Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer, Hofrat Mag. Eder und Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Stüger, in der Rechtssache der Revision des A Y, vertreten durch Mag. Ronald Frühwirth, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Barnabitengasse 3/11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juli 2024, W241 2269147 1/12E, betreffend Anerkennung als Flüchtling nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der (im Jahr 1998 geborene) Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Syrien, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 15. Juli 2022 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 17. Februar 2023 hinsichtlich des Begehrens auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab. Jedoch erkannte die Behörde dem Revisionswerber den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter mit der Gültigkeit für die Dauer eines Jahres.
3 Die gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet abgewiesen. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision nach § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen.
7 Der Revisionswerber wendet sich zur Begründung der Zulässigkeit der Revision der Sache nach gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts, mit der dieses zum Ergebnis gekommen ist, der Revisionswerber werde in seinem Herkunftsstaat nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus einem in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) genannten Grund verfolgt, weil er den Militärdienst in der syrischen Armee noch nicht abgeleistet habe und diesen auch nicht ableisten wolle. Weiters macht der Revisionswerber geltend, dass es nicht statthaft sei, die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten auf die Möglichkeit des Freikaufens vom Militärdienst zu stützen.
8 Der Verwaltungsgerichtshof ist nach der ständigen Rechtsprechung als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 26.6.2024, Ra 2024/20/0154, mwN).
9 Die Frage, ob eine aktuelle Verfolgungsgefahr vorliegt, ist eine Entscheidung im Einzelfall, die grundsätzlich wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen vorgenommen wurde nicht revisibel ist. Dem Revisionswerber muss, um den Status des Asylberechtigten zu erhalten, bei Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohen. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 11.9.2024, Ra 2024/01/0259, mwN).
10 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung betont, dass die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes sowie der bei seiner Verweigerung drohenden Bestrafung im Allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung darstellt, sondern nur bei Vorliegen eines Konventionsgrundes die Gewährung von Asyl rechtfertigen könnte. Wie der Verwaltungsgerichtshof zur möglichen Asylrelevanz von Wehrdienstverweigerung näher ausgeführt hat, kann auch der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern und Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen wie etwa der Anwendung von Folter jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine „bloße“ Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein (vgl. VwGH 28.2.2024, Ra 2023/20/0619, mwN; weiters etwa VwGH 14.3.2024, Ra 2024/14/0118).
11 In Bezug auf die auch im vorliegenden Fall gegebene Situation in Syrien hat der Verwaltungsgerichtshof weiters festgehalten, dass sich aus den Länderberichten ein differenziertes Bild der Haltung des syrischen Regimes gegenüber Wehrdienstverweigerern ergibt und aus dieser Berichtslage nicht mit der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit abgeleitet werden könne, dass jedem den Militärdienst verweigernden Syrer eine oppositionelle Haltung unterstellt werde. Der Verwaltungsgerichtshof hat ferner bereits ausgeführt, nach der Berichtslage lasse sich gerade kein Automatismus dahin als gegeben annehmen, dass jedem im Ausland lebenden Syrer, der seinen Wehrdienst nicht abgeleistet hat, im Herkunftsstaat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt und deswegen eine unverhältnismäßige Bestrafung drohen würde. Nichts anderes habe für die Frage zu gelten, ob ein den Militärdienst ableistender syrischer Staatsangehöriger sich dazu gezwungen sähe, zu Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen beizutragen (vgl. auch dazu VwGH Ra 2023/20/0619, mwN; diesem Erkenntnis folgend etwa VwGH 24.4.2024, Ra 2024/20/0111; 24.4.2024, Ra 2024/20/0141; 24.4.2024, Ra 2024/20/0132; 10.4.2024, Ra 2024/19/0134; 10.4.2024, Ra 2024/20/0204; 26.3.2024, Ra 2024/20/0003; 12.3.2024, Ra 2024/20/0130; 28.2.2024, Ra 2023/20/0559; 28.2.2024, Ra 2023/20/0319).
12 Es ist was der Revisionswerber verkennt für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten für sich genommen auch nicht ausreichend, wenn ein asylwerbender Fremder Gründe, warum er den Militärdienst nicht ableisten möchte, ins Treffen führt, die Ausdruck einer politischen oder religiösen Gesinnung sein können. Es müssen nämlich, damit der Status des Asylberechtigten zuerkannt werden kann, die Verfolgungshandlungen aus asylrechtlich relevanten Gesichtspunkten drohen. Es kommt somit für die Gewährung von Asyl darauf an, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen der Verfolgungshandlung (oder dem Fehlen von Schutz vor Verfolgung) und einem Verfolgungsgrund im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) besteht (vgl. nochmals VwGH Ra 2023/20/0619, mwN; weiters etwa 24.4.2024, Ra 2024/20/0141).
13 So hat auch der EuGH in seinem Urteil vom 12. Jänner 2023, C 280/21, (neuerlich) betont, dass die nationalen Behörden zu prüfen haben, ob ein Kausalzusammenhang zwischen einem Verfolgungsgrund und den Verfolgungshandlungen besteht (Rn. 33 dieses Urteils). Obgleich im Kontext eines bewaffneten Konflikts, insbesondere eines Bürgerkriegs, und bei fehlender legaler Möglichkeit, sich seinen militärischen Pflichten zu entziehen, eine starke Vermutung dafür spreche, dass die Verweigerung des Militärdienstes von den Behörden des betreffenden Drittlands unabhängig von den persönlichen, eventuell viel komplexeren Gründen des Betroffenen als ein Akt politischer Opposition ausgelegt werde, gelte dies lediglich „vorbehaltlich der Prüfung durch die Behörden des Mitgliedstaats, bei dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, ob der Zusammenhang zwischen einer solchen Verweigerung und dem betreffenden Verfolgungsgrund plausibel ist“ (Rn. 35 im Urteil des EuGH C 280/21).
14 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Zusammenhang mit syrischen Staatsangehörigen, die ihren Militärdienst nicht abgeleistet haben, zudem bereits darauf hingewiesen, dass dem Schutz vor (mit realem Risiko drohenden) willkürlichen Zwangsakten bei Fehlen eines kausalen Konnexes zu einem in der GFK genannten Grund die dem Mitbeteiligten ohnedies zuteil gewordene Gewährung subsidiären Schutzes dient (vgl. nochmals VwGH Ra 2023/20/0619, mwN).
15 Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist der Ansicht des Revisionswerbers, wonach es für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigen an ihn ausreiche, auf die Berichtslage zur Situation in Syrien abzustellen, nicht beizupflichten.
16 Dass aber die anhand der Umstände des konkreten Einzelfalles erfolgte Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts (im Besonderen dessen beweiswürdigende Erwägungen) mit vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mängeln behaftet wäre, wird in der Revision nicht aufgezeigt.
17 Schon deswegen ist das vom Bundesverwaltungsgericht erzielte Ergebnis aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
18 Damit kommt aber dem weiteren Vorbringen in der Begründung für die Zulässigkeit der Revision betreffend die zusätzlich für die Abweisung des Begehrens auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten herangezogene Annahme des Bundesverwaltungsgerichts, der Revisionswerber könne sich auch vom Militärdienst freikaufen, keine Bedeutung zu.
19 Beruht eine Entscheidung wie hier auf alternativen Begründungen und wird in Ansehung einer tragfähigen Begründungsalternative im Zulässigkeitsvorbringen keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG aufgezeigt, so erübrigt es sich, auf die zusätzlich angesprochenen Fragen einzugehen, weil das rechtliche Schicksal der Revision von der Beantwortung der insoweit aufgeworfenen Rechtsfragen nicht abhängt (vgl. VwGH 24.6.2024, Ra 2021/22/0156, mwN; vgl. in diesem Sinn auch VwGH 19.9.2024, Ra 2024/18/0160).
20 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 11. Oktober 2024