Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer, Hofrat Mag. Eder, Hofrätin Mag. Rossmeisel, Hofrätin Mag. I. Zehetner und Hofrat Mag. M. Mayr als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann-Preschnofsky, über die Revisionen der Österreichischen Botschaft Teheran in Teheran (Iran), Niavaran, Bahonar Str., Moghaddasi Str., Ahma Zamani Str., Mirvali All. Nr. 6 und 8, 19796 33755, gegen die Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts je vom 5. März 2024, 1. W165 2268126 1/3E, 2. W165 2268130 1/8E, 3. W165 2268128 1/2E, 4. W165 2268123 1/2E und 5. W165 2268124 1/2E, jeweils betreffend Aufhebung und Zurückverweisung in einer Angelegenheit betreffend Visum nach § 26 FPG (mitbeteiligte Parteien: 1. A K, 2. S K, 3. M K, , 4. A Kund 5. A K, alle vertreten durch Mag.a Hela Ayni Rahmanzai, Rechtsanwältin in 1030 Wien, Invalidenstraße 11 Top 2), zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Beschlüsse werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
1 Der Erstmitbeteiligte und die Zweitmitbeteiligte, nach eigenen Angaben miteinander verheiratet und Eltern der Dritt bis Fünftmitbeteiligten, alle Staatsangehörige Afghanistans, brachten am 15. Oktober 2020 bei der Österreichischen Botschaft Teheran Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln gemäß § 26 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) iVm § 35 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ein. Als Person, mit dem die Familienzusammenführung angestrebt werde (im Weiteren: Bezugsperson), wurde der am 24. Dezember 2002 geborene A angegeben, der gemeinsamer Sohn des Erstmitbeteiligten und der Zweitmitbeteiligten sowie Bruder der Dritt bis Fünftmitbeteiligten sei. Dem A sei mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. August 2018 der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden.
2 Ein zuvor für den 24. Februar 2020 für die Antragstellung vereinbarter Termin bei der Österreichischen Botschaft hatte mangels Begleichung der Konsulargebühren durch die Mitbeteiligten nicht wahrgenommen werden können. In der Folge war aufgrund der Corona Pandemie vor dem 15. Oktober 2020 kein Termin vergeben worden.
3 Mit Bescheiden je vom 18. Dezember 2022 wies die Österreichische Botschaft Teheran die Anträge der Mitbeteiligten gemäß § 26 FPG in Verbindung mit § 35 AsylG 2005 mit der Begründung ab, das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl habe, weil die Bezugsperson im Entscheidungszeitpunkt bereits volljährig sei, eine negative Wahrscheinlichkeitsprognose hinsichtlich der Gewährung des Status des Asyl oder subsidiär Schutzberechtigten an die Mitbeteiligten abgegeben.
4 Die gegen diese Bescheide gerichteten Beschwerden wies die Behörde mit Beschwerdevorentscheidungen vom 29. Jänner 2023 ab, woraufhin die Mitbeteiligten Vorlageanträge einbrachten. Mit den angefochtenen Beschlüssen behob das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerdevorentscheidungen vom 29. Jänner 2023 gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG und verwies die Angelegenheiten zur Erlassung neuerlicher Entscheidungen zurück an die Botschaft. Unter einem sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 VG jeweils nicht zulässig sei.
5 Nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts sei die am 24. Dezember 2002 geborene Bezugsperson im Zeitpunkt der Einbringung der Anträge durch die Mitbeteiligten, dem 15. Oktober 2020, minderjährig gewesen und während der Verfahren volljährig geworden. Im Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde über die Anträge sei somit die Bezugsperson volljährig gewesen. Die Mitbeteiligten und die Bezugsperson führten unterschiedliche Familiennamen.
6 Mit den Anträgen seien die Reisepässe der Mitbeteiligten, Geburtsurkunden des Erst und der Zweitmitbeteiligten und deren Heiratsurkunde, jeweils in Originalsprache, vorgelegt worden.
7 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl habe die Vorlage weiterer Unterlagen zur Bestätigung der Familieneigenschaft der Mitbeteiligten für erforderlich erachtet und die Österreichische Botschaft Teheran ersucht, die Mitbeteiligten zur Vorlage solcher Unterlagen sowie einer Übersetzung der eingereichten Heiratsurkunde aufzufordern. Der diesbezüglichen Aufforderung seien die Mitbeteiligten nicht nachgekommen.
8 Mangels Vorlage weiterer Unterlagen habe das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine DNA Analyse zum Nachweis der Familienangehörigkeit des Erst und der Zweitmitbeteiligten zur Bezugsperson und zu den Dritt bis Fünftmitbeteiligten als erforderlich erachtet. Zu diesem Zweck seien dem Erst- und der Zweitmitbeteiligten am 5. April 2021 in der Botschaft von einem Arzt Mundhöhlenabstriche abgenommen worden. Eine Abnahme von Mundhöhlenabstrichen der Dritt bis Fünftmitbeteiligten sei unterblieben, weil die Vertretungsbehörde der rechtlichen Vertreterin der Mitbeteiligten auf Rückfrage mitgeteilt habe, dass die Kinder nicht zu Mundhöhlenabstrichen erscheinen müssten. Das Ergebnis einer in der Folge allenfalls durchgeführten Analyse der abgenommenen DNA Proben des Erst und der Zweitmitbeteiligten zur Klärung des Familienverhältnisses zur Bezugsperson liege in den Akten nicht auf.
9 Mit Urteil eines Straflandesgerichtes vom 5. Juli 2023 sei die Bezugsperson wegen der Begehung von Suchtmitteldelikten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, davon sechs Monate bedingt nachgesehen (Probezeit drei Jahre), verurteilt worden. Mit Urteil eines Straflandesgerichtes vom 2. Oktober 2023 sei die Bezugsperson wegen weiterer Suchtmitteldelikte rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, davon neun Monate bedingt nachgesehen (Probezeit drei Jahre), verurteilt worden. Es sei Bewährungshilfe angeordnet und die Probezeit betreffend die frühere Verurteilung auf insgesamt fünf Jahre verlängert worden.
10 Gegen die Bezugsperson sei am 20. Juni 2023 ein Asylaberkennungsverfahren eingeleitet und dieses am 13. Juli 2023 wieder eingestellt worden. In der Folge sei abermals eine „Vorprüfung eines Asylaberkennungsverfahrens“ gegen die Bezugsperson durchgeführt und am 13. Oktober 2023 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl davon ausgegangen worden, dass weiterhin kein Aberkennungstatbestand erfüllt sei. Das Verfahren sei abermals geschlossen worden. Es sei gegen die Bezugsperson kein Asylaberkennungsverfahren anhängig.
11 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesverwaltungsgericht unter Hinweis auf das Urteil des Gerichthofes der Europäischen Union (EuGH) vom 30. Jänner 2024, C 560/20, CR ua , aus, dass Drittstaatsangehörige eines Flüchtlings, der als unbegleiteter Minderjähriger einen Asylantrag gestellt habe und dem Asyl zuerkannt worden sei, auch dann ein Recht auf Familienzusammenführung mit seinen Eltern hätten, wenn der Minderjährige während des Familienzusammenführungsverfahrens volljährig geworden sei. Die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 der Familienzusammenführungsrichtlinie bräuchten hierzu nicht erfüllt zu werden. Somit sei es unerheblich, wenn der Antrag auf Familienzusammenführung wie fallgegenständlich erst mehr als zwei Jahre nach Asylzuerkennung an die Bezugsperson nicht innerhalb der in Art. 12 Abs. 1 UAbs. 3 der Familienzusammenführungsrichtlinie vorgesehenen Frist (drei Monate nach Zuerkennung des Flüchtlingsstatus) gestellt worden sei.
12 In den Verfahrensakten lägen keine Ergebnisse einer DNA-Analyse zur Bestätigung des Familienverhältnisses zwischen dem Erst- und der Zweitmitbeteiligten und der Bezugsperson auf. Der Aktenlage könne nicht einmal entnommen werden, dass die DNA Analysen nach erfolgter DNA Probenabnahme des Erst und der Zweitmitbeteiligten überhaupt durchgeführt oder abgeschlossen worden seien; geschweige denn, ob diese die Verwandtschaft des Erst- und der Zweitmitbeteiligten zur Bezugsperson bestätigt hätten. Aus der Aktenlage gehe auch nicht hervor, ob der Bezugsperson DNA Proben abgenommen worden seien.
13 Es sei daher zunächst das Ergebnis der „Abstammungsuntersuchung“ des Erst und der Zweitmitbeteiligten zur Bezugsperson heranzuziehen und gegebenenfalls eine nicht abgeschlossene DNA Untersuchung abzuschließen oder zu wiederholen. Sollte dies nicht zur Bestätigung der Elternschaft sowohl des Erst und der Zweitmitbeteiligten führen, sondern nur die Elternschaft entweder des Erst oder der Zweitmitbeteiligten zur Bezugsperson ergeben, wäre in einem weiteren Schritt die Gültigkeit der Eheschließung des Erst und der Zweitmitbeteiligten zu untersuchen. Eine Einreise auch des Nichtelternteiles zur Bezugsperson könnte in diesem Fall nur zur Fortsetzung des Familienlebens mit dem Ehegatten gemäß Art. 8 EMRK geboten sein, was die Gültigkeit der Eheschließung voraussetze. Die Gültigkeit der Eheschließung sei laut Akteninhalt bislang nicht geprüft worden.
14 Bei den Dritt bis Fünftmitbeteiligten handle es sich um keine zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährigen ledigen Kinder eines Fremden im Sinn des § 35 Abs. 5 AsylG 2005, sodass diese von vornherein nicht vom maßgeblichen Familienangehörigenbegriff des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 erfasst seien. Im Hinblick darauf sei daher ebenso die Angehörigeneigenschaft zwischen Erst und der Zweitmitbeteiligten zu den Dritt bis Fünftmitbeteiligten erforderlich und durch DNA Analyse zu klären.
15 Wegen der Spezifika und verfahrensrechtlichen Einschränkungen (§ 11a FPG) des Verfahrens könnten die notwendigen Ermittlungen nicht im Interesse der Effizienz, Raschheit und Kostenersparnis durch das Bundesverwaltungsgericht selbst vorgenommen werden.
16 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen von der Österreichischen Botschaft Teheran erhobenen und vom Bundesverwaltungsgericht samt den Verfahrensakten vorgelegten Revisionen das Vorverfahren eingeleitet. Die Mitbeteiligten erstatteten eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revisionen beantragten.
17 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
18 Die Behörde bringt zur Zulässigkeit der Revisionen vor, die angefochtenen Beschlüsse stünden im Widerspruch zu näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Voraussetzungen des Familienverfahrens im Sinn des § 34 AsylG 2005 nicht mehr vorlägen, wenn die minderjährige Bezugsperson während des Verfahrens nach § 35 AsylG 2005 volljährig werde. Zudem weiche das Bundesverwaltungsgericht mit den angefochtenen Beschlüssen von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Zurückverweisung gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG ab, wonach diese nicht zulässig sei, weil das Verwaltungsgericht die notwendigen Verfahrensschritte im Interesse der Raschheit hätte selbst vornehmen und meritorisch entscheiden müssen.
19 Die Revisionen sind zulässig. Sie sind auch berechtigt.
20 § 34 AsylG 2005 lautet:
„4. Abschnitt
Sonderbestimmungen für das Familienverfahren
Familienverfahren im Inland
§ 34. (1) Stellt ein Familienangehöriger von
1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;
2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder
3. einem Asylwerber
einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist und
3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).
(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist;
3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und
4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.
(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.
(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.
(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:
1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;
2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;
3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG).“
21 § 35 AsylG 2005 legt fest:
„Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden
§ 35. (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei einer mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.
(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.
(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.
(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.
(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn
1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),
2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und
3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.
Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.
(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.“
22 § 26 FPG lautet:
„Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005
§ 26. Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Familienangehörigen gemäß § 35 Abs. 5 AsylG 2005 ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen.“
23 Die Mitbeteiligten haben nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln gemäß § 26 FPG in Verbindung mit § 35 AsylG 2005 gestellt. Diese Anträge erfolgten zu einem Zeitpunkt, als die Bezugsperson A noch minderjährig gewesen ist. Über die Anträge entschieden wurde hingegen erst, nachdem A die Volljährigkeit erreicht hatte.
24 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass die Erteilung eines Einreisetitels nach § 26 FPG in Verbindung mit § 35 AsylG 2005 die Möglichkeit der Familienzusammenführung mit dem Zweck darstellt, für die nachziehenden Personen nach Einreise in das Bundesgebiet ein Familienverfahren im Sinn des § 34 AsylG 2005 zu eröffnen und ihnen denselben Schutz wie dem bereits in Österreich aufhältigen Angehörigen zu gewähren. Für die Beurteilung, wem als Familienangehörigen ein Visum nach § 26 FPG in Verbindung mit § 35 AsylG 2005 erteilt werden kann, ist allein auf die in § 35 Abs. 5 AsylG 2005 enthaltene Definition des „Familienangehörigen“ abzustellen (vgl. etwa VwGH 15.12.2021, Ra 2021/20/0105, Rn. 58, mwN).
25 Gemäß § 35 Abs. 5 AsylG 2005 ist Familienangehöriger, u.a. wer Elternteil eines minderjährigen Kindes ist. Für die Beurteilung der Minderjährigkeit einer in Österreich asylberechtigten Person, auf die sich Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln nach § 26 FPG iVm § 35 AsylG 2005 beziehen, kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf den Zeitpunkt der Entscheidung über diese Anträge, nicht aber auf jenen der Antragstellung an (vgl. etwa VwGH 1.6.2018, Ra 2017/18/0312, mwN).
26 Das Bundesverwaltungsgericht hat mit den angefochtenen Beschlüssen entgegen der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter Berufung auf das Urteil des EuGH vom 30. Jänner 2024, C 560/20, CR ua , einen Anspruch auf Erteilung der begehrten Einreisetitel dem Grunde nach insbesondere deshalb bejaht, weil die Mitbeteiligten die Anträge auf Erteilung derselben noch vor Erreichen der Volljährigkeit der Bezugsperson gestellt hätten.
27 Der EuGH hat in seinem zur Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (Familienzusammenführungsrichtlinie) ergangenen Urteil vom 30. Jänner 2024, C 560/20, CR ua , Rn. 40 festgehalten, dass ein auf Art. 10 Abs. 3 Buchst. a der Familienzusammenführungsrichtlinie gestützter Antrag auf Familienzusammenführung nicht „als verspätet“ angesehen werden kann, wenn er gestellt wurde, als der betreffende Flüchtling noch minderjährig war.
28 Nach der Familienzusammenführungsrichtlinie ist es aber nicht geboten, den Anwendungsbereich des § 34 und § 35 AsylG 2005 zu erweitern, um dem Anliegen auf Familienzusammenführung in unionsrechtskonformer Weise Rechnung zu tragen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es hinreichend, dass sichergestellt ist, dass im Einklang mit den Vorgaben der Familienzusammenführungsrichtlinie ein Aufenthaltstitel nach dem NAG erteilt wird. Eine unionsrechtliche Verpflichtung, dem nachziehenden Fremden eine über dieses Ziel hinausgehende Rechtsstellung, die die Familienzusammenführungsrichtlinie gar nicht zum Regelungsinhalt hat, zu verschaffen (hier letztlich den Status des Asylberechtigten), ist weder zu sehen, noch ist solches aus dem zur Rechtssache C 550/16 ergangenen Urteil des EuGH abzuleiten (vgl. etwa VwGH 24.5.2018, Ra 2017/01/0430, mwN). Anderes kann auch aus dem vom Bundesverwaltungsgericht ins Treffen geführten Urteil des EuGH vom 30. Jänner 2024, C 560/20, CR ua , das sich gerade nicht mit der Gewährung von Asyl, sondern im Übrigen anlässlich eines im Rahmen eines Verfahrens nach dem Niederlassungs und Aufenthaltsgesetz eingebrachten Vorabentscheidungsersuchens mit der Familienzusammenführungsrichtlinie beschäftigt, nicht abgeleitet werden.
29 Ausgehend davon, dass die Familienzusammenführungsrichtlinie nicht zum Regelungsinhalt hat, wann einem Familienangehörigen eines anerkannten Flüchtlings ebenfalls der Flüchtlingsstatus zuzuerkennen ist, sondern (nur) Vorgaben dazu enthält, unter welchen Voraussetzungen einem Familienangehörigen ein für den Zweck der Familienzusammenführung vorgesehener Aufenthaltstitel zu erteilen ist (vgl. Art. 13 Abs. 2 iVm Art. 2 lit. e dieser Richtlinie), ist es somit unschädlich, wenn für die Erteilung eines Visums nach § 26 FPG iVm § 35 AsylG 2005, dessen Erteilung nicht nur die Familienzusammenführung ermöglichen soll, sondern auch dazu dient, dem Familienangehörigen die Gelegenheit einzuräumen, zwecks Erlangung eines besonderen Schutzstatus im Weg des § 34 AsylG 2005 eine nur im Inland zulässige Antragstellung auf internationalen Schutz vornehmen zu können, gegenüber der Familienzusammenführungsrichtlinie weitergehende Voraussetzungen (hier: dass in Bezug auf die Eigenschaft als Familienangehöriger anderen Voraussetzungen Beachtlichkeit zukommt) festgelegt werden (vgl. VwGH 3.5.2018, Ra 2017/19/0609).
30 Somit erweisen sich tragenden Überlegungen des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich einer Aufhebung und Zurückweisung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG in den angefochtenen Beschlüssen schon deshalb als nicht stichhaltig, weil ausgehend von der dargestellten Rechtslage, wonach die Bezugsperson aufgrund ihrer während des laufenden Verfahrens eingetretenen Volljährigkeit nicht als Familienangehöriger im Sinn des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 anzusehen und schon deshalb die Erteilung eines Einreisetitels im Rahmen des Familienverfahrens ausgeschlossen ist, den vom Bundesverwaltungsgericht eingeforderten zusätzlichen Ermittlungen keine Relevanz für die Entscheidungen über die von den Mitbeteiligten gestellten Anträge zukommt. Im Übrigen sei erwähnt, dass Geschwister vom Begriff des Familienangehörigen nach § 35 Abs. 5 AsylG 2005 nicht erfasst sind.
31 Die angefochtenen Beschlüsse waren somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
32 Ein Aufwandersatz für die Erstattung der Revisionsbeantwortung war nicht zuzusprechen, weil Mitbeteiligte nach § 47 Abs. 3 VwGG Anspruch auf Aufwandersatz nur im Fall der Abweisung der Revision haben.
Wien, am 11. September 2024