JudikaturVwGH

Ra 2025/10/0014 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
27. März 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Kreil, über die Revision des E P in V, vertreten durch die Komwid Kompein Widmann Partner Rechtsanwälte OG in 1030 Wien, Beatrixgasse 1/11, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22. Jänner 2025, Zl. G301 2306133 1/5Z, betreffend Aussetzung eines Beschwerdeverfahrens in einer schulrechtlichen Angelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bildungsdirektion für Steiermark), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Mit Bescheid der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde vom 4. Juli 2024 wurde die Anzeige der Teilnahme des Revisionswerbers an häuslichem Unterricht für das Schuljahr 2024/25 als unzulässig zurückgewiesen.

2 Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30. September 2024 wurde einer dagegen vom Revisionswerber erhobenen Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid vom 4. Juli 2024 aufgehoben.

3 Gegen dieses Erkenntnis wurde von der belangten Behörde Amtsrevision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben, die zur hg. Zahl Ro 2024/10/0024 protokolliert wurde.

4 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 28. Oktober 2024 wurde die Teilnahme des Revisionswerbers an häuslichem Unterricht für das Schuljahr 2024/25 untersagt und ausgesprochen, dass dieser seine Schulpflicht im Schuljahr 2024/25 in einer öffentlichen Schule oder in einer mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu erfüllen habe. Weiters wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen.

5 Der Revisionswerber erhob dagegen Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

6 Mit dem angefochtenen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22. Jänner 2025 wurde das Beschwerdeverfahren gemäß § 38 AVG iVm § 17 VwGVG „bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die (ordentliche) Amtsrevision ... gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.09.2024“ ausgesetzt.Weiters wurde ausgesprochen, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

7 Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der vom Bundesverwaltungsgericht im Erkenntnis vom 30. September 2024 vertretenen Rechtsansicht, wonach die belangte Behörde in der vorliegenden Fallkonstellation verpflichtet sei, über die angezeigte Teilnahme an häuslichem Unterricht trotz des vorher festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarfs für den betroffenen Schüler nicht bloß formal, sondern inhaltlich in der Sache zu entscheiden, sei die belangte Behörde in der (zur hg. Zahl Ro 2024/10/0024 protokollierten) Amtsrevision entgegengetreten. Für die Entscheidung über die vorliegende Beschwerde, der eine inhaltlich abweisende Entscheidung der belangten Behörde zugrunde liege, sei jedoch die „allfällige Klärung“ der vom Bundesverwaltungsgericht und von der Amtsrevision aufgeworfenen grundsätzlichen Rechtsfrage durch den Verwaltungsgerichtshof „jedenfalls von maßgeblicher Bedeutung, da das rechtliche ‚Schicksal‘ einer Entscheidung“ des Bundesverwaltungsgerichtes im vorliegenden Verfahren von der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich der vorangegangenen Beschwerdeentscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes abhänge. Das gegenständliche Beschwerdeverfahren sei daher gemäß § 38 AVG iVm § 17 VwGVG bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die genannte Amtsrevision auszusetzen gewesen.

8 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

9 Mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Februar 2025 wurde der belangten Behörde gemäß § 35 Abs. 2 Z 3 VwGG Gelegenheit gegeben, zur vorläufigen Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes, wonach sich schon aus dem angefochtenen Beschluss ergibt, dass eine in der Revision behauptete Rechtsverletzung vorliegt, weil der angefochtene Beschluss von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe dazu unten) abweicht, binnen zwei Wochen Stellung nehmen zu können.

10 Eine Stellungnahme erfolgte nicht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

11 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden außerordentlichen Revision wird ein Abweichen des Bundesverwaltungsgerichtes von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Verweis u.a. auf VwGH 15.5.2013, 2012/12/0106; 29.1.2008, 2007/05/0296; 22.9.1998, 98/05/0169) dazu, dass „Beschwerden bei einem der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts keine Vorfragenproblematik“ im Sinne des § 38 AVG begründeten, geltend gemacht.

12 Die Revision ist zulässig und begründet:

13 Das Bundesverwaltungsgericht stützt seine Aussetzung des Beschwerdeverfahrens auf § 38 AVG iVm § 17 VwGVG. Nach § 38 letzter Satz AVG ist die Behörde nur dann zur Aussetzung des Verfahrens befugt, wenn das Verfahren über die Vorfrage noch nicht beendet, also insbesondere nicht rechtskräftig entschieden worden ist.

14 Im vorliegenden Fall wurde die vom Bundesverwaltungsgericht als maßgeblich angesehene Frage - ob es sich dabei um eine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG handelt, bedarf hier aus den nachfolgenden Gründen keiner weiteren Erörterung - allerdings mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30. September 2024 rechtskräftig entschieden. Daran ändert auch die dagegen von der belangten Behörde erhobene Amtsrevision an den Verwaltungsgerichtshof nichts. Das Bundesverwaltungsgericht war somit schon deshalb zu der mit dem angefochtenen Beschluss ausgesprochenen Verfahrensaussetzung nicht befugt (vgl. VwGH 29.6.2017, Ra 2016/04/0150; 23.5.2017, Ra 2016/10/0148; 26.11.2015, Ro 2015/07/0018; siehe auch VwGH 14.12.2023, Ra 2023/10/0381, Rn 17; 22.12.2020, Ra 2020/11/0215, Rn 22; 19.12.2019, Ra 2018/11/0239, Rn 11).

15 Da sich somit schon aus dem angefochtenen Beschluss ergibt, dass eine in der Revision behauptetet Rechtsverletzung vorliegt, war dieser Beschluss gemäß § 35 Abs. 2 VwGG ohne weiteres Verfahren wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

16 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 27. März 2025

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