JudikaturVwGH

Ra 2025/09/0018 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
03. Juni 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Doblinger sowie den Hofrat Mag. Feiel und die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Rieder, über die außerordentliche Revision der Mag. A B in C, vertreten durch Dr. Georg Prchlik, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Kolingasse 11/Tür 15, gegen den Beschluss des Personalausschusses des Verwaltungsgerichts Wien vom 10. Februar 2025, VGW PA 379/2023 13, betreffend Antrag auf Wiederaufnahme eines Dienstbeurteilungsverfahrens nach dem Wiener Verwaltungsgericht Dienstrechtsgesetz, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Die Revisionswerberin ist Mitglied des Verwaltungsgerichts Wien. Mit rechtskräftigem Erkenntnis dessen Personalausschusses vom 8. Jänner 2024 wurde ihre Dienstbeurteilung für den Zeitraum 1. Jänner 2020 bis 31. Dezember 2022 mit „sehr gut“ festgesetzt. Dies wurde zusammengefasst damit begründet, dass sich die Qualität der eingesehenen Entscheidungen der Revisionswerberin im Bereich der Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretungen von COVID 19 Schutzmaßnahmen auf unterdurchschnittlichem Niveau bewegten, was auch zur Aufhebung von Entscheidungen durch den Verwaltungsgerichtshof geführt habe. Gerade in diesen Verfahren habe sie regelmäßig von der Ladung und Befragung aktenkundiger Belastungszeugen Abstand genommen und allein aufgrund des Beschwerdevorbringens entschieden, was keineswegs der gebotenen Vorgangsweise in Beschwerdeverfahren im Verwaltungsstrafrecht entspreche. In diesem Zusammenhang habe der Verwaltungsgerichtshof zu einer Entscheidung der Revisionswerberin auch unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass nach seiner ständigen Rechtsprechung dem AVG und dem VStG eine antizipierende Beweiswürdigung fremd ist. In einer weiteren Entscheidung habe sie die Bestrafung des Beschwerdeführers für „untunlich“ erklärt, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt, ohne die betreffende Rechtsvorschrift beim Verfassungsgerichtshof angefochten zu haben. Vor dem Hintergrund dieser Mängel in der Verfahrensführung seien der Umfang und die Aktualität der fachlichen Kenntnisse sowie die Gewissenhaftigkeit, mit der sie die ihr zugewiesenen Beschwerdeverfahren als Richterin führe, keineswegs als ausgezeichnet zu beurteilen. Diese Mängel seien derart schwerwiegend, dass sie durch den überdurchschnittlichen quantitativen Arbeitserfolg, und die jeweils hervorragend ausgeprägten Führungsqualitäten, organisatorischen Fähigkeiten, die Kritik , Konflikt , Kommunikations und Teamfähigkeit sowie ihr Verhalten im Dienst und ihre Ausdrucksfähigkeit nicht vollständig aufgewogen würden.

2 Mit dem angefochtenen Beschluss vom 10. Februar 2025 wies der Personalausschuss des Verwaltungsgerichts Wien den auf den Wiederaufnahmegrund des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG gestützten und mit der Veröffentlichung der ungeschwärzten Ergebnisprotokolle über Sitzungen von Arbeitsgruppen des Robert Koch Instituts begründeten Antrag vom 25. November 2024 auf Wiederaufnahme des Dienstbeurteilungsverfahrens ab. Die Revision erklärte er nach Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.

3 Die vorgelegten Urkunden so wurde der Beschluss im Wesentlichen begründet wiesen keinerlei Eignung auf, sich auf die vom Personalausschuss der Revisionswerberin zur Last gelegten Fehler bei der Verfahrensführung auswirken zu können. Die Revisionswerberin sei gemäß § 38 VwGVG in Verbindung mit § 25 Abs. 1 und 2 VStG zur amtswegigen Erforschung der materiellen Wahrheit verpflichtet. Das Verwaltungsgericht habe von Amts wegen unabhängig von Parteienvorbringen und anträgen den wahren Sachverhalt durch Aufnahme der nötigen Beweise zu ermitteln. Die Abstandnahme von der Ladung und Befragung aktenkundiger Belastungszeugen und die Entscheidung allein aufgrund des Beschwerdevorbringens habe keineswegs der gebotenen verfahrensrechtlichen Vorgangsweise in Beschwerdeverfahren im Verwaltungsstrafrecht entsprochen. Daran ändere der Erkenntnisstand eines deutschen Bundesinstituts über die Effektivität bzw. Sinnhaftigkeit der damals in Geltung gestandenen materiell rechtlichen Regelungen betreffend die Tragepflicht von FFP 2 Masken nichts. Selbst bei Zutreffen der vorgebrachten neuen Tatsachen seien diese nicht geeignet, eine im Hauptteil des Spruches anderslautende Entscheidung herbeizuführen.

4 Gegen den Beschluss eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 und 9 B VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6 Voranzustellen ist, dass eine nach den Umständen des Einzelfalles vorgenommene und vertretbare Beurteilung, ob im Wiederaufnahmeantrag Tatsachen vorgebracht werden, auf die mit hoher Wahrscheinlichkeit zutrifft, dass sie im wiederaufzunehmenden Verfahren zu einer anderen Entscheidung geführt hätten, und ob in diesem Sinn die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme nach § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG vorliegen, als Einzelfallbeurteilung im Regelfall nicht revisibel ist (vgl. VwGH 6.9.2023, Ra 2022/09/0144, Rn. 27, mwN).

7 Die Revisionswerberin sieht die Zulässigkeit ihrer Revision in der zu klärenden Rechtsfrage, ob in einem Wiederaufnahmeverfahren betreffend eine Dienstbeurteilung ein neues Beweismittel, das Einfluss auf die Gewichtung einzelner Beurteilungsaspekte habe, als ein Beweismittel anzusehen sei, das „allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des wiederaufzunehmenden Verfahrens voraussichtlich eine anderslautende Entscheidung hätte herbeiführen können“.

8 Damit wird eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nicht aufgezeigt, weil das Zulässigkeitsvorbringen auf der unrichtigen Prämisse aufbaut, dass das nun vorgelegte Beweismittel (interne COVID 19 Krisenstabsprotokolle des Robert Koch Instituts) Einfluss auf die Gewichtung einzelner Beurteilungsaspekte hätte haben können.

9 Die vollständige Veröffentlichung des Inhalts der genannten Protokolle führte weder zu einer (rückwirkenden) Änderung der maßgeblichen materiell rechtlichen COVID 19 Schutzvorschriften, noch legte sie eine (nachträgliche) Rechtfertigung für ein Abgehen von den in sämtlichen Verwaltungsstrafsachen gleichermaßen zu beachtenden Verfahrensgrundsätzen nahe. Richterliche Rechtsfortbildung contra legem ist ausgeschlossen. Der Richter ist vielmehr an das geltende Gesetz gebunden. Unabhängig ist er nur von der Verwaltung, nicht aber von der Gesetzgebung (RIS Justiz RS0008811; vgl. auch VwGH 12.3.2021, Ra 2021/09/0029, Rn. 6, mwN). Selbst eine behauptete fehlende medizinisch fachliche Begründetheit der gesetzlichen Schutzvorschriften änderte nichts an deren Verbindlichkeit. Das Beweismittel ist daher schon abstrakt betrachtet nicht geeignet, zu einer anderen Dienstbeurteilung der Revisionswerberin zu führen.

10 In der Revision werden deshalb keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen nach Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, weshalb diese nach § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren und daher im Sinn des § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen war.

Wien, am 3. Juni 2025

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