Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr. in Sporrer sowie die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel, Dr. in Sembacher, Mag. Bayer und Mag. Marzi als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Andrés, in der Revisionssache des M A (alias M A alias M A), vertreten durch Mag. a Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Burggasse 116, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. September 2023, I407 2250262 1/22E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein ägyptischer Staatsangehöriger, stellte am 22. November 2021 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), den er zunächst damit begründete, dass er aufgrund von Erbstreitigkeiten innerhalb seiner Familie mit dem Tod bedroht werde, in seiner Einvernahme vom 6. Dezember 2021 jedoch dahingehend änderte, dass er homosexuell sei und es ihm in Ägypten nicht möglich gewesen sei, frei zu leben.
2 Mit Bescheid vom 6. Dezember 2021 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Ägypten zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
4 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, der Revisionswerber habe nicht glaubhaft machen können, dass er homosexuell und asylrelevanter Verfolgung im Herkunftsstaat ausgesetzt sei.
5 Die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde wurde von diesem mit Beschluss vom 27. November 2023, E 3325/2023 5, abgelehnt und über nachträglich gestellten Antrag mit Beschluss vom 6. Dezember 2023, E 3325/2023 7, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht.
6 Nach Vorlage der Revision samt den Verfahrensakten durch das Bundesverwaltungsgericht und nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof wurde keine Revisionsbeantwortung erstattet.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vor, es seien zahlreiche äußere auf eine homosexuelle Orientierung des Revisionswerbers hindeutende Umstände vorgelegen, welche in Zusammenschau mit dem Vorbringen des Revisionswerbers die beweiswürdigenden Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts, der Revisionswerber habe nicht glaubhaft machen können, homosexuell zu sein, nicht nachvollziehbar machten. Insbesondere habe sich das Bundesverwaltungsgericht über wesentliches Vorbringen und zahlreiche Beweisergebnisse, die für die Homosexualität des Revisionswerbers sprechen würden, begründungslos hinweggesetzt. Vor dem Hintergrund der in der Revision näher aufgezählten Beweismittel und der widersprüchlichen Zeugenaussagen des Zeugen V. S. hätte das Bundesverwaltungsgericht von einer Glaubwürdigkeit der Verfolgung des Revisionswerbers ausgehen müssen. Auch die Beweiswürdigung im angefochtenen Erkenntnis zu den vorgebrachten Gründen für die Flucht aus Ägypten halte vor dem Hintergrund, dass der Revisionswerber in der mündlichen Verhandlung die Narbe der Schusswunde auf seinem rechten Oberschenkel gezeigt habe, den Anforderungen an die Begründungspflicht nicht stand.
11 Zunächst ist dazu auszuführen, dass die Revision eine die tragenden Grundsätze des Verfahrensrechts berührende Verkennung der Begründungspflicht (vgl. dazu etwa VwGH 24.6.2020, Ra 2019/20/0536, mwN) nicht aufzuzeigen vermag. Aus den getroffenen Feststellungen und den beweiswürdigenden Überlegungen des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich nachvollziehbar, dass das Bundesverwaltungsgericht dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers, insbesondere seinen Angaben zu der von ihm behaupteten Homosexualität wie auch zu den gewaltsamen Übergriffen mit näherer Begründung keine Glaubwürdigkeit zumaß und auf Basis dieser Überlegungen zu dem Ergebnis kam, dass der Revisionswerber bei seiner Rückkehr in sein Heimatland keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre.
12 Vielmehr begegnet die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts über weite Strecken in erster Linie damit, ihre eigene Beurteilung in mehreren Aspekten an die Stelle jener des Bundesverwaltungsgerichts zu setzen.
13 Soweit sich die Revision damit gegen die beweiswürdigenden Überlegungen des Bundesverwaltungsgerichts wendet und vorbringt, das Bundesverwaltungsgericht habe seine Beweiswürdigung unschlüssig begründet und habe auch die „SOGI Richtlinien“ des UNHCR zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit einer vorgebrachten Homosexualität nicht berücksichtigt, ist darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Bundesverwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 12.9.2022, Ra 2022/14/0219, mwN).
14 Das Bundesverwaltungsgericht hat dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers unter mehreren Gesichtspunkten die Glaubwürdigkeit abgesprochen und im Rahmen seiner Erwägungen nachvollziehbar aufgezeigt, welche Aspekte nach Ansicht des Gerichts gegen eine dem Revisionswerber in seinem Herkunftsstaat tatsächlich drohende Verfolgung sprechen. Diese Annahme stützte das Bundesverwaltungsgericht sowohl auf den in der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck des Revisionswerbers und des Zeugen V. S. als auch auf zahlreiche Ungereimtheiten in den Aussagen des Revisionswerbers zu seiner sexuellen Orientierung sowie auf Widersprüche in den unterschiedlichen Angaben zu den Fluchtgründen. Entgegen dem Vorbringen in der Zulässigkeitsbegründung der Revision setzte sich das Bundesverwaltungsgericht in seinen beweiswürdigenden Überlegungen mit den vorgelegten Chatprotokollen, den behaupteten sexuellen Kontakten zwischen dem Revisionswerber und dem Zeugen V. S. auseinander und berücksichtigte auch die Beratungsgespräche des Revisionswerbers mit dem Verein Q. B., sowie dass er in einer Unterkunft für Bedürftige wohnt. Vor diesem Hintergrund schenkte das Bundesverwaltungsgericht wie schon zuvor das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Vorbringen des Revisionswerbers zu den Gründen einer Verfolgung im Herkunftsstaat keinen Glauben.
15 Eine Mangelhaftigkeit der Beweiswürdigung im Rahmen des dargelegten Maßstabes für das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zeigt die Revision mit ihren Ausführungen, die nur einzelne Aspekte der umfangreichen beweiswürdigenden Überlegungen des Bundesverwaltungsgerichts herausgreifen, nicht auf. Die Revision zeigt auch im Lichte der vom Bundesverwaltungsgericht zitierten und im Rahmen der Beweiswürdigung beachteten SOGI Richtlinien des UNHCR nicht auf, dass diese Beurteilung an einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangelhaftigkeit leiden würde bzw. insgesamt unvertretbar wäre.
16 Soweit die Revision an mehreren Stellen in der Zulässigkeitsbegründung moniert, das Bundesverwaltungsgericht hätte weitere Ermittlungen anstellen müssen und insbesondere Sachverständigengutachten zur Narbe des Revisionswerbers oder der Manipulationsmöglichkeiten der vorgelegten Beweise einholen müssen und damit einen Ermittlungsmangel geltend macht, fehlt es diesem Vorbringen schon an der für die Geltendmachung eines Verfahrensmangels erforderlichen Relevanzdarstellung (vgl. zu den Anforderungen an die Relevanzdarstellung VwGH 17.11.2022, Ra 2022/14/0288; zu Narben insbesondere VwGH 22.1.2021, Ra 2020/01/0482, jeweils mwN).
17 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 15. Juli 2024