Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Dr. Maurer Kober sowie die Hofrätin Dr. in Sembacher und den Hofrat Mag. Marzi als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision des F A, vertreten durch die Kocher Bucher Rechtsanwälte OG in Graz, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juni 2025, W608 14370442/28E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1Dem Revisionswerber, einem Staatsangehörigen Afghanistans und Angehörigen der Volksgruppe der Tadschiken, der nach Einreise in das Bundesgebiet am 26. März 2012 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) stellte, wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 2. Juli 2015 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
2 Der Revisionswerber wurde im Jahr 2024 vom Landesgericht Wiener Neustadt wegen des Verbrechens der Vergewaltigung, des Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung, des Verbrechens der schweren Nötigung und des Vergehens der falschen Beweisaussage zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren verurteilt.
3 In der Folge leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ein Aberkennungsverfahren ein.
4Mit Bescheid des BFA vom 27. Mai 2024 wurde dem Revisionswerber der mit Erkenntnis des BVwG vom 2. Juli 2015 zuerkannte Status des Asylberechtigten aberkannt und festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Das BFA erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu (Spruchpunkt II.), erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.), stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.), legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest (Spruchpunkt VI.) und erließ ein unbefristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VII.).
5 Mit dem angefochtenen Teilerkenntnis wies das BVwG die gegen die Spruchpunkte I. bis VI. dieses Bescheides erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit näheren Maßgaben als unbegründet ab (Spruchpunkt A.) und sprach aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG nicht zulässig sei (Spruchpunkt B.). Unter einem fasste es den Beschluss, das Beschwerdeverfahren hinsichtlich des in Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides ausgesprochenen unbefristeten Einreiseverbots gemäß § 17 VwGVG iVm § 38 AVG auszusetzen. Weiters sprach das BVwG aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG gegen diesen Beschluss nicht zulässig sei.
6 Gegen das Teilerkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10Zunächst begründet der Revisionswerber die Zulässigkeit der Revision pauschal mit einer grob mangelhaften Beweiswürdigung und einem „unsorgfältigen“ Ermittlungsverfahren. Weder legt die Revision, die auf die Beweiswürdigung des BVwG mit keinem Wort eingeht, mit dieser Behauptung eine Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung dar (vgl. zum diesbezüglichen Prüfungsmaßstab des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 11.9.2025, Ra 2024/14/0873, Rn. 9, mwN), noch zeigt sie die Relevanz der nicht näher bezeichneten Verfahrensfehler auf (vgl. zum Erfordernis der Relevanzdarlegung bei Verfahrensmängeln schon in der Zulässigkeitsbegründung für viele VwGH 15.9.2025, Ra 2025/14/0309, Rn. 8, mwN).
11 In der Zulässigkeitsbegründung wendet sich der Revisionswerber des Weiteren gegen die durch das BVwG im Rahmen der Erlassung der Rückkehrentscheidung gemäß § 9 BFAVG iVm Art. 8 EMRK vorgenommene Interessenabwägung. Das BVwG habe näher bezeichnete Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf die Gewichtung der für die Integration sprechenden Aspekte und der langen rechtmäßigen Aufenthaltsdauer nicht berücksichtigt. Der Revisionswerber halte sich seit über zehn Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet auf, sei in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht „erfolgreich“ integriert und verfüge im Bundesgebiet über familiäre und verwandtschaftliche Beziehungen. Die familiären und privaten Interessen des Revisionswerbers an einem Verbleib im Bundesgebiet würden das öffentliche Interesse an der Beendigung seines Aufenthaltes fallbezogen überwiegen.
12 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung im Allgemeinen wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurdenicht revisibel ist (vgl. VwGH 1.9.2025, Ra 2024/14/0479, Rn. 14, mwN).
13 Überdies ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung besondere Anforderungen an die im Rahmen der Rückkehrentscheidung durchzuführende Interessenabwägung bei der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen Fremde stellt, die wie der Revisionswerber, dem im Juli 2015 in Österreich der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurdeüber lange Zeit als Asylberechtigte rechtmäßig in Österreich niedergelassen waren und denen der Status als Asylberechtigte aberkannt wurde (vgl. VwGH 5.9.2025, Ra 2024/14/0706, Rn. 14, mwN).
14 Fallbezogen setzte sich das BVwG mit dem im Bundesgebiet bestehenden Familien- und Privatleben des Revisionswerbers im Rahmen der Interessenabwägung auseinander. Es gewichtete den langen rechtmäßigen Aufenthalt des Revisionswerbers sowie weitere für seine Integration sprechende Aspekte, wie etwa die vom Revisionswerber erworbenen Kenntnisse der deutschen Sprache oder seine mehrjährige legale Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet, zu seinen Gunsten. Diesen Aspekten stellte das BVwG insbesondere die schwere Straffälligkeit des Revisionswerbers gegenüber, die wie das BVwG festhielt auch das im Bundesgebiet bestehende Familienleben des Revisionswerbers relativiere, zumal auch alle Straftaten zum Nachteil seiner damaligen Lebensgefährtin verübt worden seien. Von der Begehung des „besonders schweren Verbrechens“ der Vergewaltigung gehe eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit aus, die ein Grundinteresse der Gesellschaft, nämlich die Verhinderung von Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit bzw. sexuelle Integrität, berühre. Der Verwaltungsgerichtshof habe in näher zitierter Rechtsprechung festgehalten, dass dieses Verbrechen zu jenen Straftaten gehöre, die die Rechtsordnung der betroffenen Gesellschaft am Stärksten betreffe. Vor diesem Hintergrund kam das BVwG zu dem Ergebnis, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes die festgestellten familiären und privaten Interessen des Revisionswerbers an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiege.
15 Im Lichte der oben wiedergegebenen und vom BVwG entgegen dem Revisionsvorbringen auch herangezogenen Rechtsprechung gelingt es dem Revisionswerber mit seinen allgemein gehaltenen Ausführungen, die seine Straffälligkeit unbeachtet lassen, sowie der kursorischen Auflistung von Umständen, die das BVwG wie dargestellt jedoch ohnehin miteinbezogen hat, nicht, aufzuzeigen, dass die im vorliegenden Fall vorgenommene Interessenabwägung unvertretbar wäre.
16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 17. Oktober 2025
Rückverweise
Keine Verweise gefunden