Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer Kober und den Hofrat Mag. Straßegger als Richter und Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Andrés, über die Revision der Z in K, vertreten durch Mag. Florian Traxlmayr, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Landstraße 12/Linzerie, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 19. Dezember 2024, LVwG 050318/9/ER, betreffend Vorschreibung von Kosten nach dem TSchG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Urfahr Umgebung; mitbeteiligte Partei: Tierschutzperson für Oberösterreich: Dr. in Cornelia Rouha Müller, 4021 Linz, Bahnhofplatz 1), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr Umgebung vom 26. August 2022 wurde gegen die Revisionswerberin ein Verbot der Haltung von Ziegen und Schafen auf Dauer gemäß § 39 Abs. 1 Tierschutzgesetz (TSchG) ausgesprochen. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde wurde nicht aberkannt.
2 Die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (Verwaltungsgericht) mit Erkenntnis vom 28. März 2023 ab und erklärte die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für zulässig.
3 Am 11. Mai 2023 wurden der Revisionswerberin anlässlich einer Kontrolle an ihrem Betrieb in A, bei der festgestellt wurde, dass sie entgegen dem Tierhaltungsverbot weiterhin Ziegen hielt, diese abgenommen. Eine dagegen gerichtete Maßnahmenbeschwerde wurde vom Verwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 4. August 2023 abgewiesen.
4 Der Verwaltungsgerichtshof hob mit Erkenntnis vom 19. März 2024, Ro 2023/02/0019, das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom 28. März 2023, mit dem dieses das Tierhaltungsverbot bestätigt hatte, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf, weil das Tierhaltungsverbot von der örtlich unzuständigen Behörde verhängt worden war.
5 Mit Bescheid vom 10. Mai 2024 schrieb die Bezirkshauptmannschaft U der Revisionswerberin die in Folge der Tierabnahme vom 11. Mai 2023 entstandenen notwendigen Kosten (für Unterbringung, Tierarzt, Fahrt und Personalkosten, Schlachtung, Entsorgung nicht verwertbarer Tiere) in der Höhe von insgesamt € 16.837,44 vor. Die dagegen gerichtete Beschwerde wies das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis ab und erklärte die Revision gegen diese Entscheidung für unzulässig.
6 Rechtlich führte das Verwaltungsgericht zur Kostenvorschreibung im Kern aus, dass der Kostenbescheid auf einem Tierhaltungsverbot gemäß § 39 Abs. 1 TSchG basiere, das durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom 28. März 2023 bestätigt und somit rechtskräftig geworden sei. Die belangte Behörde sei gemäß § 39 Abs. 3 TSchG im Zuge der Kontrolle am 11. Mai 2023 verpflichtet gewesen, die entgegen dem rechtskräftigen Tierhaltungsverbot gehaltenen Tiere unverzüglich abzunehmen; überdies seien diese Tiere gemäß § 39 Abs. 3 TSchG dem Verfall im Sinne des § 17 VStG unterlegen. Die Tierabnahme und der Verfall seien daher zwingende Folgen des von der Revisionswerberin am 11. Mai 2023 begangenen Verstoßes gegen das damals rechtskräftige Tierhaltungsverbot gemäß § 39 Abs. 1 TSchG gewesen. Zwar sei dann nach der Abnahme und dem Verfall der Tiere das das Tierhaltungsverbot bestätigende Erkenntnis des Verwaltungsgerichts mit Erkenntnis VwGH 19.3.2024, Ro 2023/02/0019, aufgehoben worden, wodurch aufgrund der ex tunc Wirkung dieser Aufhebung die Sache so zu betrachten sei, als hätte kein rechtskräftiges Tierhaltungsverbot gegenüber der Revisionswerberin bestanden. Allerdings könne ein unlösbarer rechtlicher Zusammenhang bereits deswegen nicht erblickt werden, weil die gegenständliche Tierabnahme nicht unmittelbar auf dem Tierhaltungsverbot beruht habe, sondern die Folge eines Verstoßes der Revisionswerberin gegen dieses Tierhaltungsverbot gewesen sei. Hätte die Revisionswerberin nicht gegen das Tierhaltungsverbot verstoßen, wäre die Tierabnahme nämlich nicht erfolgt. Im Übrigen begründete das Verwaltungsgericht ausführlich, warum die Vorschreibung der Kosten der Höhe nach rechtmäßig sei.
7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
8 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung im Vorverfahren, in der sie die Zurückweisung bzw. Abweisung der Revision beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
9 Die vorliegende außerordentliche Revision wendet in ihrer Zulässigkeitsbegründung im Wesentlichen ein, dass aufgrund der ex tunc Wirkung des aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. März 2024, Ro 2023/02/0019, zum Zeitpunkt der Abnahme kein rechtskräftiges Tierhaltungsverbot vorgelegen sei und daher keine Rechtsgrundlage für die Abnahme bestanden habe. Das Verwaltungsgericht habe zwar erkannt, dass Rechtsakte, die mit dem durch den Verwaltungsgerichtshof aufgehobenen Erkenntnis in einem unlösbaren rechtlichen Zusammenhang stünden, bereits durch die Aufhebung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung als beseitigt gälten, wende diese Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aber nicht an, sondern erkenne zwischen dem Kostenbescheid, der auf einer Tierabnahme aufgrund des Tierhalteverbotes beruhe, und dem aufgehobenen Tierhalteverbot keinen unlösbaren Zusammenhang.
10 Mit diesem Vorbringen erweist sich die Revision als zulässig und auch als begründet.
11 § 39 Tierschutzgesetz TSchG, BGBl. Nr. 118/2004 idF BGBl. I Nr. 130/2022, lautet auszugsweise:
„ Verbot der Tierhaltung
§ 39.
(1) Die Behörde kann einer Person, die vom Gericht wegen Tierquälerei wenigstens einmal oder von der Verwaltungsbehörde wegen Verstoßes gegen die §§ 5, 6, 7 oder 8 mehr als einmal rechtskräftig bestraft wurde, die Haltung und Betreuung von Tieren aller oder bestimmter Arten für einen bestimmten Zeitraum oder auf Dauer verbieten, soweit dies mit Rücksicht auf das bisherige Verhalten der betreffenden Person erforderlich ist, damit eine Tierquälerei oder ein Verstoß gegen die §§ 5, 6, 7 oder 8 in Zukunft voraussichtlich verhindert wird. Dies gilt in gleicher Weise, wenn die Bestrafung nur wegen Fehlens der Zurechnungsfähigkeit unterblieben oder die Staatsanwaltschaft auf Grund diversioneller Maßnahmen (§ 198 StPO) von der Strafverfolgung zurückgetreten ist.
[...]
(3) Wird ein Tier entgegen einem Verbot nach Abs. 1 oder § 25 Abs. 3 Z 2 gehalten oder betreut, so hat es die Behörde ohne vorausgegangenes Verfahren unverzüglich abzunehmen und für seine vorläufige Verwahrung und Betreuung zu sorgen. Diese Tiere unterliegen dem Verfall im Sinne des § 17 VStG.
[...]“
12 Die Behörde stützte die Abnahme unstrittig auf § 39 Abs. 3 TSchG, weil die Revisionswerberin gegen das infolge des das Tierhaltungsverbot bestätigenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichts vom 28. März 2023 - zum damaligen Zeitpunkt rechtskräftige Tierhaltungsverbot verstoßen habe.
13 Mit dem Erkenntnis VwGH 19.3.2024, Ro 2023/02/0019, wurde dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom 28. März 2023 aufgehoben, weil das Tierhaltungsverbot von einer unzuständigen Behörde verhängt worden war. Aufgrund der ex tunc Wirkung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes trat das Verfahren betreffend das Tierhaltungsverbot gegen die Revisionswerberin gemäß § 42 Abs. 3 VwGG in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung des aufgehobenen Erkenntnisses des Verwaltungsgerichts befunden hatte (vgl. z.B. VwGH 2.9.2019, Ra 2018/02/0003, Rz 15, mwN), somit in das Stadium des Beschwerdeverfahrens. Eine aufschiebende Wirkung der Beschwerde wurde von der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde nicht aberkannt. Wie das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis zutreffend anführt, ist damit die Rechtslage zwischen Erlassung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichts vom 28. März 2023 und seiner Aufhebung so zu betrachten, als sei das Erkenntnis nie erlassen worden und als hätte nie ein rechtskräftiges Tierhaltungsverbot bestanden.
14 Somit bestand im Nachhinein betrachtet zum Zeitpunkt der Abnahme unstrittig kein rechtskräftiges Tierhaltungsverbot, welches allerdings als Rechtsgrundlage für die Annahme eines Verstoßes der Revisionswerberin und in der Folge für die Abnahme herangezogen wurde.
15 Durch den Wegfall des rechtskräftigen Tierhaltungsverbotes nach § 39 Abs. 1 TSchG und damit der Rechtsgrundlage für die Abnahme erweist sich die auf § 39 Abs. 3 TSchG gestützte Abnahme im Nachhinein betrachtet daher entgegen der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts als rechtswidrig. Vor diesem Hintergrund ist auch die damit in Zusammenhang stehende Vorschreibung von Kosten gemäß § 30 Abs. 3 und § 40 Abs. 3 TSchG, die der Behörde durch bzw. in Folge der Abnahme entstanden sind, rechtswidrig.
16 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
17 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 2. Juni 2025