JudikaturVwGH

Ra 2025/04/0133 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
01. August 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak sowie die Hofrätin Mag. Hainz Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision des Magistrats der Stadt Wien gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 3. März 2025, Zl. VGW 021/035/8756/2024 14, betreffend eine Übertretung der Marktordnung 2018 (mitbeteiligte Partei: K R), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 1. Der Magistrat der Stadt Wien erkannte den Mitbeteiligten mit Straferkenntnis vom 4. Juni 2024 schuldig, im Zeitraum 13. April 2024 bis 27. April 2024, jedenfalls jedoch am 13. April 2024, um 06:50 Uhr, am 20. April 2024, um 06:50 Uhr sowie am 27. April 2024, um 06:50 Uhr entgegen § 9 Abs. 1 der Verordnung des Magistrats der Stadt Wien, mit der eine Marktordnung erlassen wird (Marktordnung 2018), nach dem die Vergabe der definierten Marktplätze und Markteinrichtungen mit hier nicht relevanten Ausnahmen auf allen Märkten durch Zuweisung erfolge, auf einem bestimmten Markt im Sinn der Marktordnung 2018 einen Marktplatz zum Verkauf von Obst und Gemüsesorten benutzt zu haben, ohne dass diese Fläche durch die Marktverwaltung zuvor an ihn vergeben worden wäre.

Aus diesem Grund wurde über den Mitbeteiligten wegen Verletzung von § 9 Abs. 1 Marktordnung 2018, ABl. 2018/38, gemäß § 40 Marktordnung 2018 in Verbindung mit § 368 GewO 1994 eine Geldstrafe von € 110,00 (Ersatzfreiheitsstrafe: sechs Stunden) verhängt und ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von € 11,00 vorgeschrieben.

2 2.1.Der dagegen erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten gab das Verwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis Folge, hob das Straferkenntnis der belangten Behörde auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG ein. Zudem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass dem Mitbeteiligten kein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt werde. Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

3 2.2. In seiner Begründung stellte das Verwaltungsgericht fest, dass sich auf der unverbauten Marktfläche des K Marktes Tagesplätze befänden, die nach Quadratmetern tageweise vergeben würden. Die Marktzeit sei auf dieser Marktfläche an Samstagen von 6 bis 17 Uhr. Die Vergabe von Tagesplätzen erfolge durch die Marktaufsichtsorgane, die Marktfahrern, die wegen eines Platzes anfragten, einen Platz zuwiesen. Von den eingesessenen Marktfahrern, die wie auch der Mitbeteiligte schon viele Jahre hindurch auf den Markt kämen, würden die Tagesplätze in der Früh ohne einen solchen Vergabevorgang bezogen. Die Marktgebühr werde nach Aufbau der Stände von den Marktaufsichtsorganen je nach Anzahl der beanspruchten Quadratmeter verrechnet und von den Benutzern einkassiert. Der Mitbeteiligte habe an den Samstagen im inkriminierten Zeitraum jeweils gegen 6.30 Uhr auf jenem Tagesplatz, der von ihm viele Jahre hindurch bezogen worden sei, seinen Verkaufsstand für Obst, Gemüse und daraus erzeugten Produkten aufgebaut. Während dieser Aufbauphase, die bis 8:00 Uhr abgeschlossen sein müsse, seien die Marktaufsichtsorgane jeweils auf dem Markt anwesend. An keinem der angeführten Markttage sei der Mitbeteiligte am Aufbau seines Verkaufsstandes gehindert worden.

4 Der damalige Insolvenzverwalter des Mitbeteiligten habe der Leiterin der Marktverwaltung mit Schreiben vom 5. Dezember 2023 mitgeteilt, dass eine weitere Tätigkeit des Mitbeteiligten auf den Wochenmärkten der gerichtlichen Anordnung der Unternehmensschließung widerspreche und der Mitbeteiligte auch nicht berechtigt sei, die Verlassenschaft nach Mag. I.H. zu vertreten. Ab diesem Zeitpunkt seien die verfahrensgegenständlichen Anzeigen erstattet worden, nach denen trotz Untersagung durch die örtliche Marktaufsicht vom Mitbeteiligten ein Marktplatz bezogen worden sei.

5In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, dass nach § 40 Wiener Marktordnung 2018 eine Verwaltungsübertretung begehe und nach § 368 GewO 1994 zu bestrafen sei, wer den Bestimmungen dieser Verordnung oder gemäß deren § 29 erteilten Anordnungen von Organen der Marktaufsicht zuwiderhandle.

Im vorliegenden Fall werde dem Mitbeteiligten zur Last gelegt, an den genannten Tagen entgegen § 9 Abs. 2 Marktordnung 2018 einen Marktplatz auf dem L Platz des K Marktes ohne Vergabe durch Zuweisung durch die Marktverwaltung benutzt zu haben.

§ 9 Marktordnung 2018 regle jedoch nur die Vergabe definierter Marktplätze und Markteinrichtungen. Diese Rechtsvorschrift beinhalte weder ein an Marktparteien noch an andere Benutzer von Marktflächen, Marktplätzen, oder Markteinrichtungen gerichtetes Verbot und enthalte somit keinen Straftatbestand. Entsprechend dem im Strafrecht allgemein geltenden Grundsatz „nullum crimen sine lege“ sei Voraussetzung für die Verhängung einer Strafe, dass die Tat zur Zeit ihrer Begehung ausdrücklich für strafbar erklärt gewesen sei, was im vorliegenden Fall nicht zutreffe. Strafrechtsquelle sei ausschließlich das geschriebene Gesetz; eine Ergänzung desselben durch Analogie oder jede andere Art von Lückenschließung (etwa durch Größenschluss) zum Nachteil des Täters sei untersagt.

6 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht.

7 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 5. In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit vorgebracht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob § 9 Abs. 1 Marktordnung 2018 durch den Verkauf von Waren auf einem Marktplatz ohne aufrechte Zuweisung übertreten werde. Auch weiche das angefochtene Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Interpretation von Bestimmungen im Verwaltungsstrafverfahren ab.

Die Begründung des Verwaltungsgerichts enthalte keine konkrete Interpretation des § 9 Abs. 1 Marktordnung 2018, obwohl es selbst ausführe, dass eine Auslegung des Gesetzes nach Inhalt, Sinn und Tragweite möglich sei. § 9 Abs. 1 Marktordnung 2018 sei vom Mitbeteiligten entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts übertreten worden. § 40 Marktordnung 2018 stelle klar, dass eine Übertretung der Bestimmungen der Marktordnung 2018 zu bestrafen sei (Blankettstrafnorm). Unterziehe man § 9 Abs. 1 Markordnung 2018 einer Wortinterpretation, ergebe diese, dass eine Vergabe am K Markt ausschließlich durch eine Zuweisung durch die Marktbehörde erfolge. Damit erfolge ohne Zuweisung keine Vergabe eines Marktplatzes. Daraus lasse sich wiederum ableiten, dass ein Bezug des Marktplatzes ohne aufrechte Zuweisung nicht erlaubt und somit verboten sei. Ein Bezug ohne aufrechte Zuweisung stelle somit eine Übertretung des § 9 Abs. 1 Marktordnung 2018 dar. Ein Handeln der Person, welche eine Zuweisung erlangen wolle, sei Voraussetzung für die Vergabe. Die Vergabe selbst stelle die Bewilligung der Behörde dar. Ginge man davon aus, dass aus § 9 Abs. 1 der Marktordnung 2018 nicht als Konsequenz hervorginge, dass Marktplätze ohne Zuweisung nicht benutzt werden dürften, so würden die Detailbestimmungen zur Vergabe und Zuweisung ihres Sinnes beraubt. Zuweisungsregelungen ohne ein Erfordernis der Zuweisung für den Bezug von Marktplätzen wären obsolet.

11 Schließlich wird in der Revision gerügt, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes betreffend die Verpflichtung des Verwaltungsgerichts zur Richtigstellung des Spruchs des erstinstanzlichen Straferkenntnisses ab.

12 6. Der vorliegende Revisionsfall gleicht in den für seine Erledigung wesentlichen Punkten sowohl hinsichtlich des Sachverhalts als auch in Ansehung der zu lösenden Rechtsfragenjenem, den der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 10. Juni 2025, Ra 2025/04/0134, entschieden hat. Auch das Vorbringen in der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Amtsrevision entspricht im Wesentlichen dem Vorbringen in der Amtsrevision des genannten Verfahrens.

13 Gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG wird auf die Begründung dieses Beschlusses verwiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich darin sowohl zu der von der Revision aufgeworfenen Rechtsfrage der Auslegung der präsumtiven Strafnorm (vgl. Rn. 13 f des Beschlusses) als auch zu dem von der Revision behaupteten Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. Rn. 15 ff des Beschlusses) geäußert.

14 7. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 1. August 2025