JudikaturVwGH

Ra 2025/04/0134 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
10. Juni 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak sowie die Hofrätin Mag. Hainz Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision des Magistrats der Stadt Wien gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 28. Februar 2025, Zl. VGW 021/014/6802/2024 4, betreffend eine Übertretung der Marktordnung 2018 (mitbeteiligte Partei: K R in T), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 1. Der Magistrat der Stadt Wien erkannte den Mitbeteiligten mit Straferkenntnis vom 8. April 2024 schuldig, im Zeitraum 9. Dezember 2023 bis 23. März 2024 entgegen § 9 Abs. 1 der Verordnung des Magistrats der Stadt Wien, mit der eine Marktordnung erlassen wird (Marktordnung 2018), nach welchem die Vergabe der definierten Marktplätze und Markteinrichtungen mit hier nicht relevanten Ausnahmen auf allen Märkten durch Zuweisung erfolge, auf einem bestimmten Markt im Sinne der Marktordnung einen Marktplatz zum Verkauf von Obst und Gemüsesorten, benutzt zu haben, ohne dass diese Fläche durch die Marktverwaltung zuvor an ihn vergeben worden wäre. Aus diesem Grund wurde über den Mitbeteiligten wegen Verletzung von § 9 Abs. 1 Marktordnung 2018, ABl. 2018/38, gemäß § 40 Marktordnung 2018 iVm § 368 GewO 1994, BGBl. Nr. 194 idF BGBl. I Nr. 42/2008, eine Geldstrafe von € 210,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 11 Stunden) verhängt und ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von € 21,00 vorgeschrieben.

2 Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Mitbeteiligte Beschwerde an das Verwaltungsgericht.

3 2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde Folge, hob das Straferkenntnis auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG ein. Ferner sprach es aus, dass der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten habe. Eine ordentliche Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

4 Das Verwaltungsgericht traf zusammengefasst folgende Feststellungen: Auf der unverbauten Marktfläche des Kmarktes befänden sich Tagesplätze, die nach Quadratmetern tageweise vergeben würden. Die Marktzeit sei auf dieser Marktfläche an Samstagen von 6 bis 17 Uhr. Die Vergabe von Tagesplätzen erfolge durch die Marktaufsichtsorgane, die Marktfahrern, die wegen eines Platzes anfragten, einen Platz zuwiesen. Von den eingesessenen Marktfahrern, die wie auch der Mitbeteiligte schon viele Jahre hindurch auf den Markt kämen, würden die Tagesplätze in der Früh ohne einen solchen Vergabevorgang bezogen. Die Marktgebühr werde nach Aufbau der Stände von den Marktaufsichtsorganen je nach Anzahl der beanspruchten Quadratmeter verrechnet und von den Benutzern einkassiert. Der Mitbeteiligte habe an den Samstagen im inkriminierten Zeitraum jeweils zwischen 6.30 und 7 Uhr, auf jenem Tagesplatz, der von ihm viele Jahre hindurch bezogen worden sei, seinen Verkaufsstand für Obst, Gemüse und daraus erzeugten Produkten aufgebaut. Während dieser Aufbauphase, die bis 8 Uhr abgeschlossen sein müsse, seien die Marktaufsichtsorgane jeweils auf dem Markt anwesend. An keinem der angeführten Markttage sei der Mitbeteiligte am Aufbau seines Verkaufsstandes gehindert worden.

5 Der Insolvenzverwalter des Mitbeteiligten habe der Leiterin der Marktverwaltung mit Schreiben vom 5. Dezember 2023 mitgeteilt, dass eine weitere Tätigkeit des Mitbeteiligten auf den Wochenmärkten der gerichtlichen Anordnung der Unternehmensschließung widerspreche und der Mitbeteiligte auch nicht berechtigt sei, die Verlassenschaft nach Mag. I.H. zu vertreten. Ab diesem Zeitpunkt seien die verfahrensgegenständlichen Anzeigen erstattet worden, nach denen trotz Untersagung durch die örtliche Marktaufsicht vom Mitbeteiligten ein Marktplatz bezogen worden sei.

6 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht nach Darstellung der relevanten Bestimmungen der Marktordnung 2018 aus, gemäß § 368 GewO 1994 begehe eine mit einer Geldstrafe bedrohte Verwaltungsübertretung, wer andere als in den §§ 366, 367 und 367a GewO 1994 genannte Ge oder Verbote dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen oder der Bescheide, die auf Grund der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassener Verordnungen ergangen seien, nicht einhalte. Im vorliegenden Fall werde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, während des Zeitraumes 9. Dezember 2023 bis 23. März 2024 entgegen § 9 Abs. 1 Marktordnung 2018 einen Marktplatz auf dem Kmarkt ohne Vergabe durch Zuweisung durch die Marktverwaltung benutzt zu haben. § 9 Abs. 1 Marktordnung 2018 regle jedoch nur die Vergabe definierter Marktplätze und Markteinrichtungen. Diese Rechtsvorschrift beinhalte weder ein an Marktparteien noch an andere Benutzer von Marktflächen, Marktplätzen, oder Markteinrichtungen gerichtetes Verbot. Entsprechend dem im Strafrecht allgemein geltenden Grundsatz „nullum crimen sine lege“ sei Voraussetzung für die Verhängung einer Strafe, dass die Tat zur Zeit ihrer Begehung ausdrücklich für strafbar erklärt gewesen sei. Strafrechtsquelle sei ausschließlich das geschriebene Gesetz, hier die zugrunde gelegte Verordnung. Eine Ergänzung desselben durch Analogie oder jede andere Art von Lückenschließung zum Nachteil des Täters sei untersagt. Dies schließe zwar eine Auslegung des Gesetzes nach Inhalt, Sinn und Tragweite eines bestehenden Rechtssatzes nicht aus, doch finde die Auslegung jedenfalls ihre äußerste Grenze im möglichen Wortsinn der auszulegenden Norm und müsse immer im Wortlaut des Gesetzes eine Stütze finden.

7 § 9 Abs. 1 Marktordnung 2018 enthalte keinen Straftatbestand, weshalb die dem Mitbeteiligten vorgeworfene Übertretung (Zuwiderhandlung gegen § 9 Abs. 1 Marktordnung 2018) auch keine Verwaltungsübertretung darstelle.

8 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht.

9 4.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12 4.2.1. Die Revision bringt zur Zulässigkeit vor, die Begründung des Verwaltungsgerichts enthalte keine konkrete Interpretation des § 9 Abs. 1 Marktordnung 2018, obwohl es selbst ausführe, dass eine Auslegung des Gesetzes nach Inhalt, Sinn und Tragweite möglich sei. § 9 Abs. 1 Marktordnung 2018 sei vom Mitbeteiligten entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts übertreten worden. § 40 Marktordnung 2018 stelle klar, dass eine Übertretung der Bestimmungen der Marktordnung 2018 zu bestrafen sei (Blankettstrafnorm). Unterziehe man § 9 Abs. 1 Markordnung 2018 einer Wortinterpretation, ergebe diese, dass eine Vergabe am Kmarkt ausschließlich durch eine Zuweisung durch die Marktbehörde (Magistrat der Stadt Wien MA 59) erfolge. Damit erfolge ohne Zuweisung keine Vergabe eines Marktplatzes. Daraus lasse sich wiederum ableiten, dass ein Bezug des Marktplatzes ohne aufrechte Zuweisung nicht erlaubt und somit verboten sei. Ein Bezug ohne aufrechte Zuweisung stelle somit eine Übertretung des § 9 Abs. 1 Marktordnung 2018 dar. Ein Handeln der Person, welche eine Zuweisung erlangen wolle, sei Voraussetzung für die Vergabe. Die Vergabe selbst stelle die Bewilligung der Behörde dar. Ginge man davon aus, dass aus § 9 Abs. 1 der Marktordnung 2018 nicht als Konsequenz hervorginge, dass Marktplätze ohne Zuweisung nicht benutzt werden dürften, so würden die Detailbestimmungen zur Vergabe und Zuweisung ihres Sinnes beraubt. Zuweisungsregelungen ohne ein Erfordernis der Zuweisung für den Bezug von Marktplätzen wären obsolet.

13 4.2.2. Diesem Zulässigkeitsvorbringen ist Folgendes zu entgegnen: Entsprechend dem im Strafrecht allgemein geltenden, im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes aus § 1 Abs. 1 VStG ableitbaren Grundsatz „nullum crimen sine lege“ ist Voraussetzung für die Verhängung einer Strafe, dass die Tat zur Zeit ihrer Begehung ausdrücklich für strafbar erklärt war. Im Verwaltungsstrafrecht bildet der äußerst mögliche Wortsinn die Grenze belastender Strafrechtsgewinnung. Strafrechtsquelle ist ausschließlich das geschriebene Gesetz; eine Ergänzung desselben durch Analogie oder jede andere Art von Lückenschließung (etwa durch Größenschluss) zum Nachteil des Täters ist untersagt. Dies schließt zwar eine Auslegung des Gesetzes nach Inhalt, Sinn und Tragweite nicht aus, doch muss die Auslegung jedenfalls ihre äußerste Grenze stets im möglichen Wortsinn der auszulegenden Norm haben; sie muss immer noch im Wortlaut des Gesetzes eine Stütze finden (vgl. VwGH 19.10.2023, Ro 2022/07/0011, Rn. 21, mwN). Dabei ist insbesondere zu bedenken, dass auch Verwaltungsstraftatbestände nicht ausdehnend auszulegen sind (vgl. VwGH 17.11.2009, 2009/06/0166, mwN).

14 Vor dem Hintergrund dieser gesicherten Rechtsprechung ist die Frage, wie die präsumtive Strafnorm auszulegen ist, als geklärt anzusehen.

15 Insofern die Revision ferner ein Abweichen von dieser Rechtsprechung unter Punkt 1. und (mehr oder weniger) gleichlautend unter Punkt 2. der Zulässigkeitsbegründung vorbringt, zeigt diese mit ihrem Vorbringen nicht auf, inwiefern das Verwaltungsgericht ausgehend von der von der Revision selbst ins Treffen geführten, oben wiedergegebenen Rechtsprechung die Rechtslage fallbezogen verkannt hätte. Die Ausführungen im Zulässigkeitsvorbringen der Revision lassen nämlich nicht erkennen, inwiefern der die Grenze der möglichen Auslegung bildende Wortlaut des § 9 Abs. 1 Z 2 Marktordnung 2018, nämlich „Die Vergabe der definierten Marktplätze und Markteinrichtungen erfolgt auf (Z 1) ... (Z 2) allen übrigen Märkten, ausgenommen auf Gelegenheitsmärkten gemäß § 2 Z 8, durch Zuweisung.“, es erlaubt, in dieser Norm ein an den Mitbeteiligten gerichtetes Ge oder Verbot zu sehen, das in Verbindung mit der Blankettstrafnorm des § 40 Marktordung 2018 die Verhängung einer Strafe für ein bestimmtes Verhalten ausdrücklich androht.

16 Dass die Norm, die die Vergabe mittels Zuweisung regelt, einen geregelten Marktbetrieb ermöglichen soll, kann nach dem oben Gesagten nicht alleine zu dem Schluss führen, ein bestimmtes, in der Norm jedoch nicht beschriebenes Verhalten stelle eine strafbewehrte Verwaltungsübertretung dar. Inwiefern sich die Marktordnung bei dieser Interpretation als „zahnlos“ erweise, ist weder ersichtlich noch ändert dieses Argument etwas am maßgeblichen Wortlaut der zu interpretierenden Bestimmung.

4.3. Ferner bringt der Revisionswerber zur Zulässigkeit vor, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs betreffend die Verpflichtung des Verwaltungsgerichts zur Richtigstellung des Spruchs ab. Wörtlich wird ausgeführt:

„Wollte man dem Verwaltungsgericht Wien nicht unterstellen, es lege die Marktordnung 2018 dahingehend aus, dass der Verkauf von Waren ohne Zuweisung erlaubt sei, so käme man zu dem Ergebnis, dass es lediglich den § 9 Abs. 1 Marktordnung 2018 nicht als die übertretene Bestimmung ansehe. Es müsse davon ausgehen, dass eine andere Bestimmung der Marktordnung 2018 mit dieser Tat übertreten worden sei. So könnte das Verwaltungsgericht die Ansicht vertreten, dass anstatt § 9 Abs. 1 der Marktordnung 2018 eher § 33 Abs. 2 der Marktordnung 2018 übertreten worden sei, da durch den Verkauf ohne Zuweisung nicht vergebene Marktflächen ohne Zustimmung der Marktverwaltung verstellt worden seien.“

17 Dass der Tatvorwurf an den Mitbeteiligten einen Sachverhaltsbezug zu „verstellten Marktflächen“ enthielte, zeigt die Revision nicht auf.

18 4.4. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 10. Juni 2025

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