JudikaturVwGH

Ra 2025/01/0173 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
28. August 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser und die Hofräte Dr. Fasching und Dr. Horvath als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Karger, LL.M., über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Spittal an der Drau gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 6. Mai 2025, Zl. KLVwG1171/19/2024, betreffend Maßnahmenbeschwerde nach dem SPG (mitbeteiligte Partei: Dr. P), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Kärnten (Verwaltungsgericht) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung der Maßnahmenbeschwerde des Mitbeteiligten Folge und stellte fest, dass die mit Zwangsandrohung verbundene Aufforderung an den Mitbeteiligten (der dieser nachgekommen sei) vom 3. Juni 2024, gegen 16.50 Uhr im Waggon eines näher bezeichneten Zuges im Bahnhof Spittal an der Drau den Zug zu verlassen, rechtswidrig gewesen sei (I.), verpflichtete die belangte Behörde zu näher bezeichnetem Aufwandersatz (II.) und erklärte eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für unzulässig (III.).

2 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

3Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

4Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

5Gemäß § 38 Abs. 1 SPG sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, einen Menschen, der durch ein Verhalten, das geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen, die öffentliche Ordnung stört, vom Ort der Störung wegzuweisen, es sei denn, das Verhalten ist gerechtfertigt, insbesondere durch die Inanspruchnahme eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts.

6 Dem angefochtenen Erkenntnis liegt erkennbar und auf Grundlage der mit Maßnahmenbeschwerde angefochtenen Aufforderung an den Mitbeteiligten durch einen Polizeibeamten, einen näher genannten Zug zu verlassendie Auffassung zu Grunde, dass es sich bei dieser „Aufforderung“ um eine Wegweisung im Sinne des § 38 Abs. 1 SPG, sohin um die Ausübung unmittelbarer Befehlsgewalt, handelte.

7Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Begehung einer Ordnungsstörung (vgl. auch den Verwaltungsstraftatbestand des § 81 Abs. 1 SPG) voraus, dass das Verhalten eines Menschen grundsätzlich geeignet ist, negative Auswirkungen auf die Betroffenen zu zeitigen, und durch dieses Verhalten eine (ungerechtfertigte) Störung der öffentlichen Ordnung, sohin eine Änderung des Ablaufs des äußeren Zusammenlebens von Menschen, in wahrnehmbarer Weise erfolgt (vgl. VwGH 3.2.2022, Ra 2021/01/0411).

8 Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht die Verwirklichung des Tatbildes einer Ordnungsstörung durch den Mitbeteiligten mit näherer Begründung (kein rücksichtsloses Verhalten gegenüber Mitreisenden, „unnötiges In die Länge Ziehen“ der Amtshandlung keine tatbildliche Verhaltensweise) verneint.

9Dabei handelt es sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, die im Revisionsfall nicht als unvertretbar zu erkennen ist (zumal nach den Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis auch das gegen den Mitbeteiligten eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren nach § 81 Abs. 1 SPG von der Amtsrevisionswerberin nach § 45 Abs. 1 VStG eingestellt wurde).

10 Der Verwaltungsgerichtshof ist aber nach dem Revisionsmodell nicht dazu berufen, die Einzelfallgerechtigkeit in jedem Fall zu sicherndiese Aufgabe obliegt den Verwaltungsgerichten (vgl. für viele vgl. etwa VwGH 19.9.2024, Ra 2023/01/0304, mwN).

11 Dass die einschreitenden Sicherheitsorgane die Verübung einer Ordnungsstörung im Sinne der obgenannten Rechtsprechung durch den Mitbeteiligtenzumindest vertretbar annehmen konnten (vgl. dieinsoweit auf die Wegweisung nach § 38 Abs. 1 SPG übertragbareRechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Festnahme nach § 35 Z 3 VStG, etwa abermals VwGH Ra 2021/01/0411, mwN), zeigt die Revision insbesondere angesichts der vom Verwaltungsgericht festgestellten Aussage des Beamten in Zivil, dass „von ihm aus“ der Revisionswerber „ruhig im Zug bleiben hätte können“, nicht hinreichend konkret auf (vgl. im Übrigen zu dem gemäß § 29 SPG bei Rechtseingriffen allgemein zu beachtenden Verhältnismäßigkeitsprinzip etwa VwGH 15.3.2012, 2012/01/0004, mwN).

12 Davon ausgehend kann dem Verwaltungsgericht zumindest im Ergebnisnicht entgegengetreten werden, wenn es einzelfallbezogen die Wegweisung des Mitbeteiligten gemäß § 38 Abs. 1 SPG für rechtswidrig erachtete.

13Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 28. August 2025