Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Dr. Maurer Kober und den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Janitsch, über die Revision des E W, vertreten durch die Weinrauch Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 1. April 2025, LVwG 41.9 3504/2024 12, betreffend Verbot der Haltung von Pferden nach dem TSchG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Leibnitz; mitbeteiligte Partei: Tierschutzombudsperson des Landes Steiermark Dr. in Karoline Schlögl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 21. Juni 2024 wurde dem Revisionswerber gemäß § 39 Abs. 1 TSchG die Haltung von Pferden für die Dauer von 15 Jahren verboten. Dem lagen zwei Bestrafungen des Revisionswerbers wegen Übertretungen des § 38 Abs. 1 Z 1 iVm § 5 Abs. 2 Z 13 TSchG durch Zufügen von Schmerzen, Leiden und Schäden zugrunde, weil er über zwei Monate bei drei näher genannten Pferden entgegen tierärztlichen Hinweisen und bescheidmäßiger Vorschreibung offensichtliche und zur Abmagerung der Tiere führende Zahnprobleme nicht habe behandeln lassen (Strafverfügung vom 20. Jänner 2021), und weil er knapp vier Wochen lang trotz deutlicher Anzeichen einer hochgradig schmerzhaften Entzündung im Bauchbereich und trotz tierärztlich empfohlener Therapie die veterinärmedizinische Behandlung eines namentlich konkretisierten Pferdes unterlassen habe (Straferkenntnis vom 22. November 2023). Den Beteuerungen des Revisionswerbers, die Verurteilungen für weitere Verbesserungen am Hof zum Anlass genommen zu haben, schenkte die Behörde keinen Glauben, weil die Erfahrungen der letzten Jahre gezeigt hätten, dass der Revisionswerber auch in akutesten und schwerwiegenden Fällen, die selbst für einen Laien augenscheinlich gewesen seien, erst dann einen Tierarzt beigezogen habe, wenn er nachdrücklich und unter Setzung einer Frist sowie nach Androhung eines Strafverfahrens oder Androhung der Abnahme des Tieres dazu aufgefordert worden sei. Dies führe so die weitere Begründung in diesem Bescheid zu einer negativen Prognoseentscheidung und es werde die Androhung eines Tierhalteverbotes als nicht ausreichend erachtet.
2 Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde, in der er im Wesentlichen ausführte, das ihm vorgeworfene Verhalten keineswegs zu verharmlosen, sondern deshalb vielmehr laufend Verbesserungen am Hof vorzunehmen. Deshalb wäre die Anwendung gelinderer Mittel als ein Tierhalteverbot ausreichend gewesen. Er brachte vor, für die Tierarztkosten einer näher genannten Stute habe der bisherige Eigentümer aufzukommen und er habe das Pferd ohnedies mit Schmerzmitteln behandelt. Hätte er den Eindruck gehabt, dass das Tier leide, hätte er selbstverständlich einen Tierarzt beigezogen. Ein Tierhalteverbot für einen Zeitraum von 15 Jahren sei unverhältnismäßig, weil der Revisionswerber Empfehlungen ernst nehme und nach bestem Wissen und Gewissen bereit sei, diese umzusetzen. Es sei schlichtweg falsch, ihm vorzuwerfen, gegenüber den Bedürfnissen der Pferde uneinsichtig oder zum Erkennen der Schmerzen, Leiden und Notsituationen der Tiere unfähig zu sein.
3 Diese Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark (Verwaltungsgericht) als unbegründet ab und es sprach aus, dass dagegen eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG unzulässig sei.
4 Begründend stützte sich das Verwaltungsgericht u.a. auf einen vorgelegten „Vorstrafenausdruck“ über zahlreiche tierschutzrechtliche Übertretungen des Revisionswerbers. Es rechtfertigte das Absehen von einer mündlichen Verhandlung mit § 24 Abs. 4 VwGVG, weil der entscheidungswesentliche Sachverhalt feststehe und auch keine Frage der Beweiswürdigung auftrete. Das grundsätzlich als positiv und achtenswert zu sehende Motiv des Revisionswerbers, kranken und alten Tieren ein würdevolles Leben zu gewährleisten, könne nicht über die hochgradigen Abmagerungszustände einzelner Pferde und die unterlassene Versorgung der Tiere, insbesondere die fehlende Beiziehung veterinärmedizinischer Versorgung hinweghelfen. Die vom Revisionswerber mit eigenen Mitteln vorgenommene Schmerzbehandlung der Tiere sei nicht zielführend gewesen und die von ihm ins Treffen geführten Besucherbeurteilungen in sozialen Medien seien aufgrund reiner Außenbetrachtung zu kurz gegriffen. Die seit mehreren Jahren auftretende hohe Anzahl von Unzulänglichkeiten in der Tierbetreuung bestätige die behördlich erstellte negative Prognose betreffend Haltung von Pferden durch den Revisionswerber, weshalb weder eine Verkürzung der Frist noch ein gelinderes Mittel in Betracht kämen.
5 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 6. Juni 2025, E 1332/2025 5, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Der Verfassungsgerichtshof sah es als vertretbar an, dass das Verwaltungsgericht im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und des Verfassungsgerichtshofes von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen hat.
6 Daraufhin erhob der Revisionswerber die vorliegende Revision.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Der Revisionswerber erachtet seine Revision zunächst deshalb als zulässig, weil dem Verwaltungsgerichtshof eine klare Linie in seiner Rechtsprechung fehle, wann ein zehn- oder fünfzehnjähriges Tierhalteverbot verhältnismäßig sei, welche Anforderungen an die Prognoseentscheidung nach § 39 Abs. 1 TSchG zu stellen seien, ob und inwieweit die Behörde mildere Mittel wie Verwarnung, Auflagen oder ein kürzer befristetes Verbot zu erwägen und dabei dokumentierte Verbesserungen zu berücksichtigen habe.
11 Im Grunde des § 39 TSchG ist nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles zu beurteilen, ob ausgehend von bereits gesetzten, gesetzlich festgelegten einschlägigen Anlasstaten die Verhängung eines Verbotes der Haltung von Tieren aller oder bestimmter Arten für einen bestimmten Zeitraum oder auf Dauer mit Rücksicht auf das bisherige Verhalten der betreffenden Person erforderlich ist, um eine Tierquälerei oder einen Verstoß gegen die §§ 5, 6, 7 oder 8 TSchG (nicht nur betreffend eigene Tiere) in Zukunft zu verhindern (vgl. VwGH 21.5.2021, Ra 2021/02/0119).
12 Angesichts der unbestrittenen Bestrafungen des Revisionswerbers wegen Verstößen gegen § 5 TSchG, der Dauer und Anzahl der Unzulänglichkeiten in der Betreuung und veterinärmedizinischen Versorgung der Pferde und des Verhaltens des Revisionswerbers ist der Beurteilung des Verwaltungsgerichtes betreffend die Notwendigkeit und die Dauer des verhängten Tierhalteverbotes nicht entgegenzutreten. Eine Unvertretbarkeit der Beurteilung des Verwaltungsgerichtes zeigt die vorliegende Revision mit ihrem pauschalen Vorbringen auch nicht auf.
13 Soweit sich der Revisionswerber in diesem Zusammenhang auf dokumentierte Verbesserungen im Betrieb beruft, sind solche weder im angefochtenen Erkenntnis festgestellt noch in der Revision konkret aufgezeigt. Eine grundsätzliche Rechtsfrage liegt somit nicht vor.
14 Der Revisionswerber wirft überdies die Rechtsfrage auf, ob die Anlasstaten für ein Tierhalteverbot nach § 39 Abs. 1 TSchG artgleich sein müssten, also eine mehrfache Übertretung des § 5 TSchG erforderlich sei, oder ob auch eine „Mischung aus § 5 TSchG und formalen Haltungs /Kennzeichnungsmängeln“ genüge.
15 Davon hängt die Revision schon deshalb nicht ab, weil dem Revisionswerber unbestritten mit der oben genannten Strafverfügung und dem dort ebenfalls erwähnten Straferkenntnis jedenfalls zwei separate Verstöße gegen § 5 Abs. 2 Z 13 TSchG angelastet wurden und schon damit das in § 39 Abs. 1 TSchG enthaltene Tatbestandsmerkmal der mehr als einmaligen rechtskräftigen Bestrafung nach § 5 TSchG erfüllt ist.
16 Soweit die Revision zu ihrer Zulässigkeit fehlende Judikatur zu Beweismaß und last aufwirft, ist darauf hinzuweisen, dass das Verwaltungsgericht entsprechend dem gemäß § 17 VwGVG auch im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten geltenden Beweismaß der „größeren inneren Wahrscheinlichkeit“ des § 45 Abs. 2 AVG (vgl. VwGH 15.1.2018, Ra 2017/12/0126) ohnedies den vollen Beweis für den von ihm festgestellten Sachverhalt als erbracht ansah und damit auch keine Beweislastfragen mehr offenblieben.
17 Überdies vermisst der Revisionswerber Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob eine „bloß vorläufig eingestellte diversionelle Strafsache“ als Bestrafung im Sinne des § 39 Abs. 1 TSchG gelte und deshalb „prognoseverschärfend“ berücksichtigt werden dürfe.
18 Das vorläufige Zurücktreten der Staatsanwaltschaft von der Verfolgung einer Straftat (§ 201 Abs. 1 StPO) wurde im angefochtenen Erkenntnis nicht tragend berücksichtigt, sondern darauf lediglich „im Übrigen“ hingewiesen, sodass die Revision auch von den in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Rechtsfragen nicht abhängt.
19 Die Revision bemängelt auch die Verletzung des rechtlichen Gehörs, weil das Verwaltungsgericht aufgrund neuer Beweismittel, nämlich des Vorstrafenauszugs und der Auskunft der Staatsanwaltschaft über die Diversion, zusätzliche Tatsachen festgestellt habe.
20 Damit macht der Revisionswerber einen Verfahrensmangel geltend. Werden Verfahrensmängel als Zulässigkeitsgrund ins Treffen geführt, so muss darüber hinaus bereits in der gesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz des jeweiligen Verfahrensmangels dargetan und somit dargelegt werden, weshalb bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für die revisionswerbende Partei günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können (vgl. VwGH 7.7.2021, Ra 2020/17/0078, mwN).
21 Eine derartige Relevanzdarstellung enthält die Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision nicht. Insbesondere ergibt sich daraus nicht, was der Revisionswerber bei Einräumung des Parteiengehörs vorgebracht oder beantragt hätte.
22 Schließlich macht der Revisionswerber zur Zulässigkeit seiner Revision noch die Verletzung der Verhandlungspflicht geltend, weil das Verwaltungsgericht trotz streitiger Sachverhaltsfragen zu Prognose, Einsicht und Verbesserungen von der Verhandlung abgesehen habe.
23 Der Revisionswerber ist mit seinen pauschalen Ausführungen in der Beschwerde den Sachverhaltsannahmen im bekämpften Bescheid nicht substantiiert entgegengetreten, sodass sich das Verwaltungsgericht zum Entfall der mündlichen Verhandlung zu Recht auf § 24 Abs. 4 VwGVG stützen konnte (vgl. VwGH 19.12.2022, Ra 2019/06/0141, 0142, mwN).
24 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 16. Oktober 2025