Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Kreil, über die Revision des Stadtsenates der Landeshauptstadt St. Pölten, vertreten durch die Haslinger/Nagele Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 21. Mai 2025, Zl. LVwG AV 496/001 2025, betreffend Aussetzung eines Verfahrens über die Mitteilung von Umweltinformationen nach dem NÖ Auskunftsgesetz (mitbeteiligte Partei: Verein Z, vertreten durch Mag. Wolfram Schachinger, Rechtsanwalt in Wien; weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit Eingabe vom 23. Jänner 2024 begehrte die mitbeteiligte Partei unter anderem gestützt auf das NÖ Auskunftsgesetz die Übermittlung einer näher genannten, im Auftrag des Magistrats der Landeshauptstadt St. Pölten erstellten Studie.
2 Mit Bescheid der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht (und nunmehrigen Amtsrevisionswerbers) vom 27. Jänner 2025 wurde das Verfahren betreffend den Antrag auf Herausgabe von Umweltinformationen „bis zur rechtskräftigen Entscheidung des beim Landesgericht St. Pölten zur Geschäftszahl 24 Cg 106/24 x anhängigen zivilrechtlichen Verfahrens, betreffend die Vorfrage, ob die Stadt St. Pölten die Studie verwenden bzw. veröffentlichen darf oder das der Erstellung der Studie zugrundeliegende Auftragsverhältnis aufgehoben oder rückabgewickelt wird“ gemäß § 38 AVG ausgesetzt.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hob das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) diesen Bescheid in Stattgabe einer Beschwerde der mitbeteiligten Partei auf. Eine ordentliche Revision gegen das angefochtene Erkenntnis erklärte es für nicht zulässig.
4 Das Verwaltungsgericht stellte im Wesentlichen fest, dass mit Beschluss des Stadtsenates der Stadt St. Pölten vom 29. März 2021 zwei näher genannte Auftragnehmer mit der Durchführung der gegenständlichen Studie „Biotopmonitoring Biotopkartierung St. Pölten 2022“ beauftragt worden seien. Vereinbarte Zielsetzung des Projektes und damit Gegenstand der Beauftragung sei unter anderem die Veröffentlichung der Studie und Vermittlung der Gutachtensergebnisse an die Bevölkerung gewesen. Nur etwa 16 % der betroffenen kartierten Flächen stünden dabei im Eigentum der Stadt St. Pölten. Die restlichen kartierten Flächen befänden sich in Privateigentum. Nach eingehender Prüfung der Sach- und Rechtslage sei im Frühjahr 2024 für die Stadt St. Pölten festgestanden, dass die jeweiligen (privaten) Grundeigentümer vor dem Betreten der Grundstücke durch die Auftragnehmer nicht um ihre Zustimmung gefragt worden seien. Die von den Auftragnehmern übergebene Studie sei daher nach Ansicht der Stadt St. Pölten mit einem Mangel behaftet und könne folglich nicht veröffentlicht werden, ohne das Risiko der Geltendmachung von Ersatzansprüchen oder Unterlassungsklagen gegen die Stadt St. Pölten einzugehen.
5 Die Stadt St. Pölten habe daraufhin am 21. August 2024 eine Mahnklage beim Landesgericht St. Pölten mit dem Begehren der Aufhebung und Rückabwicklung des Vertrages betreffend die Durchführung bzw. Erstellung der Studie eingebracht. Die durch den Einspruch der Auftragnehmer nun streitige Zivilrechtssache sei dort zur GZ 24 Cg 106/24x anhängig.
6 In seinen rechtlichen Erwägungen hielt das Verwaltungsgericht fest, die Hauptfrage im gegenständlichen Auskunftsverfahren sei im Wesentlichen, ob die angefragten Daten Umweltinformationen seien (Anwendbarkeit der diesbezüglichen Auskunftsbestimmungen) und ob einer Beauskunftung allfällige Mitteilungsschranken entgegenstünden. Die Entscheidung im Zivilverfahren beim Landesgericht St. Pölten zu 24 Cg 106/24x sei keine Vorfrage für das gegenständliche Auskunftsverfahren, weil die Lösung der Rechtsfrage im zivilgerichtlichen Verfahren nicht zum Zwecke der Lösung der Hauptfrage im Auskunftsverfahren notwendig sei. Das Zivilverfahren beim Landesgericht St. Pölten sei damit keine taugliche Grundlage für eine Aussetzung des Auskunftsverfahrens nach § 38 AVG.
7 Das Vorliegen von Mitteilungsschranken und Verweigerungsgründen etwa des im bekämpften Bescheid genannten Grundes nach § 12 Abs. 2 Z 7 NÖ Auskunftsgesetz sei Teil der Hauptfrage und daher nicht geeignet, eine Aussetzung des Verfahrens nach § 38 AVG zu begründen.
8 Den Entfall der in der Beschwerde beantragten mündlichen Verhandlung begründete das Verwaltungsgericht damit, dass im gegenständlichen Fall der Sachverhalt unstrittig und für die Lösung der Rechtsfrage eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich gewesen sei.
9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Amtsrevision der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde.
10 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
13 Zur Begründung ihrer Zulässigkeit wird in der Revision vorgebracht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu, ob es für die Beurteilung des „Vorhandenseins“ von Umweltinformationen (konkret: in der Studie) gemäß § 7 und § 10 Abs. 1 und 2 NÖ Auskunftsgesetz und damit für die Entscheidung über ein Begehren auf Mitteilung dieser Umweltinformationen darauf ankomme, ob die informationspflichtige Stelle eine (konkret: vertragliche) Verfügungsberechtigung darüber habe, und dies eine Vorfrage im Sinn des § 38 AVG darstelle.
14 Ferner fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob die fehlende vertragliche Berechtigung, über eine Umweltinformation zu verfügen, (alternativ oder zusätzlich) bei der Auslegung des § 12 NÖ Auskunftsgesetz konkret zum Vorliegen eines Verweigerungsgrundes oder einer Mitteilungsschranke bedeutsam sei und daher der Bestand eines Vertrages, der eine solche Berechtigung einräume, in dieser Hinsicht im Auskunftsverfahren eine Vorfrage im Sinn des § 38 AVG darstelle.
15 Zur Relevanz dieser Fragen für das vorliegende Verfahren wird im Wesentlichen geltend gemacht, dass über den Bestand des Vertrages über die Durchführung der Studie, der auch ihre Verwendung zum Gegenstand habe, das Landesgericht St. Pölten im Zivilverfahren als Hauptfrage entscheide. Von der Beantwortung der geltend gemachten Rechtsfragen, die auf die Klärung abzielten, ob der mangelnde Bestand eines solchen Vertrages der Erfüllung des Auskunftsbegehrens entgegenstehe, hänge ab, ob das Auskunftsverfahren bis zur Klärung dieser Vorfrage unterbrochen werden könne.
16 Hilfsweise macht die Amtsrevision geltend, dass das Verwaltungsgericht mit der (ersatzlosen) Behebung des Aussetzungsbescheides von (nicht näher genannter) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Aussetzung nach § 38 AVG abgewichen sei.
17 Darüber hinaus wird in der Zulässigkeitsbegründung bemängelt, dass das Verwaltungsgericht nicht von der Durchführung der in der Beschwerde beantragten mündlichen Verhandlung absehen hätte dürfen. Eine Verhandlung sei auch zur Erörterung von nach der Aktenlage strittigen komplexen Rechtsfragen zwischen den Parteien und dem Gericht und damit zum Zweck eines Rechtsgesprächs durchzuführen. Hätte das Verwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durchgeführt, hätte der Amtsrevisionswerber dargetan, dass eine „Vorfragensituation“ vorliege, weil es bei der Beurteilung eines Mitteilungsbegehrens im Hinblick auf § 7 Abs. 1 Z 1, § 10 Abs. 1, Abs. 2 und/oder § 12 NÖ Auskunftsgesetz (auch) auf die (vertragliche) Verfügungsberechtigung der informationspflichtigen Stelle über die begehrte Umweltinformation ankomme.
18 Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts und dem Revisionsvorbringen hat die Stadt St. Pölten beim Landesgericht St. Pölten eine Mahnklage eingebracht. Aus dem insofern unbedenklichen Akteninhalt (Beilage zu OZ 7 des Behördenaktes) ergibt sich, dass die der strittigen Aussetzung zu Grunde liegende Klage der Stadt St. Pölten (ausschließlich) auf die Rückzahlung des Werklohnes für die Studie gerichtet ist und damit begründet wird, dass die Studie näher dargestellte Mängel aufweise und die Klägerin daher gegenüber den Beklagten außergerichtlich die Wandlung (Auflösung) des Vertrages über die Beauftragung der Studie erklärt habe (vgl. auch § 244 ZPO, wonach im Mahnverfahren ausschließlich auf Geldleistung gerichtete Klagen zu behandeln sind).
19 Damit gleicht der vorliegende Revisionsfall hinsichtlich des Sachverhalts und der aufgeworfenen Rechtsfragen jenem ebenso den Amtsrevisionswerber betreffenden Fall, der dem hg. Beschluss vom 21. August 2025, Ra 2025/07/0237, zugrunde lag, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG verwiesen wird.
20 Aus den in diesem Beschluss genannten Erwägungen werden auch in der vorliegenden Revision keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 2. September 2025