sind.“ Unter „Begründung und Sachverhalt“ wurde in der Folge näher inhaltlich ausgeführt, warum diese Mietaufwendungen entgegen dem Ergebnis der Außenprüfung im Rahmen der Körperschaftsteuerbemessung 2011 steuerlich als Betriebsausgaben zu berücksichtigen gewesen wären. Weiters wurde gerügt, dass das Finanzamt nicht dargelegt habe, warum die von der antragstellenden Partei hierzu vorgelegten Dokumente nicht gewürdigt worden seien.

11 Damit war aber im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung offensichtlich, dass sich die antragstellende Partei mit ihrer Beschwerde (gerade) auch gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2011 gewandt hat.

12 Mit Vorlagebericht vom 6. Juni 2017 bezeichnete das Finanzamt demgegenüber unter Vorlage des gesamten Verwaltungsaktes inklusive des Berichts der Außenprüfung und des Körperschaftsteuerbescheids 2011 (nur) den Wiederaufnahmebescheid als in Beschwerde gezogen und führte näher aus, warum ein Wiederaufnahmegrund gegenständlich vorliege.

13 Mit Erkenntnis vom 19. September 2024 eine Beschwerdevorentscheidung ist gemäß § 262 Abs. 2 BAO unterblieben wies das BFG schließlich die vorgelegte Beschwerde „gegen die Bescheide [...] vom 22. März 2017 über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Körperschaftsteuer 2011 gemäß § 303 BAO sowie über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2011“ mit näherer Begründung ab.

14 Eine Entscheidung des BFG hinsichtlich Körperschaftsteuer 2011 erging nicht.

15 Der im Spruch genannte Zurückweisungsbeschluss des BFG erweist sich nach dem Gesagten somit hinsichtlich Körperschaftsteuer 2011 als rechtswidrig und war daher gemäß § 30b Abs. 1 VwGG aufzuheben (zur Aufhebung rechtswidriger auf § 30a Abs. 1 iVm Abs. 8 VwGG gestützter Zurückweisungsbeschlüsse von Verwaltungsgerichten in Fristsetzungssachen vgl. VwGH 21.11.2022, Fr 2022/08/0008, sowie 19.9.2014, Fr 2014/20/0022).

16 Über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2011 hat das BFG hingegen im Erkenntnis vom 19. September 2024 abgesprochen und diesen Spruch in der Begründung des Erkenntnisses auch begründet.

17 Hinsichtlich der Festsetzung von Anspruchszinsen 2011 war der Fristsetzungsantrag daher zurückzuweisen.

Wien, am 15. April 2025

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