Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed und die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer Kober sowie Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Andrés, über die Revision der J GmbH in E, vertreten durch die Stolz Weiglhofer Russegger Rechtsanwälte GmbH in 5550 Radstadt, Schernbergstraße 19, gegen das am 6. Juni 2024 verkündete und am 1. Juli 2024 ausgefertigte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg, 405 4/6243/1/4 2024, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 8. Juli 2024, 405 4/6243/1/6 2024 betreffend Bewilligung gemäß § 84 StVO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg (Verwaltungsgericht) wurde der Antrag der revisionswerbenden Partei auf Erteilung einer Bewilligung gemäß § 84 Abs. 3 StVO nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgewiesen. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.
2 Das Verwaltungsgericht stellte fest, die revisionswerbende Partei wolle auf dem Grundstück 446/3, KG G., im unmittelbaren Nahebereich oberhalb der B 99 eine Ankündigungsanlage (Werbetafel) mit Außenmaßen von rd. 6,7 x 3,5 Meter errichten, die für die Verkehrsteilnehmer auf der B 99 vor allem in Fahrtrichtung E. einsichtig sei. Auf Basis der vorstehend wiedergegebenen Ausführungen des verkehrstechnischen Sachverständigen sei von dieser Anlage eine Beeinträchtigung des Straßenverkehrs und der Verkehrssicherheit ableitbar.
3 Rechtlich führte das Verwaltungsgericht unter Berufung auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aus, es sei bei der Beurteilung der Voraussetzungen im Sinne von § 84 Abs. 3 StVO ein strenger Maßstab anzulegen. Der Sachverständige habe seine Beurteilung vor allem darauf gestützt, dass sich die Verkehrsbeeinträchtigung durch die Ankündigungsanlage vor allem aus der konkreten Konstellation des Fahrbahnverlaufes unter Berücksichtigung der dort zulässigen Geschwindigkeit und der Wahrnehmungs und Beobachtungserfordernisse der Verkehrsteilnehmer, insbesondere aus der Situation des dortigen Straßenverlaufes mit den straßenverkehrsbezogenen Erfordernissen (Übergang des Straßenverlaufes von einer Geraden in einen kurvigen Bereich mit einer grundsätzlich zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h, stark verkürzte Sichtweiten aus der Eisenbahnunterführungssituation, Ankündigung einer Kreuzungssituation, wenig verkehrsmäßige Relevanz der Ankündigungsanlage) ergebe und es sei daraus eine Beeinträchtigung des Straßenverkehrs und der Verkehrssicherheit schlüssig abzuleiten und folglich anzunehmen.
4 Werbungen und Ankündigungen dürften grundsätzlich dann nicht bewilligt werden, wenn vom Vorhaben eine Beeinträchtigung des Straßenverkehrs zu erwarten sei. Aus diesem Grund dürften Werbungen und Ankündigungen, die geeignet seien, die Aufmerksamkeit des Fahrzeuglenkers in übermäßiger Weise zu beanspruchen oder diesen von der Einhaltung seiner Pflichten ablenken, nicht bewilligt werden. Dies gelte insbesondere dann, wenn sich die Werbungen oder Ankündigungen an einer bekannt gefährlichen oder unübersichtlichen Straßenstelle befinden sollten. Aus den Sachverständigenausführungen sei unabhängig von einer konkreten Bezifferung eines Beeinträchtigungsausmaßes davon auszugehen, dass in Ansehung der konkreten örtlichen Gegebenheiten ein Beeinträchtigungsausmaß abzuleiten sei, das einer Bewilligung dieser Anlage entgegenstehe. Es sei festzuhalten, dass die gesetzliche Ausgangslage ausdrücklich eine entsprechende Erheblichkeit einer Beeinträchtigung nicht vorsehe und somit allein auf Basis der vom Sachverständigen aufgezeigten Beeinträchtigungsumstände diese der vorliegend beantragten Bewilligung entgegenstünden.
5 Zur Nichteinholung eines verkehrspsychologischen Gutachtens führte das Verwaltungsgericht aus, ein Gefährdungsmoment im Sinne des diesbezüglichen Vorbringens sei nicht Ablehnungsvoraussetzung im Sinne von § 84 Abs. 3 StVO; somit sei die vorliegende Entscheidung allein auf Basis der Beurteilung des verkehrstechnischen Amtssachverständigen und der daraus schlüssig nachvollziehbaren Darstellung seiner Beeinträchtigungsaspekte zu treffen gewesen.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Die revisionswerbende Partei bringt zur Zulässigkeit ihrer Revision vor, es sei zu prüfen gewesen, ob von dem Vorhaben der revisionswerbenden Partei eine Beeinträchtigung des Straßenverkehrs und der Verkehrssicherheit unter Berücksichtigung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit zu erwarten sei.
11 Aus den Sachverhaltsfeststellungen sei erkennbar, dass vor einer geschätzt etwa 30 bis 40 gradigen lang gezogenen Linkskurve in direktem Gesichtsfeld eines Verkehrsteilnehmers oberhalb der Straße die beantragte Werbeankündigung, aufgestellt im Bauland der Widmungskategorie „erweitertes Wohngebiet“, geplant sei. Der Amtssachverständige habe ausgeführt, die Anlage würde „das Risiko einer Beeinflussung erhöhen“, er könne das konkrete Ausmaß dieser Risikoerhöhung allerdings nicht festlegen und dezidiert bestimmen. Damit fehle aber eine nachvollziehbare, mit den Regeln der Wissenschaft in Einklang zu bringende Beurteilung, ob tatsächlich durch die Anlage der revisionswerbenden Partei eine Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit und damit eine Gefährdung der Verkehrsteilnehmer zu erwarten sei, weshalb kein Gutachten vorliege. Der beigezogene Amtssachverständige gehöre dem Amt der Salzburger Landesregierung an und sei dieses Referat für Straßenbau und Verkehrsplanung zuständig; im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie sei dieser auf der Liste der beigezogenen Amtssachverständigen nicht ersichtlich, weshalb die revisionswerbende Partei in der Verhandlung die Einholung eines verkehrspsychologischen Gutachtens beantragt habe. Aus den allgemein gehaltenen Äußerungen des Sachverständigen sei nicht nachvollziehbar, inwieweit ein Ablenkungseffekt durch die Werbeanlage der revisionswerbenden Partei eine Beeinträchtigung des Straßenverkehrs und der Verkehrssicherheit zu bewirken in der Lage sein solle. Dadurch, dass das vorliegende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes „weder physikalisch nachvollziehbar noch verkehrspsychologisch ermittelt die Anlage der Revisionswerberin als den Straßenverkehr und die Verkehrssicherheit beeinträchtigend qualifiziert“ worden sei, werde durch das bekämpfte Erkenntnis ein die Rechtssicherheit gefährdendes, unvertretbares Ergebnis geschaffen.
12 Der Sachverständigenbeweis solle dazu dienen, nachvollziehbar darzustellen, inwieweit in concreto eine Blickzuwendung zu dem Werbebanner der revisionswerbenden Partei geeignet sein solle, die Aufmerksamkeit vom Straßenverkehr abzulenken.
13 Bei einem „nachvollziehbaren Beweisergebnis“ dürfe der Normunterworfene erwarten, dass unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Untersuchungen durch einen Sachverständigen dargestellt werde, ob tatsächlich durch das Auftauchen der Werbeanlage im Blickfeld eines Verkehrsteilnehmers die Aufmerksamkeit von der Straße abgelenkt werde, ob das Verkehrsgeschehen, wie es sich vor einem Verkehrsteilnehmer darstelle, nicht mehr oder nur in einem die Sicherheit beeinträchtigenden Maße wahrgenommen werden könne, und inwieweit sich dadurch die Reaktionsbereitschaft auf das Verkehrsgeschehen und den Straßenverlauf nachteilig für die Verkehrssicherheit verändern könne.
14 Erst wenn durch eine derartige Beweisaufnahme die Sachverhaltsfeststellung möglich gemacht worden sei, hätte nachvollziehbar die Rechtsfrage im Sinne des § 84 Abs. 3 Z 3 StVO beurteilt werden können.
15 Eine bloß allgemein gehaltene Ausführung, wie sie der Sachverständige tatsächlich vorgenommen habe und in das angefochtene Erkenntnis übernommen worden sei, erzeuge Rechtsunsicherheit, der über den Einzelfall hinausgehend Bedeutung zukomme.
16 Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen:
17 Gemäß § 84 Abs. 3 StVO dürfen Ankündigungen dann nicht bewilligt werden, wenn vom Vorhaben eine Beeinträchtigung des Straßenverkehrs zu erwarten ist. Es genügt demnach bereits die Möglichkeit einer solchen Beeinträchtigung. Ob eine Beeinträchtigung des Straßenverkehrs zu erwarten ist, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab und hat die Behörde vor der Erteilung der Bewilligung, erforderlichenfalls unter Beiziehung eines Sachverständigen, zu beurteilen (vgl. VwGH 19.9.1990, 89/03/0169).
18 Dabei ist - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt - ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. VwGH 23.1.2009, 2008/02/0244, mwN).
19Nach der hg. Rechtsprechung ist die Würdigung eines Sachverständigengutachtens Teil der Beweiswürdigung. Der Verwaltungsgerichtshof ist als Rechtsinstanz tätig und zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen (vgl. VwGH 26.6.2019, Ra 2019/04/0036, mwN).
20 Soweit die revisionswerbende Partei der Ansicht ist, es wären zur Beurteilung der Frage, ob fallbezogen eine Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit zu erwarten sei, ergänzende Beweisaufnahmen insbesondere ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen gewesen, ist festzuhalten, dass es nach der ständigen hg. Rechtsprechung der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts unterliegt, ob eine Beweisaufnahme notwendig ist. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG liegt nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt ist und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hat (vgl. erneut VwGH 15.11.2019, Ra 2019/02/0170, mwN).
21 Im vorliegenden Fall stützte das Verwaltungsgericht seine rechtliche Beurteilung, wonach durch die Errichtung der Werbetafel eine Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit anzunehmen sei, auf ausreichende Sachverhaltsfeststellungen (Übergang des Straßenverlaufes von einer Geraden in einen kurvigen Bereich mit einer grundsätzlich zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h, stark verkürzte Sichtweiten aus der Eisenbahnunterführungssituation, Ankündigung einer Kreuzungssituation, wenig verkehrsmäßige Relevanz der Ankündigungsanlage). Ergänzend führte das Verwaltungsgericht aus, dass es auf eine erhebliche Gefährdung nicht ankomme und der genaue Grad der Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit nicht quantifiziert werden müsse, weshalb es von der Einholung eines verkehrspsychologischen Gutachtens absah. Die Revision legt weder dar, dass diese Einschätzung grob fehlerhaft war, noch zeigt sie konkret auf, inwiefern die Aufnahme weiterer Beweise zu einem anderen Verfahrensergebnis geführt hätte. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung wird mit diesem Vorbringen daher nicht aufgezeigt.
22 Inwiefern sich aus dem Vorbringen, der beigezogene Sachverständige scheine zwar beim Amt der Salzburger Landesregierung als Sachverständiger auf, nicht aber beim Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie eine Rechtfrage grundsätzlicher Bedeutung ergeben sollte, ist nicht ersichtlich.
23 In der Revision werden somit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 22. Oktober 2024