JudikaturVwGH

Ro 2024/10/0026 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
04. Juni 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie den Hofrat Dr. Lukasser und die Hofrätin Mag. Zehetner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision der Bildungsdirektion für Oberösterreich gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 4. Oktober 2024, Zl. L524 2298929 1/5E, betreffend Untersagung der Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht und Anordnung der Erfüllung der Schulpflicht iSd § 5 Schulpflichtgesetz 1985, jeweils für das Schuljahr 2024/2025 (mitbeteiligte Partei: mj. R K in N, vertreten durch Zauner Schachermayr Koller Partner, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Graben 21), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Bund hat dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

1 1.1. Mit Bescheid vom 30. August 2024 untersagte die Bildungsdirektion für Oberösterreich die nunmehrige Revisionswerberin gestützt auf § 11 Schulpflichtgesetz 1985 (SchPflG) die Teilnahme des Mitbeteiligten am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht und ordnete an, dass der Mitbeteiligte die Schulpflicht durch den Besuch einer öffentlichen allgemeinbildenden Pflichtschule oder einer mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Privatschule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu erfüllen habe.

2 1.2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 4. Oktober 2024 gab das Bundesverwaltungsgericht einer dagegen erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten teilweise statt und änderte den Bescheid dahin ab, dass die Teilnahme des Mitbeteiligten am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht für das Schuljahr 2024/2025 untersagt und angeordnet wurde, dass der Mitbeteiligte die Schulpflicht im Schuljahr 2024/2025 im Sinne des § 5 SchPflG zu erfüllen habe, wobei das Verwaltungsgericht die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG zuließ.

3 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung im Wesentlichen zugrunde, der Mitbeteiligte habe im Schuljahr 2023/2024 (der 1. Schulstufe des Mitbeteiligten) an häuslichem Unterricht teilgenommen. Er sei zur Externistenprüfung angetreten; allerdings sei in einem Pflichtgegenstand (Deutsch) eine Beurteilung mit „Nicht genügend“ erfolgt.

4 Der Mitbeteiligte habe somit die Externistenprüfung nicht bestanden. (Ein dagegen erhobener Widerspruch sei mit Bescheid der Revisionswerberin vom 3. Juli 2024 unter Festsetzung der Beurteilung im Pflichtgegenstand Deutsch mit „Nicht genügend“ abgewiesen worden; eine gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde habe das Bundesverwaltungsgericht mit [beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpftem] Erkenntnis vom 19. August 2024 abgewiesen.)

5 Mit Schreiben vom 3. Juli 2024 sei der Revisionswerberin die Teilnahme des Mitbeteiligten am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht im Schuljahr 2024/2025 angezeigt worden.

6 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Mitbeteiligte habe den „Nachweis des zureichenden Erfolges des Unterrichtes“ iSd § 11 Abs. 4 SchPflG für das Schuljahr 2023/2024 angesichts der nicht bestandenen Externistenprüfung (Hinweis auf VwGH 27.3.2014, 2012/10/0154) nicht erbracht, sodass gemäß § 11 Abs. 6 Z 6 SchPflG die (angezeigte) Teilnahme am Unterricht an einer Pflichtschule ohne Öffentlichkeitsrecht zu untersagen und die Erfüllung der Schulpflicht durch einen Schulbesuch (iSd § 5 SchPflG) anzuordnen sei.

7 Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 26. Jänner 2023, Ro 2022/10/0004, „klargestellt, dass die Anordnung, die Schulpflicht im Sinne des § 5 Schulpflichtgesetz zu erfüllen, die restliche Dauer der Schulpflicht umfasst“.

8 Allerdings habe der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 25. Juni 2024, G 3494/2023 u.a., (unter anderem) ausgesprochen, dass es sich bei § 11 Abs. 6 SchPflG idF BGBl. I Nr. 37/2023 um ein neues Regelungssystem handle, das mit § 11 Abs. 4 SchPlfG idF BGBl. I Nr. 35/2018 nicht vergleichbar sei; die Auslegung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 11 Abs. 4 SchPflG idF BGBl. I Nr. 35/2018 könne daher nicht ohne Weiteres auf den geltenden § 11 Abs. 6 SchPflG idF BGBl. I Nr. 37/2023 übertragen werden. Eine Auslegung (der zuletzt genannten Bestimmung) mit dem Ergebnis, dass die Untersagung der Teilnahme an häuslichem Unterricht auch die Erfüllung der Schulpflicht in einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht „auf Dauer unzulässig werden lässt“, wäre „aus Sachlichkeitsgesichtspunkten verfassungsrechtlich bedenklich“. Nach dem Regelungssystem des § 11 Abs. 6 SchPflG idF BGBl. I Nr. 37/2023 habe die Bildungsdirektion im Rahmen des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens über eine Untersagung des häuslichen Unterrichts und Anordnung des Schulbesuchs im Einzelfall anhand der jeweils unterschiedlich zum Tragen kommenden Tatbestände zu ermitteln, in welcher Art die Erfüllung der Schulpflicht und in welchem Umfang die Untersagung des häuslichen Unterrichts anzuordnen sei, und diese Entscheidung zu begründen.

9 Aufgrund dieses Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs ging das Verwaltungsgericht davon aus, es habe für bestimmte Schuljahre oder für die gesamte restliche Schulpflicht die Art der Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht festzulegen, und erachtete es aufgrund der Umstände des konkreten Falles als „weder erforderlich noch zulässig, die Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht auf Dauer zu untersagen“ (wie dies die Revisionswerberin in ihrem vor dem Verwaltungsgericht bekämpften Bescheid getan hatte).

10 Die Zulassung der (ordentlichen) Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass seine Entscheidung von der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 26.1.2023, Ro 2022/10/0004), wonach die Anordnung, die Schulpflicht im Sinne des § 5 SchPflG zu erfüllen, die restliche Dauer der Schulpflicht umfasse, abweiche, indem das Verwaltungsgericht die Erfüllung der Schulpflicht im Sinne des § 5 SchPflG (nur) für ein Schuljahr anordne.

11 1.3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (ordentliche) Revision, welche zu ihrer Zulässigkeit ebenfalls auf die Abweichung des angefochtenen Erkenntnisses von der erwähnten hg. Rechtsprechung hinweist und mit Blick auf die „zwei höchstgerichtlichen Entscheidungen, welche inhaltlich klar voneinander abweichen“, ergänzend zur Zulassungsbegründung des Verwaltungsgerichtes Rechtsfragen zur Auslegung des „nunmehr geltenden § 11 Abs. 6 Schulpflichtgesetz 1985 idF BGBl I Nr. 37/2023“ unterbreitet.

12 Der Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der er im Wesentlichen unter Berufung auf das zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes G 3494/2023 u.a. die kostenpflichtige Zurückweisung, in eventu Abweisung der Revision beantragt.

13 2. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

14 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein Beschluss nach § 34 Abs. 1 VwGG ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (§ 34 Abs. 3 VwGG).

15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

16 3.1. Die Frage, ob die Voraussetzung des Art. 133 Abs. 4 B VG also eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nach Einbringung der Revision bereits geklärt, liegt keine Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. etwa VwGH 23.10.2014, Ra 2014/07/0080, mwN).

17 3.2. Die in der Zulassungsbegründung des Verwaltungsgerichtes und in den Zulässigkeitsausführungen der Revisionswerberin angesprochenen Rechtsfragen wurden mittlerweile durch das hg. Erkenntnis vom 24. April 2025, Ro 2014/10/0019, geklärt.

18 Der Gerichtshof hat sich darin angesichts der geänderten Rechtslage der vom Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis G 3494/2023 u.a. vertretenen Rechtsansicht angeschlossen, wonach die Behörde im Rahmen des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens über eine Untersagung des häuslichen Unterrichts und Anordnung des Schulbesuchs im Einzelfall anhand der jeweils unterschiedlich zum Tragen kommenden Tatbestände zu ermitteln hat, in welcher Art die Erfüllung der Schulpflicht und in welchem Umfang die Untersagung des häuslichen Unterrichts anzuordnen ist, und diese Entscheidung zu begründen hat (vgl. Rz 16 des Erkenntnisses Ro 2014/10/0019).

19 Das Verwaltungsgericht hat dem im Übrigen im angefochtenen Erkenntnis entsprochen.

20 4. Im Revisionsfall werden somit keine Rechtsfragen (mehr) aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

21 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil die damit verzeichnete Umsatzsteuer in diesen Normen keine Deckung findet (vgl. etwa VwGH 12.8.2020, Ra 2019/05/0245 bis 0275, mwN).

Wien, am 4. Juni 2025

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