Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulzbacher sowie die Hofrätinnen Dr. Wiesinger und Dr. in Oswald als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision des S P, vertreten durch Dr. Franz Essl, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Erzabt Klotz Straße 12, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14. März 2024, G314 2267761 1/19E, betreffend Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen und eines befristeten Einreiseverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein 1989 geborener serbischer Staatsangehöriger, reiste kurz nach seiner Geburt zusammen mit seinen Eltern nach Österreich ein und war bis zu seiner Ausreise im September 2024 hier durchgehend rechtmäßig aufhältig. Zuletzt verfügte er über den Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EU“.
2 Er wohnte in Österreich mit Ausnahme seiner Anhaltung in Strafhaft im gemeinsamen Haushalt mit seinen Eltern. Er ist seit Ende Mai 2018 mit einer serbischen Staatsangehörigen verheiratet, die in Serbien lebt und zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses Mitte März 2024 ein Kind vom Revisionswerber erwartete.
3 Im Laufe seines Aufenthaltes wurde der Revisionswerber fünf Mal, davon einmal zu einer Zusatzstrafe, rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt:
4 Zunächst wurde er vom Landesgericht Salzburg mit Urteil vom 7. November 2011 wegen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2 StGB, Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB, Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB und Sachbeschädigung nach § 125 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten verurteilt. Dieser Verurteilung lagen die Unterdrückung und unbefugte Verwendung einer Tankkarte, eine durch Werfen eines Glases verursachte Körperverletzung und die Beschädigung eines Mobiltelefons zugrunde. Mit Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 9. Oktober 2015 wurde der Revisionswerber sodann wegen unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er ein Motorfahrrad ohne Einwilligung des Berechtigten in Betrieb genommen hatte. Das Bezirksgericht Linz verhängte über den Revisionswerber dann noch mit Urteil vom 21. September 2016 eine Zusatzgeldstrafe wegen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall SMG, Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB und Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs. 3 StGB. Dem lag der Tatvorwurf zugrunde, der Revisionswerber habe einen Kokainstein besessen sowie mehrere Führerscheine und eine Kreditkarte unterdrückt.
5 Es folgten noch zwei Verurteilungen wegen Suchtgifthandels. Zunächst wurde über den Revisionswerber mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 17. Jänner 2019 wegen teilweise versuchten Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG, § 15 Abs. 1 StGB und Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 erster Satz SMG eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 24 Monaten verhängt, wovon 16 Monate bedingt nachgesehen wurden. Dem Revisionswerber wurde vorgeworfen, er habe im Zeitraum Anfang 2016 bis Mitte 2018 eine die Grenzmenge mehrfach übersteigende Menge Marihuana und Kokain mehreren näher genannten Personen überlassen sowie im Juli 2018 eine die Grenzmenge mehrfach übersteigende Menge Marihuana, Cannabisöl und Kokain mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde.
6 Schließlich wurde der Revisionswerber mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 15. Februar 2022 wegen Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall, Abs. 4 Z 3 SMG, Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 erster Satz zweiter Fall SMG, unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs. 2 SMG sowie teilweise versuchten Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 zweiter und dritter Fall, Abs. 4 Z 3 SMG, § 15 StGB, teils begangen als Bestimmungstäter iSd § 12 zweiter Fall StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren verurteilt. Der Verurteilung lag zugrunde, der Revisionswerber habe im Zeitraum Februar bis Juni 2021 in zahlreichen Angriffen insgesamt zumindest 2.961,80 Gramm Kokain anderen Personen durch gewinnbringenden Verkauf überlassen, im Juni 2021 bei seiner Verhaftung 31,30 Gramm Kokain mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, und im Jahr 2021 bis zu seiner Festnahme Kokain ausschließlich für den persönlichen Gebrauch erworben und besessen. Außerdem habe er über zwei weitere Täter einen Kurier dazu bestimmt bzw. zu bestimmen versucht, Kokain aus den Niederlanden auszuführen und über Deutschland nach Österreich einzuführen, wobei der Kurier das Kokain mit einem LKW über die Staatsgrenzen transportiert und wiederum über andere Täter dem Revisionswerber übergeben habe. Dabei handelte es sich dem Strafurteil zufolge um den Schmuggel von jeweils einem kg Kokain in drei Angriffen zwischen Februar und April 2021. Bei einem vierten Angriff ist es beim Versuch geblieben, zumal der Revisionswerber vor der Lieferung im Juni 2021 festgenommen wurde.
7 Mit Bescheid vom 19. Jänner 2023 erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bezug auf die genannten Straftaten und die deshalb erfolgten strafgerichtlichen Verurteilungen gegen den Revisionswerber gemäß § 52 Abs. 5 FPG iVm § 9 BFA VG eine Rückkehrentscheidung und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung nach Serbien zulässig sei. Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG erließ das BFA überdies gegen den Revisionswerber ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot.
8 Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 14. März 2022 insoweit statt, als es die Dauer des Einreiseverbotes auf fünf Jahre herabsetzte. Im Übrigen wies es die Beschwerde als unbegründet ab.
9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B VG als unzulässig erweist.
10 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
12 In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit lediglich ausgeführt, es fehle „einheitliche, gesicherte“ höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Rechtsfrage, wann eine „schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit“ verwirklicht werde, wenn jemand wie der Revisionswerber über den Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EU“ verfüge. Ebenso liege keine einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu vor, nach welchen Kriterien, Wertungen und Gesichtspunkten gegen eine Person wie den Revisionswerber, der 34 Jahre durchgehend in Österreich gelebt habe und im Sinne der bis 2018 geltenden Bestimmung des § 9 Abs. 4 Z 2 BFA VG aufenthaltsverfestigt gewesen sei, dennoch ein Einreiseverbot ausgesprochen werden dürfe. Die Verhängung eines Einreiseverbotes gegen den aufenthaltsverfestigten Revisionswerber müsse sich auf „determinierte Wertungskriterien und auf eine konkret vorliegende Judikatur“ stützen können.
13 Mit diesen allgemein gehaltenen Ausführungen vermag die Revision abgesehen davon, dass zu diesen Fragen bereits einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt (siehe dazu grundlegend einerseits VwGH 7.10.2021, Ra 2020/21/0363, Rn. 14/15, und andererseits VwGH 14.2.2022, Ra 2020/21/0200, Rn. 11/12) fallbezogen keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B VG aufzuzeigen.
14 Denn nach der ständigen Rechtsprechung ist die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung im Allgemeinen wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde nicht revisibel iSd Art. 133 Abs. 4 B VG. Das gilt sinngemäß auch für die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose und für die Bemessung der Dauer eines Einreiseverbotes (vgl. etwa VwGH 19.1.2023, Ra 2022/21/0159, Rn. 13, mwN).
15 Der Revisionswerber vermag nicht darzulegen, dass dem Verwaltungsgericht gemessen an dieser Judikatur im Hinblick auf die Gefährdungsprognose nach dem im vorliegenden Fall maßgeblichen Maßstab des § 52 Abs. 5 FPG oder in Bezug auf die gemäß § 9 BFA VG durchgeführte Interessenabwägung ein vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifender Fehler unterlaufen wäre.
16 Die Annahme des BVwG, der Gefährdungsmaßstab des § 52 Abs. 5 FPG sei fallbezogen aufgrund der gesteigerten Delinquenz des Revisionswerbers, die zuletzt zur Verhängung einer vierjährigen Freiheitsstrafe (u.a.) wegen Suchtgifthandels und grenzüberschreitenden Suchtgiftschmuggels führte, erfüllt, begegnet keinen Bedenken. So hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen, dass grenzüberschreitender Suchtgiftschmuggel ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr besteht und bei dem selbst ein im vorliegenden Fall zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses aufgrund der damals (noch bis September 2024) aufrechten Strafhaft noch gar nicht gegebenes längeres Wohlverhalten in Freiheit noch nicht für die Annahme eines Wegfalls der daraus ableitbaren Gefährdung ausreicht (siehe erneut VwGH 19.1.2023, Ra 2022/21/0159, nunmehr Rn. 15, mwN). Dem in der Revision ins Treffen geführten Schuldeingeständnis und dem Umstand, dass der Revisionswerber während seiner Haft „drogenfrei“ war, trug das BVwG durch Herabsetzung der Dauer des Einreiseverbotes ohnehin ausreichend Rechnung.
17 Soweit der Revisionswerber auf die lange Aufenthaltsdauer und auf den ehemaligen Aufenthaltsverfestigungstatbestand des § 9 Abs. 4 Z 2 BFA VG Bezug nimmt, ist daraus fallbezogen ebenfalls nichts zu gewinnen: Angesichts der Begehung des Verbrechens des Suchtgifthandels in Form des grenzüberschreitenden Schmuggels und des Verkaufs von Drogen in übergroßen Mengen bedarf es keiner näheren Erörterung, dass gegenständlich ein Fall besonders gravierender bzw. schwerer Straffälligkeit vorliegt. Das BVwG durfte daher insgesamt von der Begehung besonders verwerflicher Straftaten und einer daraus abzuleitenden spezifischen Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen ausgehen. Somit führt auch eine Bedachtnahme darauf, dass der Revisionswerber im Inland von klein auf aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist, wodurch der frühere Aufenthaltsverfestigungstatbestand des § 9 Abs. 4 Z 2 BFA VG (idF vor dem FrÄG 2018) erfüllt wurde, im Rahmen der Interessenabwägung nicht zur Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes, wie das BVwG das auch zutreffend ins Kalkül zog, dass die Ehefrau des Revisionswerbers in Serbien lebt und in Österreich nicht längerfristig aufenthaltsberechtigt ist auch zutreffend erkannte (vgl. zur gebotenen weiteren Berücksichtigung der Wertungen der ehemaligen Aufenthaltsverfestigungstatbestände des § 9 Abs. 4 BFA VG, die durch das FrÄG 2018 aufgehoben wurden, etwa auch noch VwGH 22.1.2021, Ra 2020/21/0506, Rn. 18/19, mwN).
18 Die Revision war daher mangels Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 27. Februar 2025