Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Samm und den Hofrat Dr. Faber sowie die Hofrätin Dr. in Oswald als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Janitsch, über die Revision des Magistrats der Stadt Wien (an dessen Stelle gemäß § 22 VwGG eingetreten: [damals:] Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz) gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 7. August 2024, Zl. VGW 021/014/15883/2023 4, betreffend Übertretungen des Tabak und Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucherschutzgesetzes (mitbeteiligte Partei: S R in W, vertreten durch Mag. Kamen Sirakov, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Marokkanergasse 22/6), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Mit Straferkenntnis der belangten und nunmehr revisionswerbenden Behörde vom 9. November 2023 wurde der Mitbeteiligte schuldig erkannt, er habe als Inhaber eines Einzelunternehmens zu verantworten, dass im Zuge einer Kontrolle zu einem näher genannten Zeitpunkt an einem näher bestimmten Ort durch näher genannte Tathandlungen gegen § 8c Abs. 1 und 3 iVm § 14 Abs. 1 Z 3 und jeweils iVm § 14 Abs. 1 Z 5 gegen § 10f Abs. 1 und § 10f Abs. 4 iVm § 5d Abs. 1 Z 1, 2 und 4 des Tabak und Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucherschutzgesetzes TNRSG verstoßen wurde (Spruchpunkte 1. bis 3. sowie 5. und 6.). Mit Spruchpunkt 4. dieses Straferkenntnisses wurde der Mitbeteiligte schuldig erkannt, er habe als Inhaber des Einzelunternehmens zu einem bestimmten Zeitpunkt gegen § 2a iVm § 14 Abs. 1 Z 2 TNRSG verstoßen, indem im Onlineshop des Unternehmens über eine näher bestimmte Webseite diverse Sorten eines namentlich genannten „Tabaks“, bei dem es sich um ein pflanzliches Raucherzeugnis iSd § 1 Z 1d TNRSG handle, in Dosen zu je 200 Gramm zum Preis von € 13,90 angeboten wurden und damit Verbrauchern im Weg des Versandhandels Zugang zu pflanzlichen Raucherzeugnissen ermöglicht wurde.
2 Über den Mitbeteiligten wurde deswegen für jeden Spruchpunkt eine Geldstrafe von € 2.000, (Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Tagen) verhängt und ihm ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vorgeschrieben.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der dagegen erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten Folge, hob das Straferkenntnis auf und stellte das Verfahren zu allen Spruchpunkten gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG ein. Das Verwaltungsgericht sprach weiters aus, dass der Mitbeteiligte gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten habe. Eine Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig.
4 Das Verwaltungsgericht stellte, soweit hier maßgeblich, zu Spruchpunkt 4. des verwaltungsbehördlichen Straferkenntnisses fest, der Mitbeteiligte habe zum Tatzeitpunkt auf der genannten Webseite mit dem Vermerk „Ausverkauft“ versehene, namentlich genannte Produkte in 200 g Dosen zum Preis von € 13,90 angeboten.
5 Das Verbot des Versandhandels gemäß § 2a TNRSG erfasse nach der Legaldefinition des § 1 Z 12 TNRSG Versand und Lieferung von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen insbesondere durch Herstellerinnen, Importeurinnen und Händlerinnen an Verbraucherinnen. Im Gegensatz zu § 1 Abs. 4 GewO 1994 enthalte das TNRSG keine Regelung, nach der das Anbieten einer nach diesem Gesetz verbotenen Tätigkeit (hier des Versandhandels) dieser gleichzuhalten sei. Für eine Analogie bestehe im Verwaltungsstrafrecht kein Raum. Es gebe keinen stichhaltigen Anhaltspunkt dafür, dass das Unternehmen zum Tatzeitpunkt tatsächlich pflanzliche Raucherzeugnisse an Verbraucherinnen versendet bzw. geliefert habe.
6 Der Revisionswerber habe daher die ihm in Spruchpunkt 4. des verwaltungsbehördlichen Straferkenntnisses angelastete Verwaltungsübertretung nicht begangen.
7 Gegen dieses Erkenntnis (seinem ganzen Umfang nach) richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht. Der Verwaltungsgerichtshof leitete hinsichtlich der Aufhebung von Punkt. 4 des verwaltungsbehördlichen Straferkenntnisses das Vorverfahren ein, in welchem der Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattete. Der Bundesminister für (damals) Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz erklärte gemäß § 22 VwGG seinen Eintritt in das Revisionsverfahren.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 In der demnach für die Zulässigkeit der Revision allein maßgeblichen Zulässigkeitsbegründung wird ausschließlich vorgebracht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob das Betreiben eines Online-Shops und das dortige Anbieten von verwandten Erzeugnissen iSd § 1 Z 1e TNRSG gegen das Versandhandelsverbot gemäß § 2a TNRSG verstoße.
12 Ob eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nach Entscheidung des Verwaltungsgerichtes oder selbst nach Einbringung der Revision bereits geklärt, ist eine Revision wegen fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht (mehr) zulässig (vgl. VwGH 22.11.2023, Ra 2021/11/0162, mwN).
13 Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 29. April 2025, Ra 2024/11/0084, ausgeführt, dass die Verwirklichung des Deliktes des § 2a TNRSG (Verbot des Versandhandels) gemäß der Legaldefinition des § 1 Z 12 TNRSG erfordert, dass ein Versand bzw. eine Lieferung stattfanden. Auf die nähere Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG verwiesen.
14 Angesichts der verwaltungsgerichtlichen Feststellungen, nach denen die gegenständlichen Produkte auf der Webseite (nur) angeboten wurden, kann im Revisionsfall nicht zu Grunde gelegt werden, dass ein Versand oder eine Lieferung von Tabakerzeugnissen oder verwandten Erzeugnissen erfolgte. Anderes wird in der Revision auch nicht vorgebracht.
15 Zu den anderen, mit dem angefochtenen Erkenntnis ebenfalls aufgehobenen Spruchpunkten des verwaltungsbehördlichen Straferkenntnisses enthält die Zulässigkeitsbegründung der Revision kein Vorbringen.
16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
17 Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 11. Juli 2025