Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Novak, den Hofrat Dr. Sutter, die Hofrätin Dr. in Lachmayer und den Hofrat Dr. Bodis sowie die Hofrätin Dr. in Wiesinger als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des Finanzamtes Österreich gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 8. Februar 2024, Zl. RV/6100451/2018, betreffend Einkommensteuer 2011 und 2012 (mitbeteiligte Partei: J R, vertreten durch Mag. German Bertsch, Rechtsanwalt in Feldkirch), zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
1 Der Mitbeteiligte ist nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) Zahnarzt mit ausschließlichem Wohnsitz in Deutschland. In den Streitjahren war er in verschiedenen Justizanstalten in Deutschland und Österreich tätig. Für seine Tätigkeit in Österreich schloss er mit der österreichischen Justizverwaltung in den Jahren 2000 und 2002 Verträge ab, wonach er sich verpflichtete, die konservierend chirurgische und prothetische Zahnbehandlung inhaftierter Insassen dreier Justizanstalten in den hierfür vorgesehenen Räumlichkeiten der Justizanstalten durchzuführen. Für jede Justizanstalt wurde ein (im Wesentlichen inhaltsgleicher) Vertrag abgeschlossen. Den Justizanstalten oblag die Auswahl und Zuteilung der Patienten. Die Ordinationszeiten wurden im Einzelnen im Einvernehmen mit der Leitung der Justizanstalten festgelegt. Die Vergütung für die durchgeführten Zahnbehandlungen erfolgte nach dem jeweils geltenden Tarif der Beamtenversicherungsanstalt oder bei krankenversicherten Insassen durch Abrechnung mit der jeweiligen Krankenversicherung. Mit diesem Honorar waren die konservierende Zahnbehandlung, sämtliche Reisespesen und allfällige Kosten für eine Zahnarzthelferin abgegolten. Weiters war geregelt, in welchen Fällen eine Herstellung, Umarbeitung und Reparatur von Zahnersatz erfolgen könne. Die Rechnungen für die an Insassen erbrachten Leistungen waren monatlich im Nachhinein der Verwaltung der Justizanstalten zur Begleichung vorzulegen. Der Mitbeteiligte war verpflichtet, über seine Behandlungstätigkeit ordnungsgemäße Aufzeichnungen in den Justizanstalten zu führen, welche eine Kontrolle der Abrechnungen ermöglichten. Die Justizverwaltung stellte dem Mitbeteiligten in den Justizanstalten einen Raum samt dem erforderlichen Mobiliar (Behandlungsstuhl samt Instrumenten) zur Durchführung seiner Arbeiten zur Verfügung. Die Beschaffung der zur Zahnbehandlung notwendigen Materialien sowie deren Entsorgung erfolgte durch den Mitbeteiligten und ging zu seinen Lasten. Der Mitbeteiligte war verpflichtet, die Leistungen grundsätzlich selbst zu erbringen. Im Falle seiner Verhinderung konnte er einvernehmlich mit dem Auftraggeber einen geeigneten Vertreter namhaft machen.
2 Der Arbeitsalltag in den Justizanstalten gestaltete sich so, dass der Mitbeteiligte an jedem der drei Standorte jeweils an einem festen Wochentag für etwa einen halben Tag pro Woche tätig war, wobei er in einer Justizanstalt nur alle zwei Wochen tätig war. Außerhalb dieser fest vereinbarten Zeiten konnte er die Räumlichkeiten nicht betreten und benutzen. Er hatte keinen freien Zugang zu den Räumlichkeiten, sondern sein Zugang erfolgte stets in Begleitung von Wachpersonal, das auch die Schlüsselgewalt hatte. Lediglich in der Justizanstalt S wurde dem Mitbeteiligten für die Dauer seiner Behandlungen ein Schlüssel zum Behandlungsraum ausgehändigt, den er bei Beendigung seiner Tätigkeit wieder im Wachzimmer abgeben musste. Die Mitnahme von Laptop, Handy und gefährlichen Gegenständen war verboten. Einen versperrbaren Kasten hatte der Mitbeteiligte nur in der Justizanstalt S zur Verfügung, wobei nicht festgestellt werden konnte, ob er den Schlüssel für den Kasten mitnehmen durfte. In den anderen Justizanstalten war die Mitnahme von Anstaltsschlüsseln niemandem erlaubt, sondern mussten diese in speziellen Schlüsselkästen in den Justizanstalten gelagert werden.
3 Alle Behandlungsräume befanden sich in den jeweiligen Krankenstationen. Der Zutritt zu den Krankenstationen war speziell gesichert und in der Regel nur einem eingeschränkten Personenkreis vorbehalten. Die Behandlungsräume waren mit den erforderlichen zahnärztlichen Geräten ausgestattet, die vom Mitbeteiligten benutzt wurden. Einen Teil des Verbrauchsmaterials musste er selbst mitbringen, der andere Teil wurde von den Justizanstalten zur Verfügung gestellt. In der Justizanstalt I musste er lediglich Lokalanästhetika mitbringen, in den anderen beiden darüber hinaus auch anderes Material. Dieses Material konnte er in den Justizanstalten lagern; versperrbare Kästen hatte er dafür jedoch nur in der Justizanstalt S zur Verfügung. In der Justizanstalt F wurde das Behandlungszimmer auch von anderen Ärzten, vom Wachpersonal und vom Pflegepersonal benutzt. Hier war Wachpersonal auch während der zahnärztlichen Behandlungen anwesend. In der Justizanstalt I wurde der Behandlungsraum zu anderen Zeiten auch von einem anderen Arzt verwendet. Eine Nische im Behandlungszimmer war wie eine Teeküche eingerichtet und mit Geschirrspüler und Wasserkocher ausgestattet und diente der Lagerung von medizinischem Material. In der Justizanstalt S gab es einen eigenen Raum für Zahnbehandlungen, der von sonstigem Personal nicht verwendet wurde.
4 Mit 18. Februar 2015 ergingen nach Durchführung einer Außenprüfung Bescheide, mit denen gegenüber dem Mitbeteiligten die Einkommensteuer für die Jahre 2011 und 2012 festgesetzt wurde. Begründend führte das Finanzamt aus, dass die Justizanstalten in Bezug auf den Mitbeteiligten Betriebsstätten darstellten und seine Einkünfte daher in Österreich zu versteuern seien.
5 Der gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerde gab das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung keine Folge, woraufhin der Mitbeteiligte die Vorlage der Beschwerde an das BFG beantragte.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine Revision für nicht zulässig erklärt wurde, änderte das BFG die Einkommensteuerbescheide 2011 und 2012 ab und veranlagte mangels inländischer Einkünfte die Einkommensteuer 2011 und 2012 nicht. Begründend führte es aus, Einkünfte, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus einem freien Beruf oder aus sonstiger selbständiger Tätigkeit beziehe, dürften gemäß Art. 14 Abs. 1 Doppelbesteuerungsabkommen Österreich/Deutschland (DBA Deutschland) nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, dass der Person im anderen Vertragsstaat für die Ausübung ihrer Tätigkeit gewöhnlich eine feste Einrichtung zur Verfügung stehe. Stehe ihr eine solche feste Einrichtung zur Verfügung, so dürften die Einkünfte im Quellenstaat insoweit besteuert werden, als sie dieser festen Einrichtung zugerechnet werden könnten. Feste Einrichtung sei die Gesamtheit der Sachen, die der freiberuflichen oder sonstigen selbständigen Tätigkeit dienten. Umfasst seien sowohl Räumlichkeiten als auch andere Sachen. Wann eine Einrichtung einem freien Beruf diene, sei nach berufsspezifischen Erfordernissen des konkreten Berufs zu beurteilen. Die Einrichtung müsse auf längere Dauer angelegt sein und der selbstständigen Person für ihre Tätigkeit gewöhnlich zur Verfügung stehen.
7 In allen drei Justizanstalten habe der Mitbeteilige Einrichtungen der Republik Österreich zur Erbringung seiner zahnärztlichen Leistungen genutzt. In einem gewissen Ausmaß habe er eigenes Material in einem Arbeitskoffer mitgebracht. In den Justizanstalten F und S habe er auch Verbrauchsmaterial gelagert, wobei diese Materialien teilweise auch von den Justizanstalten zur Verfügung gestellt worden seien. In der Justizanstalt I sei ihm sämtliches Material (Ausnahme Lokalanästhetika) bereitgestellt worden. Der Mitbeteiligte habe die Einrichtungen nur zu bestimmten, vorher festgelegten Zeiten und nur zur Behandlung gewisser, von den Justizanstalten bestimmter Patienten benutzen können. Im Streitzeitraum sei der Mitbeteiligte in allen drei Justizanstalten vom Wachpersonal zu den Krankenabteilungen bzw. seinem Behandlungsraum begleitet worden. Ein freier (wenn auch begleiteter) Zugang zu den Einrichtungen (etwa außerhalb dieser Tätigkeiten) sei ihm in keiner Justizanstalt möglich gewesen.
8 Dass der Mitbeteiligte keine dauerhafte Verfügungsmacht gehabt habe, ergebe sich daraus, dass er keinen uneingeschränkten und dauernden Zutritt zu den Einrichtungen, sondern nur innerhalb festgelegter, eng begrenzter Zeiten (in der Justizanstalt S etwa nur 2 3 Stunden alle zwei Wochen, an den anderen Standorten wöchentlich für rund 4 Stunden) Zutritt gehabt habe. Auch ohne das Gesperre der Justizanstalten wäre dem Mitbeteiligten ein freier Zugang zu den ärztlichen Behandlungsräumen nicht möglich gewesen. Der Mitbeteiligte habe andere Personen nirgendwo von der Nutzung der Räumlichkeiten ausschließen können. In der Justizanstalt F habe das Behandlungszimmer auch als Arbeitszimmer von Justizwachebediensteten gedient, die sogar während der Behandlungen anwesend gewesen seien. An den anderen Standorten seien die Behandlungsräume von jeweils anderen Ärzten mitbenutzt worden. In der Justizanstalt S seien sämtliche zahnmedizinische Gerätschaften regelmäßig von einem zweiten Zahnarzt benutzt worden. Versperrbare Schränke, die ausschließlich dem Mitbeteiligten zur alleinigen Verfügung gestanden seien, habe er jedenfalls in den Justizanstalten F und I nicht gehabt. Dass ihm in der Justizanstalt S ein Schlüssel zum Behandlungsraum ausgehändigt worden sei, den er nach den Behandlungen wieder im Wachzimmer abgeben habe müssen, reiche für eine dauerhafte Verfügungsmacht nicht aus. Gleiches gelte für den absperrbaren Schrank zur Lagerung von Material, den der Mitbeteilige in der Justizanstalt S zur Verfügung gehabt habe.
9 Der Mitbeteiligte habe an allen Standorten nur temporäre Verfügungsmöglichkeiten gehabt. In Bezug auf die Justizanstalt S spreche auch die in den Streitjahren zeitlich besonders beschränkte Tätigkeit von lediglich zwei bis drei Stunden alle zwei Wochen gegen die Annahme einer dauernden Verfügungsmacht über die Einrichtung. In allen drei Einrichtungen sei die zeitliche Verfügungsmöglichkeit des Mitbeteiligten über die Einrichtungen jedenfalls so eingeschränkt gewesen, dass die Mitbenützung der Räumlichkeiten durch andere Personen (Ärzte oder Justizwachepersonal) an keinem Standort als „zeitlich völlig untergeordnet“ qualifiziert werden könnte.
10 Selbst wenn in den Behandlungsräumen jeweils ein versperrbarer Kasten zur Verfügung gestellt worden wäre, könne dies für den Mitbeteiligten keine Betriebsstätte begründen, weil zum einen ein uneingeschränkter Zugang zu diesem Kasten nicht gewährleistet gewesen und zum anderen das Vorliegen einer festen Einrichtung immer berufsbezogen zu beurteilen sei. Ein Kasten/Rollcontainer könne für sich allein betrachtet keine feste Einrichtung für einen Zahnarztbetrieb begründen.
11 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision. Zu deren Zulässigkeit bringt das Finanzamt vor, der Begriff der „festen Einrichtung“ sei berufsbezogen zu sehen. Der Mitbeteiligte habe in allen Justizanstalten die Betriebsmittel (Einrichtungsgegenstände und Geräte) zur Verfügung gehabt, die zur Ausübung der zahnärztlichen Tätigkeit notwendig gewesen seien. Persönliche Gegenstände und ein Mobiltelefon, welche in die Behandlungsräume nicht mitgenommen hätten werden dürfen, seien zur Ausübung der zahnärztlichen Tätigkeit nicht erforderlich. Der Mitbeteiligte habe seine zahnärztliche Tätigkeit für die Justizanstalten ausschließlich in von diesen zur Verfügung gestellten und voll eingerichteten Behandlungsräumlichkeiten ausgeübt. Er habe also die seinen Betriebsgegenstand bildende Tätigkeit in einer festen Einrichtung ausgeübt, weil eine zahnärztliche Behandlungstätigkeit nur in mit entsprechenden medizinischen Gerätschaften ausgestatteten Räumlichkeiten erfolgen könne, wobei diese den Mittelpunkt der zahnärztlichen Tätigkeit darstellten.
12 Die angefochtene Entscheidung des BFG stehe auch im Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weil es von einer dauerhaften Verfügungsmacht über eine feste örtliche Anlage nur dann ausgehe, wenn diese in der dauernden Alleinverfügungsmacht des Mitbeteiligten stehe. Die Einrichtung dürfe nach dem Erkenntnis des BFG von niemandem anderen benutzt werden können und müsse durch den Mitbeteiligten zu jeder Zeit uneingeschränkt betreten werden können. Eine derart weitgehende Verfügungsmacht über eine örtliche Anlage werde für das Bestehen einer festen örtlichen Einrichtung jedoch nicht gefordert. Die Verfügungsmacht über eine feste örtliche Einrichtung sei berufsbezogen zu sehen und abhängig von der jeweiligen Situation des Einzelfalls zu beurteilen.
13 Die Verfügungsmacht des Mitbeteiligten über die zur Ausübung der zahnärztlichen Tätigkeit notwendigen Räumlichkeiten und Gerätschaften ergebe sich im Revisionsfall bereits aus den geschlossenen Auftragsverhältnissen mit den Justizanstalten, in denen vereinbart worden sei, dass dem Mitbeteiligten ein Raum samt erforderlichem Mobiliar zur Durchführung der Zahnbehandlungen an Anstaltsinsassen zur Verfügung gestellt werde. In den Streitjahren sei ihm in jeder Justizanstalt auch tatsächlich ein voll eingerichteter, mit allen Gerätschaften zur Zahnbehandlung ausgestatteter Raum zur Durchführung von Zahnbehandlungen an Anstaltsinsassen zur (alleinigen) Verfügung gestanden. Die Nutzung der Behandlungsräumlichkeiten für anderweitige Zwecke zu Zeiten, in denen der Mitbeteiligte keine Zahnbehandlungen durchgeführt habe, sei irrelevant. Die Anwesenheit von Wachpersonal während der Behandlungen, welche einerseits dem Schutz des Mitbeteiligten und andererseits der Vereitelung von Ausbruchsversuchen der Insassen diene, könne diese Verfügungsmacht ebenso wenig beeinträchtigen, wie die für das Betreten der Justizanstalten durch den Mitbeteiligten anzuwendenden Sicherheitsvorschriften.
14 Das angefochtene Erkenntnis des BFG widerspreche auch der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach bei der Beurteilung des Vorliegens einer Betriebsstätte oder festen örtlichen Einrichtung eine berufsbezogene Betrachtung zu erfolgen habe und es für das Vorliegen einer Betriebsstätte oder festen örtlichen Einrichtung bei Vorliegen der übrigen Tatbestandsmerkmale ausreiche, dass der Steuerpflichtige, die Betriebsstätte oder feste örtliche Einrichtung „gewöhnlich“ nutzen könne. „Gewöhnlich“ sei in dem Sinn zu verstehen, dass die feste Einrichtung dem Freiberufler wie im Revisionsfall regelmäßig zur Verfügung stehe und auf Dauer angelegt sei.
15 Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof erstattete der Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung, in der er zusammengefasst vorbringt, dass seine zeitliche Verfügungsmöglichkeit über die Räumlichkeiten der Justizanstalten so stark eingeschränkt gewesen sei, dass dadurch keine Betriebsstätte begründet werden könne.
16 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
17 Die Amtsrevision ist zulässig; sie ist auch begründet.
18 Im Revisionsfall ist im Wesentlichen strittig, ob der Mitbeteiligte in den Behandlungsräumen der Justizanstalten, für die er in den Streitjahren zahnärztliche Leistungen erbrachte, jeweils eine feste Einrichtung begründete, wodurch Österreich nach dem DBA Deutschland ein Besteuerungsrecht für die daraus bezogenen Einkünfte zukäme.
19 Gemäß Art. 14 Abs. 1 DBA Deutschland dürfen Einkünfte, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus einem freien Beruf oder aus sonstiger selbstständiger Tätigkeit ähnlicher Art bezieht, nur in ihrem Ansässigkeitsstaat besteuert werden, es sei denn, dass die Person für die Ausübung ihrer Tätigkeit in dem anderen Vertragsstaat regelmäßig über eine feste Einrichtung verfügt. Verfügt sie über eine solche feste Einrichtung, so dürfen die Einkünfte in dem anderen Vertragsstaat (Quellenstaat) besteuert werden, jedoch nur insoweit, als sie dieser festen Einrichtung zugerechnet werden können.
20 Entscheidend ist im Revisionsfall somit, ob der Mitbeteiligte für die Ausübung seiner zahnärztlichen Tätigkeit in Österreich „regelmäßig über eine feste Einrichtung verfügt“ hat.
21 Bei der Interpretation von Doppelbesteuerungsabkommen ist wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 31. Juli 1996, 92/13/0172, festgehalten hat zu beachten, dass Vertragsparteien, insoweit sie den Text des OECD Musterabkommens (OECD MA) wie hier den Text des Art. 14 OECD MA in ein Doppelbesteuerungsabkommen übernehmen, der einzelnen Vorschrift des bilateralen Vertrages den Inhalt der korrespondierenden Vorschrift des OECD MA beimessen; dadurch erlangt der bei Abschluss eines Doppelbesteuerungsabkommens bestehende Kommentar des OECD Steuerausschusses zum übernommenen Musterabkommen für die Auslegung des Abkommens besondere Bedeutung (vgl. auch BFH 13.4.2022, I R 1/19; sowie 11.7.2018, I R 44/16).
22 Im DBA Deutschland ist diese Bedeutung des OECD Musterkommentars in Pkt. 16 des Schlussprotokolls („Auslegung des Abkommens“) ausdrücklich bekräftigt worden. Demnach gilt es zwischen den Vertragsstaaten „als vereinbart, dass den Abkommensbestimmungen, die nach den entsprechenden Bestimmungen des OECD Musterabkommens auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen abgefasst sind, allgemein dieselbe Bedeutung zukommt, die im OECD Kommentar dazu dargelegt wird“ (vgl. dazu im Einzelnen Lang , in Gassner/Lang/Lechner, Das neue DBA Österreich Deutschland 72 ff).
23 Das gegenständlich anwendbare DBA Deutschland wurde von den beiden Vertragsstaaten am 24. August 2000 unterzeichnet und vom Nationalrat im Jahr 2002 genehmigt (BGBl. III Nr. 182/2002).
24 Der Begriff der „festen Einrichtung“ im Sinne des Art. 14 des OECD MA ist grundsätzlich mit dem Begriff der als Anknüpfungspunkt für die Zuteilung von Unternehmensgewinnen gemäß Art. 7 OECD MA dienenden „Betriebsstätte“ im Sinne des Art. 5 OECD MA (wo diese ihrerseits mit „fester Geschäftseinrichtung“ erklärt wird) inhaltsgleich und im selben Sinne auszulegen (vgl. VwGH 15.2.2006, 2001/13/0319, zum vorherigen DBADeutschland 1955; s ferner etwa VwGH 22.6.2022, Ro 2020/13/0004, zum DBA Ungarn).
25 Für das Vorliegen einer Betriebsstätte oder einer festen Einrichtung gelten daher im Allgemeinen idente Voraussetzungen (vgl. jeweils zum DBA Schweiz VwGH 18.3.2004, 2000/15/0118; sowie 21.5.1997, 96/14/0084).
26 Der OECD Musterkommentar hielt im Abschlusszeitpunkt des DBA Deutschland zu Art. 5 OECD MA erläuternd Folgendes fest (vgl. den auf der Homepage der OECD publizierten OECD Musterkommentar in der Fassung vom 29. April 2000 sowie die Übersetzung bei Vogel , DBA Kommentar³):
„4. Der Ausdruck ‚Geschäftseinrichtung‘ umfasst Räumlichkeiten, Einrichtungen und Anlagen, die der Ausübung der Tätigkeit des Unternehmens dienen, auch wenn dies nicht ausschließlich geschieht. Eine Geschäftseinrichtung kann auch vorliegen, wenn für die Ausübung der Tätigkeit des Unternehmens keine Räumlichkeiten zur Verfügung stehen oder erforderlich sind, aber das Unternehmen doch über einen gewissen Platz verfügt. Unerheblich ist, ob die Räumlichkeiten, Einrichtungen oder Anlagen dem Unternehmen gehören, von ihm gemietet sind oder ihm sonstwie zur Verfügung stehen. Eine Geschäftseinrichtung kann also z. B. ein Marktstand oder eine bestimmte ständig benutzte Fläche in einem Zollager sein (z. B. zur Lagerung zollpflichtiger Waren). Die Geschäftseinrichtung kann sich auch in den Geschäftsräumlichkeiten eines anderen Unternehmens befinden. Dies kann z. B. der Fall sein, wenn ein ausländisches Unternehmen über bestimmte Räumlichkeiten oder Teile davon ständig verfügen kann, die einem anderen Unternehmen gehören.
5. Nach der Definition muss es sich um eine ‚feste‘ Geschäftseinrichtung handeln. Im Allgemeinen muss also eine Verbindung zwischen der Geschäftseinrichtung und einem bestimmten Punkt der Erdoberfläche bestehen. Nicht entscheidend ist, wie lange ein Unternehmen eines Vertragsstaats im anderen Vertragsstaat tätig ist, wenn es seine Tätigkeit nicht an einem bestimmten Ort ausübt, was aber nicht bedeutet, dass die Gegenstände, die die Geschäftseinrichtung darstellen, mit dem Boden, auf dem sie stehen, tatsächlich fest verbunden sein müssen. Es genügt, dass die Gegenstände der Einrichtung an einer bestimmten Stelle verbleiben (vgl. jedoch Ziffer 19).
6. Daraus, dass die Geschäftseinrichtung fest sein muss, folgt auch, dass eine Betriebstätte nur dann anzunehmen ist, wenn die Geschäftseinrichtung einen gewissen Grad von Ständigkeit hat, d.h. wenn sie nicht nur von vorübergehendem Charakter ist. Wurde die Geschäftseinrichtung nicht nur für einen vorübergehenden Zweck errichtet, so kann auch dann eine Betriebstätte vorliegen, wenn sie wegen der besonderen Art der Tätigkeit des Unternehmens oder auf Grund besonderer Umstände (Tod des Steuerpflichtigen, Fehlinvestition) vorzeitig aufgehoben wurde. Eine Geschäftseinrichtung, die zunächst nur für einen vorübergehenden Zweck vorgesehen war, dann aber so lange beibehalten wird, dass sie nicht mehr als vorübergehend gelten kann, wird zur festen Geschäftseinrichtung und damit – rückwirkend zur Betriebstätte.
7. Damit eine Geschäftseinrichtung zur Betriebstätte wird, muss das Unternehmen, das sie verwendet, seine Tätigkeit ganz oder teilweise durch sie ausüben. Wie in Ziffer 3 ausgeführt, braucht die Tätigkeit keinen produktiven Charakter zu haben. Ferner braucht die Tätigkeit nicht in dem Sinn ständig zu sein, dass sie nicht unterbrochen werden dürfte; sie muss jedoch regelmäßig ausgeübt werden.“
27 Ob ein Ort für einen Steuerpflichtigen eine feste Einrichtung begründet, ist demnach nach dessen Verfügungsmöglichkeiten über den Ort, das Ausmaß seiner dortigen Präsenz sowie seinen Möglichkeiten, seine geschäftlichen Tätigkeiten dort auszuüben, zu beurteilen. Dabei muss die Tätigkeit des Steuerpflichtigen auf einer regelmäßigen Basis über einen längeren Zeitraum erfolgen, wobei der Ort der geschäftlichen Tätigkeiten auch in einer Geschäftseinrichtung eines anderen Unternehmens sein kann.
28 Der Begriff der „festen Einrichtung“ ist hierbei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs berufsbezogen bzw. betriebs- und auftragsbezogen zu sehen (vgl. zB VwGH 15.2.2006, 2001/13/0319, zum vorherigen DBA Deutschland 1955; VwGH 25.11.1992, 91/13/0144, zum DBA Spanien); dh die jeweiligen Mindestanforderungen an Ausstattung und Verfügung hängen auch von der darin ausgeübten Tätigkeit ab. Ferner muss die Tätigkeit auch in der festen Geschäftseinrichtung ganz oder teilweise ausgeübt werden, wobei die Anforderungen an den Umfang der eine Betriebsstätte begründenden betrieblichen Handlungen wiederum berufsbezogen variieren (VwGH 18.3.2004, 2000/15/0118, mwN).
29 Für die Annahme von ausreichender Verfügungsmacht ist nicht erforderlich, dass Anlagen, Einrichtungen usw. im Eigentum des Steuerpflichtigen stehen oder von diesem gemietet wurden, sondern es genügt vielmehr, dass sie für die Zwecke seines Unternehmens ständig zur Verfügung stehen, wobei es nur auf die Verfügungsmöglichkeit ankommt (vgl. zB VwGH 15.2.2006, 2001/13/0319, zum vorherigen DBA Deutschland 1955; sowie VwGH 18.3 2004, 2000/15/0118, zum DBA Schweiz).
30 Es ist auch nicht notwendig, dass der Steuerpflichtige einen rechtmäßigen Titel an der Benutzung des Ortes hat (s oben OECD Musterkommentar Rz 4). Ein solcher Rechtstitel kann jedoch umgekehrt ein Indiz für das Vorliegen einer festen Geschäftseinrichtung in seiner Verfügungsmacht darstellen.
31 Der Bestand einer Betriebsstätte kann zudem nicht bereits dadurch verhindert werden, dass der zur Verfügung gestellte Raum auch vom Auftraggeber des Steuerpflichtigen mitbenutzt wird (vgl. VwGH 21.5.1997, 96/14/0084, zum DBA Schweiz).
32 Ebensowenig schließt eine Sicherheitskontrolle beim Betreten eines fremden Geländes wie der Bundesfinanzhof jüngst zum abkommensrechtlichen Begriff der festen Geschäftseinrichtung zutreffend festgehalten hat die Verfügungsmacht über eine feste Einrichtung auf diesem Gelände (hier im Behandlungszimmer) schon per se aus (vgl. BFH 7.6.2023, I R 47/20, Rn 24).
33 Für den Revisionsfall bedeutet dies Folgendes:
34 Nach den Feststellungen des BFG schloss der Mitbeteiligte mit jeder der Justizanstalten einen mehrjährigen Vertrag über die dortige regelmäßige Erbringung von zahnärztlichen Leistungen ab, womit er eine vertraglich abgesicherte Nutzungsmöglichkeit über einen Behandlungsraum eingeräumt erhalten hat, was das Vorliegen einer festen Geschäftseinrichtung indiziert.
35 Der Mitbeteiligte behandelte vertragsgemäß im Wochen- bzw. Zwei Wochen Abstand an festen Tagen in der jeweiligen Justizanstalt Patienten, wofür ihm auch tatsächlich jeweils ein bestimmter Raum samt dem erforderlichen Mobiliar zur Verfügung gestellt wurde. Damit war für alle Insassen als unmittelbare „Leistungsempfänger“ des Zahnarztes dessen Tätigkeit mit einem festen Ordinationsraum und sohin mit einer bestimmten Örtlichkeit verbunden.
36 Auch wurde nicht festgestellt, dass der zugewiesene Behandlungsraum in den Justizanstalten laufend wechselte, was sich wohl schon aus der spezifischen zahnärztlichen Ausstattung erklärt.
37 Nachdem weder die feste Geschäftseinrichtung noch die vom Mitbeteiligten darin beabsichtigte Tätigkeit nur vorübergehenden Charakter hatte, war der vom OECD Musterkommentar angesprochene „Grad von Ständigkeit“ im Revisionsfall gegeben (vgl. dazu auch Züger und Urtz , in Gassner/Lang/Lechner, Betriebstätte im Recht der DBA 50 ff und 165).
38 Über den Behandlungsraum konnte der Mitbeteiligte an den Behandlungstagen auch soweit es seine zahnärztlichen Leistungen erforderten entsprechend verfügen. Weder die getroffenen Feststellungen noch die Revisionsbeantwortung legen nahe, dass der Zahnarzt während der Ausübung seiner Tätigkeit irgendwelche Einschränkungen in der vollen berufsbezogen zu erwartenden Verfügungsgewalt über den Raum erfahren hätte. Die begleitende Bewachung der Patienten an sich stellt keine solche Einschränkung dar.
39 Ob der Behandlungsraum an anderen Tagen außerhalb der festen Ordinationszeiten des Arztes von anderen Personen genutzt wurde, schließt eine feste Geschäftseinrichtung für den Mitbeteiligten nicht aus (vgl. Züger , aaO 44), zumal dieser in diesen Zeiten ohnedies keine Verfügungsgewalt über den Raum zu entfalten beabsichtigte und sohin auch darin nicht gestört werden konnte (vgl. VwGH 21.5.1997, 96/14/0084, zum DBA Schweiz).
40 Insoweit das BFG demgegenüber das Vorliegen einer festen Einrichtung u.a. deshalb verneint, weil der Mitbeteiligte jeweils nur temporär für einen bestimmten Zeitraum über den Behandlungsraum und die Ausrüstung hätte verfügen dürfen, übersieht es, dass auch dann ausreichend Verfügungsmacht gegeben sein kann, wenn eine Person zwar nur zu bestimmten Zeiten, aber dafür regelmäßig ihre Verfügungsmacht über einen Ort ausüben kann (vgl. OECD Musterkommentar zu Art. 5 Rz 6 f; vgl. auch das darin erwähnte Beispiel des Marktstandes und dazu Bendlinger , in Aigner et al, DBA Kommentar 2 Art. 5 Rz 115 ff, 126, mwN, wonach bereits ein regelmäßiges Unterhalten eines Marktstandes auf einem Wochenmarkt ausreicht).
41 Schließlich schadet es fallbezogen angesichts des übernommenen unternehmerischen Auftrags („Behandlung von Gefängnisinsassen“) der Annahme einer festen Geschäftseinrichtung für den Mitbeteiligten nicht, wenn die in den Justizanstalten jeweils gültigen Sicherheitsvorschriften eingehalten werden müssen, um zum Behandlungsraum zu gelangen.
42 Entscheidend ist im Revisionsfall vielmehr, dass der Mitbeteiligte darin vertraglich abgesichert über die vorhandene zahnärztliche Ausrüstung so verfügen konnte, wie es für seine zahnärztliche Tätigkeit auftragsbezogen erforderlich war, und sich seine wesentliche Tätigkeitsausübung als mit dem festen Ort des Behandlungsraums dauerhaft verbunden darstellte.
43Nach dem Gesagten erweist sich das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Wien, am 26. November 2025
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