Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr. in Lachmayer als Richter und Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des Bürgermeisters der Marktgemeinde P, vertreten durch die Priller Rechtsanwalts GmbH in 5142 Eggelsberg, Salzburger Straße 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 16. Mai 2024, Zl. LVwG 451107/25/HW/VEP, betreffend ergänzende Kanalanschlussgebühr (mitbeteiligte Partei: S GmbH in P, vertreten durch die DKFE Rechtsanwälte GmbH Co KG in 4020 Linz, Stelzhamerstraße 2/26), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Marktgemeinde P hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Zur Vorgeschichte wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. November 2023, Ra 2022/13/0083, verwiesen, mit dem das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts vom 24. Mai 2022 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben wurde. Der Verwaltungsgerichtshof sprach damals aus, dass das Landesverwaltungsgericht entgegen der hg. Rechtsprechung für die Ermittlung des Nutzens des Kanalanschlusses für die Liegenschaft lediglich die Kosten für die Errichtung der Senkgrube herangezogen und nicht die Kosten für die Errichtung einer Anlage für die umweltgerechte Entsorgung der Abwässer (Kläranlage) berücksichtigt habe, die der Betroffene (bei unterstelltem fehlenden Anschluss an die Anlage der Gemeinde) selbst hätte errichten oder (mit)finanzieren müssen.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht im fortgesetzten Verfahren der Beschwerde erneut Folge und hob den angefochtenen Bescheid ersatzlos auf. Es stellte fest, dass zum Stichtag August 2017 die fiktiven Kosten für die Errichtung einer flüssigkeitsdichten Senkgrube für das revisionsgegenständliche Grundstück 18.700 € betragen hätten. Die Instandhaltungs- und Wiedererrichtungskosten hätten sich zum Stichtag August 2017 auf (kapitalisiert) 6.310 € und die kapitalisierten Verwaltungskosten auf 4.675 € belaufen. Die Entsorgung von Senkgrubeninhalten in das bestehende Abwasserentsorgungssystem sei möglich. Entsprechend der Senkgruben-Tarifordnung wäre einmalig ein Infrastrukturbeitrag je Betriebsobjekt in Höhe von 339,05 € angefallen. Umgelegt auf den ermittelten Abwasseranfall von ca. 29,8 m 3 pro Monat würde sich zudem ein jährliches Abfuhr- und Entsorgungsentgelt in Höhe von ca. 3.132,60 € ergeben. Zum Stichtag August 2017 hätten die fiktiven Errichtungskosten einer Kläranlage als theoretische Alternative zu einer Senkgrube 24.100 € mit einem geeigneten Vorfluter, bei dem keine weitergehende Reinigung mehr erforderlich sei, und 28.780 € mit einem Vorfluter, bei dem eine weitergehende Reinigung erforderlich sei, betragen.
3 Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 Oö. Interessentenbeiträge-Gesetz 1958 (in der Folge: „Oö. IBG“) dürfe an Interessentenbeiträgen jeweils nicht mehr erhoben werden, als den von der Gemeinde geleisteten oder voranschlagsmäßig zu leistenden Aufwendungen entspreche. Die Höhe der Interessentenbeiträge dürfe nach Satz 2 leg. cit. ferner nicht in einem wirtschaftlich ungerechtfertigten Missverhältnis zum Wert der die Beitragspflicht begründenden Liegenschaft und überdies zu dem für die Liegenschaft aus der Anlage oder Einrichtung entstehenden Nutzen stehen. Nach dem insofern eindeutigen Wortlaut des § 1 Abs. 3 Satz 2 Oö. IBG könne sich ein wirtschaftlich ungerechtfertigtes Missverhältnis daher entweder aus der Höhe der Interessentenbeiträge im Vergleich zu dem Wert der die Beitragspflicht begründenden Liegenschaft oder im Vergleich zu dem für die Liegenschaft aus der Anlage der Einrichtung entstehenden Nutzen ergeben.
4 Die Summe der bisher geleisteten Kanalanschlussgebühren habe zuzüglich der strittigen zu entrichtenden Ergänzungsgebühr 63.306,46 € betragen. Bei entsprechender Valorisierung, bezogen auf den Zeitpunkt, in dem der Abgabenanspruch für die Ergänzungsgebühr entstanden sei, betrage die Summe der bisher geleisteten (valorisierten) Kanalanschlussgebühren einschließlich der strittigen zu entrichtenden Ergänzungsgebühr mehr als 65.000 €. Zur Vornahme des Kosten-Nutzen-Vergleichs habe der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 22. November 2023, Ra 2022/13/0083, festgehalten, dass der für die Liegenschaft aus der Kanalanlage entstehende Nutzen nicht bloß den Kosten einer Senkgrube gegenübergestellt werden könne, weil darin lediglich die Abwässer gesammelt würden und in der Folge erst recht kostenaufwendig entsorgt werden müssten. Der Nutzen aus dem Anschluss an die Kanalisationsanlage liege, so der Verwaltungsgerichtshof, auch in der Entsorgung und umweltgerechten Weiterbehandlung der Abwässer aus der Liegenschaft.
5 Der Summe an bisher geleisteten valorisierten Kanalanschlussgebühren einschließlich der mit dem angefochtenen Bescheid vorgeschriebenen Ergänzungsgebühr von insgesamt deutlich über 60.000 € stünden Kosten für den sich aus dem Kanalanschluss ergebenden Nutzen in Höhe von rund insgesamt 25.350 € (Errichtungskosten Senkgrube, einmaliger Infrastrukturkostenbeitrag, Instandhaltungs- und Wiedererrichtungskosten) und damit von jedenfalls weniger als der Hälfte gegenüber. Daran würde sogar eine Hinzurechnung der in der Stellungnahme vom 4. Februar 2019 angeführten kapitalisierten Verwaltungskosten in Höhe von 4.675 € nichts ändern. Auch die fiktiven Kosten für die theoretische Alternative der Errichtung einer Kläranlage zur Entsorgung der Abwässer aus der Liegenschaft lägen unter 30.000 € und damit ebenfalls deutlich unter der Hälfte der Summe an bisher geleisteten valorisierten Kanalanschlussgebühren (einschließlich der mit dem angefochtenen Bescheid vorgeschriebenen Ergänzungsgebühr). Im Ergebnis würde daher die Summe der bisher geleisteten Kanalanschlussgebühren einschließlich der mit dem angefochtenen Bescheid nunmehr festgesetzten Ergänzungsgebühr den mit jedenfalls unter 30.000 € bewerteten Gesamtnutzen für den Kanalanschluss der gesamten Liegenschaft - und zwar bei beiden der theoretisch möglichen Alternativen (Senkgrube bzw. Kläranlage) sowie bereits unabhängig von einer vorzunehmenden Valorisierung der bereits entrichteten Kanalanschlussgebühren - um deutlich mehr als das Doppelte übersteigen, sodass bei Vorschreibung der mit dem angefochtenen Bescheid festgesetzten Ergänzungsgebühr ein wirtschaftlich ungerechtfertigtes Missverhältnis im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 2 Oö. IBG vorliege.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Amtsrevision, die zu ihrer Zulässigkeit folgendes vorbringt:
„In ständiger Rechtsprechung zu § 1 Abs. 3 Oö. IBG hielt der Verwaltungsgerichtshof fest, dass stets auf den Wert der gesamten Liegenschaft und der für die (gesamte) Liegenschaft aus der Anlage oder Errichtung entstehenden Gesamtnutzen jeweils der Summe aller für die Liegenschaft geleisteten Anschlussgebühren gegenüberzustellen ist. Im Hinblick darauf kommt es eben nicht nur auf die Verhältnismäßigkeit zwischen der Höhe der Interessentenbeiträge einerseits und den fiktiven Kosten einer Abwasserbeseitigungsanlage andererseits, sondern zusätzlich auch auf den Wert der gesamten Liegenschaft und den sich aus dem Anschluss an die Kanalisationsanlage für die Liegenschaft ergebenden Gesamtnutzen an (...).
Da das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich dies verkannte und daher mit seinem Erkenntnis von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit iSd § 1 Oö. IBG abweicht, liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B VG vor und ist die außerordentliche Revision daher zulässig.“
7 Die mitbeteiligte Partei hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen vor, das Verwaltungsgericht hätte auch den Wert der Liegenschaft in seine Beurteilung miteinbeziehen müssen. Mit diesem Vorbringen kann aber die Zulässigkeit der Revision nicht aufgezeigt werden:
Nach § 1 Abs. 3 Satz 2 Oö. IBG darf die Höhe der Interessentenbeiträge nicht in einem wirtschaftlich ungerechtfertigten Missverhältnis zum Wert der die Beitragspflicht begründenden Liegenschaft und überdies zu dem für die Liegenschaft aus der Anlage oder Einrichtung entstehenden Nutzen stehen. Das Landesverwaltungsgericht ging zutreffend davon aus, dass demnach (weitere) Interessentenbeiträge dann nicht erhoben werden dürfen, wenn ein derartiges Missverhältnis (alternativ, nicht kumulativ) entweder zum Wert der Liegenschaft oder zum Nutzen aus der Anlage besteht (vgl. VwGH 24.1.2000, 99/17/0270; 25.4.2005, 2004/17/0193). Dass ein derartiges Missverhältnis der Höhe der Interessentenbeiträge zum Nutzen aus der Anlage (im Sinne der Kosten einer anderen gesetzlich zulässigen Abwasserbeseitigung; vgl. dazu das Vorerkenntnis) besteht, wird in der Revision nicht bestritten.
12 Die Revision war daher zurückzuweisen.
13 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 51 VwGG, in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 15. April 2025
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