Rückverweise
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter sowie die Hofrätinnen Dr. in Lachmayer und Dr. in Wiesinger als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision der V GmbH in D, vertreten durch die RTG Dr. Rümmele Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung GmbH Co KG in 6850 Dornbirn, Marktstraße 30, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom 15. Februar 2024, Zl. RS/1100009/2023, betreffend Verletzung der Entscheidungspflicht hinsichtlich u.a Umsatzsteuer 2015 bis 2019, Körperschaftsteuer 2015 bis 2019, zu Recht erkannt:
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Die Revisionswerberin erhob am 11. Oktober 2023 gemäß § 284 Abs. 1 BAO eine Säumnisbeschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht hinsichtlich der Beschwerden vom 31. Mai 2022 betreffend Umsatzsteuerbescheide 2015 bis 2019, Bescheide über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer 2015 bis 2018, Körperschaftsteuerbescheide 2015 bis 2019, Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2015 bis 2016 und Körperschaftsteuervorauszahlungsbescheid 2021.
2 Das Bundesfinanzgericht forderte das Finanzamt gemäß § 284 Abs. 2 BAO auf, innerhalb von drei Monaten ab Einlangen der Beschwerde den säumigen Bescheid zu erlassen und eine Abschrift der Entscheidung vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Pflicht zur Erlassung der Beschwerdevorentscheidung nicht oder nicht mehr vorliegt.
3 Das Finanzamt führte in einer Mitteilung aus, dass mit Beschwerdevorentscheidung vom 12. Oktober 2022, postalisch mit Zustellnachweis am 17. Oktober 2022 an die Revisionswerberin zugestellt, über einen Teil der Beschwerden entschieden worden sei. Über den anderen Teil sei mit Beschwerdevorentscheidung vom 11. September 2023 abgesprochen worden, welche an die Revisionswerberin adressiert und in deren Databox am 12. September 2023 elektronisch zugestellt worden sei.
4 Das Bundesfinanzgericht stellte daraufhin mit dem angefochtenen Beschluss das Verfahren ein. Es führte aus, dass zu den jeweiligen Zustellungszeitpunkten keine aufrechte bzw. der Abgabenbehörde gegenüber wirksame Zustellbevollmächtigung einer steuerlichen Vertreterin vorgelegen habe, weshalb die Zustellung an die Revisionswerberin rechtswirksam gewesen sei. Auf eine allenfalls bestehende Zustellbevollmächtigung der RTG Dr Rümmele Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung GmbH Co KG (im Folgenden RTG) sei bis zur gegenständlichen Säumnisbeschwerde vom 11. Oktober 2023 nicht hingewiesen worden. Eine allgemeine Vertretungsbefugnis schließe zwar grundsätzlich eine Zustellbevollmächtigung mit ein, jedoch umfasse diese grundsätzlich auch die Akteneinsicht und den Zugriff auf den elektronischen Finanzamtsakt über FinanzOnline. In FinanzOnline sei weder die Anmerkung der RTG als steuerliche Vertreterin erfolgt, noch sei dies in der Rubrik „Zustellbevollmächtigung“ ausgefüllt gewesen. Tatsächlich sei in FinanzOnline seit 21. August 2019 bis dato eine andere Steuerberatungskanzlei als steuerliche Vertreterin ohne Zustellvollmacht angemerkt. Sei in der Rubrik „Zustellbevollmächtigung“ der Eingabemaske in FinanzOnline keine Eintragung erfolgt, so sei davon auszugehen, dass keine Zustellvollmacht bestehe.
5 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, dass das Bundesfinanzgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen sei, zumal es bei der Beurteilung der Frage, ob eine aufrechte und wirksam bekanntgegebene Zustellbevollmächtigung gegenüber der Abgabenbehörde vorliege, bloß auf den Umstand abgestellt habe, ob in FinanzOnline im Feld „Zustellung“ eine Eintragung vorgenommen worden sei oder nicht, und die rechtswirksam bekanntgegebene steuerliche Vertretungsbefugnis der RTG, die auch eine Zustellbevollmächtigung umfasse und auf die sich der steuerliche Vertreter der Revisionswerberin in zahlreichen bzw. allen von ihm (im Namen und im Auftrag der Revisionswerberin) erstatteten Anbringen rechtswirksam berufen habe, zu Unrecht nicht berücksichtigt habe.
6 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einleitung des Vorverfahrens, in dem eine Revisionsbeantwortung nicht erstattet wurde, erwogen:
7 Die Revision ist zulässig und begründet.
8 Gemäß § 97 Abs. 1 BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Bei schriftlichen Erledigungen erfolgt die Bekanntgabe im Allgemeinen durch Zustellung (§ 97 Abs. 1 lit. a BAO).
9 Gemäß § 83 Abs. 1 BAO können sich die Parteien u.a. durch voll handlungsfähige Personen vertreten lassen, die sich durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen haben. Nach § 83 Abs. 2 BAO richten sich Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis des Bevollmächtigten nach der Vollmacht.
10 Beruft sich ein Berufsberechtigter (im Sinne des Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes 2017) im beruflichen Verkehr auf die ihm erteilte Bevollmächtigung, so ersetzt diese Berufung den urkundlichen Nachweis (§ 77 Abs. 11 leg. cit.). Berufsrechtliche Vorschriften, wonach die Berufung auf eine erteilte Bevollmächtigung deren urkundlichen Nachweis ersetzt, gelten auch im Anwendungsbereich der BAO (vgl. VwGH 7.12.2021, Ra 2021/13/0094, mwN).
11 Eine allgemeine Vertretungsbefugnis schließt (im Allgemeinen) eine Zustellbevollmächtigung mit ein. Dies gilt auch, wenn sich ein dazu befugter Vertreter auf die ihm erteilte Vollmacht beruft (vgl. VwGH 5.6.2023, Ra 2023/13/0019; 26.2.2014, 2012/13/0051; jeweils mwN).
12 Unterlässt der Parteienvertreter in FinanzOnline im Feld „Zustellung“ eine entsprechende Markierung, kann diesem Umstand bei verständiger Würdigung des Parteienschrittes so sich nicht anderes aus weiteren Eingaben des Steuerpflichtigen oder des Vertreters ergibt nur die Bedeutung beigemessen werden, dass eine Zustellvollmacht des Parteienvertreters nicht vorliegt (vgl. VwGH 24.10.2013, 2010/15/0090).
13 Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Erkenntnis nicht, wie das Bundesfinanzgericht in Verkennung der Rechtslage annahm, ausgesprochen, dass bei einer fehlenden Angabe einer Zustellbevollmächtigung in Finanzonline stets davon ausgegangen werden kann, dass keine Zustellvollmacht besteht. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Gegenteil explizit darauf hingewiesen, dass dies nicht gilt, wenn sich anderes aus weiteren Eingaben des Steuerpflichtigen oder des Vertreters ergibt.
14 Aus den von der Revisionswerberin mit der Revision vorgelegten Unterlagen die auch dem Bundesfinanzgericht im Rahmen der Säumnisbeschwerde vorgelegt wurden ergibt sich, dass die Revisionswerberin der RTG mit 4. Februar 2021 eine allgemeine Vollmacht, die auch eine Zustellvollmacht enthielt, erteilt hat. Die RTG ist auf der Niederschrift zur Schlussbesprechung der Betriebsprüfung, die den strittigen Bescheiden zugrunde liegt, vom 21. Juli 2021 als Vertreterin der Revisionswerberin angeführt. In der am 22. Mai 2022 erhobenen Beschwerde, die von der RTG abgefasst wurde, wurde „im Namen und im Auftrag unser oa Mandantin“ Beschwerde erhoben. Dasselbe gilt für die Beschwerdeergänzung vom 12. August 2022.
15 Aufgrund dieser Eingaben und der Anführung auf der Niederschrift zur Schlussbesprechung musste von einer Bevollmächtigung des steuerlichen Vertreters ausgegangen werden, die auch eine Zustellvollmacht enthielt.
16 Da das Bundesfinanzgericht diese Eingaben nicht gewürdigt hat, hat es seinen Beschluss somit mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
17 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 30. Jänner 2025