Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer Kober und Mag. Schindler als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Andrés, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Graz Umgebung gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 10. Juli 2024, LVwG 30.18 3753/2023 9, betreffend Übertretungen der StVO (mitbeteiligte Partei: P in N, vertreten durch Mag. Sarah Abel, Rechtsanwältin in 5020 Salzburg, Mildenburggasse 1/2), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Graz Umgebung vom 12. Oktober 2023 wurde dem Mitbeteiligten als handelsrechtlichem Geschäftsführer der S GmbH vorgeworfen, er habe elf Übertretungen des § 82 Abs. 1 StVO zu verantworten, weil in elf Fällen jeweils ein näher umschriebenes Fahrzeug zu einem bestimmten Tatzeitpunkt an einem näher bestimmten Tatort auf einem öffentlichen Parkplatz zu gewerblichen Zwecken abgestellt worden sei. Damit sei eine Straße zu anderen Zwecken als solchen des Straßenverkehrs benutzt worden, obwohl dafür keine Bewilligung der Behörde bestanden habe. Über den Mitbeteiligten wurden gemäß § 99 Abs. 3 lit. d StVO elf Geldstrafen von jeweils € 50, (Ersatzfreiheitsstrafe: jeweils 23 Stunden) verhängt.
2 Der dagegen erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten gab das Landesverwaltungsgericht Steiermark (Verwaltungsgericht) mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung Folge, es behob das bekämpfte Straferkenntnis und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG iVm § 38 VwGVG ein. Darüber hinaus sprach es aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision nicht zulässig sei.
3 In sachverhaltsmäßiger Hinsicht ging das Verwaltungsgericht unter anderem davon aus, dass der Mitbeteiligte handelsrechtlicher Geschäftsführer des oben genannten Unternehmens sei, die im Besitz einer Gewerbeberechtigung für die Vermietung von beweglichen Sachen sei. Der Hauptgegenstand des dem Mitbeteiligten angehörenden Unternehmens liege in der Vermietung von Kleintransportern mit einem näher genannten Gesamtgewicht für eine bestimmte Zeit an Kunden. Die Fahrzeuge, die eine näher bezeichnete Beschriftung aufweisen würden, würden über eine App vom Kunden gebucht und folglich für den jeweiligen Buchungszeitraum zur Verfügung gestellt. Sobald der Kunde beim Fahrzeug eintreffe, werde das Fahrzeug mittels Funk geöffnet. Nach Beendigung des Buchungszeitraums werde das Fahrzeug vom Kunden an den vom Unternehmen vorgegebenen Standort wieder abgestellt. Teilweise erfolge dies auf firmeneigenen Parkplätzen der Kooperationsunternehmen, teilweise auf öffentlichen Parkplätzen. Zwischen den jeweiligen Buchungen durch die Kunden würden die Transporter auf diesen Standorten verbleiben, ohne dass sie ihrem bestimmungsgemäßen Gebrauch entsprechend benützt würden oder in sonstiger Weise in Verwendung stünden. Die Standzeit dieser Mietfahrzeuge hänge vom jeweiligen Auslastungsgrad ab; über die Woche gerechnet betrage sie circa 55 Prozent, an Wochenenden oftmals rund 85 Prozent.
4 Nach Darstellung der Rechtslage und einschlägiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes führte das Verwaltungsgericht in rechtlicher Hinsicht aus, warum das zeitweise Abstellen der zur Vermietung angebotenen Fahrzeuge des Mitbeteiligten auf einem öffentlichen Parkplatz entgegen der Rechtsansicht der nunmehrigen Amtsrevisionswerberin keine verkehrsfremde Benützung dieser Straße im Sinne der Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit ohne Bewilligung nach § 99 Abs. 3 lit. d iVm § 82 Abs. 1 StVO darstelle.
5 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis nach Zulassung der Revision wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben, in eventu gemäß § 42 Abs. 4 VwGG in der Sache selbst zu entscheiden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
6 Die Amtsrevisionswerberin erachtet ihre Revision unter anderem als zulässig, weil Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Rechtsfrage fehle, ob das gewerbliche, entgeltliche Zurverfügungstellen von mehreren mietbaren Fahrzeugen für Kunden auf öffentlichen Parkplätzen eine Bewilligung gemäß § 82 Abs. 1 StVO erfordere.
7 Die Revision erweist sich mit Blick auf dieses Vorbringen als zulässig.
8 Sie ist jedoch nicht begründet.
9 Die für das Revisionsverfahren relevanten Vorschriften der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159/1960 idF BGBl. I Nr. 122/2022, lauten auszugsweise:
„ § 1. Geltungsbereich.
(1) Dieses Bundesgesetz gilt für Straßen mit öffentlichem Verkehr. Als solche gelten Straßen, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden können.
...
§ 2. Begriffsbestimmungen.
(1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt als
1. Straße: eine für den Fußgänger oder Fahrzeugverkehr bestimmte Landfläche samt den in ihrem Zuge befindlichen und diesem Verkehr dienenden baulichen Anlagen;
...
X. ABSCHNITT.
Benützung von Straßen zu verkehrsfremden Zwecken.
§ 82. Bewilligungspflicht.
(1) Für die Benützung von Straßen einschließlich des darüber befindlichen, für die Sicherheit des Straßenverkehrs in Betracht kommenden Luftraumes zu anderen Zwecken als zu solchen des Straßenverkehrs, z. B. zu gewerblichen Tätigkeiten und zur Werbung, ist unbeschadet sonstiger Rechtsvorschriften eine Bewilligung nach diesem Bundesgesetz erforderlich. Das gleiche gilt für Tätigkeiten, die geeignet sind, Menschenansammlungen auf der Straße herbeizuführen oder die Aufmerksamkeit der Lenker von Fahrzeugen zu beeinträchtigen.
(2) Eine Bewilligung nach Abs. 1 ist auch für das Aufstellen von Kraftfahrzeugen oder Anhängern ohne Kennzeichentafeln erforderlich.
(3) Eine Bewilligung nach Abs. 1 ist nicht erforderlich
...
c) für eine gewerbliche Tätigkeit, die ihrem Wesen nach auf der Straße ausgeübt wird und deren Betriebsanlage genehmigt ist,
...
§ 99. Strafbestimmungen.
...
(3) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen,
...
d)
wer Straßen ohne Bewilligung zu verkehrsfremden Zwecken (X. Abschnitt) benützt, insbesondere ohne Bewilligung eine nach § 82 bewilligungspflichtige Tätigkeit oder Herstellung vornimmt oder ohne Bewilligung sportliche Veranstaltungen nach § 64 abhält,
...“
10 Gemäß § 82 Abs. 1 erster Satz StVO ist für die Benützung von Straßen einschließlich des darüber befindlichen, für die Sicherheit des Straßenverkehrs in Betracht kommenden Luftraumes zu anderen Zwecken als zu solchen des Straßenverkehrs, z.B. zu gewerblichen Tätigkeiten und zur Werbung, unbeschadet sonstiger Rechtsvorschriften, eine Bewilligung nach diesem Bundesgesetz erforderlich.
11 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit dieser Bestimmung bereits in seinem Erkenntnis vom 15. März 1965, 1210/64, auseinandergesetzt und klargestellt, dass durch die beispielsweise Aufzählung „zu gewerblichen Tätigkeiten und zur Werbung“ der Gesetzgeber zum Ausdruck bringen wollte, für welche Art von Benützung der Straßen er eine Bewilligungspflicht angeordnet wissen wollte, nämlich vor allem für die Ausübung eines Gewerbes, für Reklame usw., wobei der Begriff „Werbung“ heute gemeinhin im wirtschaftlichen Sinne verstanden werde. Die Auslegung des § 82 Abs. 1 StVO finde ihre Schranken dort, wo die Sorge für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auf Straßen und Wegen aufhöre. Unter die Bewilligungspflicht falle nach der genannten Gesetzesstelle die Anbringung von in die Straße hineinragenden Gegenständen, z.B. Vorlagestufen, die Errichtung von Litfaßsäulen und die Errichtung von Verkaufsständen.
12 Neben den in diesem Erkenntnis genannten Fällen hat der Verwaltungsgerichtshof als unter die Bewilligungspflicht fallend auch das Aufstellen von Zeitungsverkaufsständen (vgl. VwGH 21.5.1970, 0661 0663/68, ÖJZ 1971, 81/57) erkannt, das Aufstellen von Stühlen, Tischen, Sonnenschirmen udgl auf dem Gehsteig vor einem Hotel (sog. „Schanigarten“) (vgl. VwGH 16.2.1983, 82/03/0076), die Anbringung und den Betrieb von Kaugummiautomaten auf Gehsteigen (vgl. VwGH 1.2.1989, 88/03/0030), sowie das Aufstellen von Würstelständen (vgl. VwGH 27.6.1989, 89/04/0032).
13 Dem gegenüber erkannte der Verwaltungsgerichtshof im Aufstellen einer Sänfte zur Durchführung von Personentransporten zwar eine gewerbliche Tätigkeit, jedoch keine Bewilligungspflicht, weil keine Benützung der Straße „zu anderen Zwecken als zu solchen des Straßenverkehrs“ (vgl. VwGH 8.11.1991, 91/18/0182) vorliegt.
14 Zu Fahrzeugen, die mit einer mehr oder minder auffälligen Beschriftung zu Werbezwecken versehen sind, erkannte der Verwaltungsgerichtshof, dass eine Bewilligungspflicht solange zu verneinen ist, als die Benützung des Fahrzeugs zu Zwecken des Straßenverkehrs im Vordergrund steht. Soll allerdings das Fahrzeug seiner Aufmachung nach vorwiegend der Werbung dienen, stehe also diese Benützung der Straße im Vordergrund, so liege ein Fall der Bewilligungspflicht vor (vgl. VwGH 13.6.1985, 85/02/0154).
15 Nach den unbestritten gebliebenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts ist die vom Mitbeteiligten vertretene GmbH im Besitz einer Gewerbeberechtigung für die Vermietung von Kleintransportern. Diese werden zum Teil auf öffentlichen Parkplätzen abgestellt und nach der bestimmungsgemäßen Benützung wieder an einem vorgegebenen Standort abgestellt. Die Kleintransporter sind mit einer näher genannten Beschriftung versehen.
16 Ausgehend davon stand in den gegenständlichen Fällen die Benützung der Straße zu Zwecken des Straßenverkehrs im Vordergrund, um damit im Falle von Buchungen Transporttätigkeiten durch Kunden im Straßenverkehr zu ermöglichen. Dass die Fahrzeuge außerhalb der Buchungszeiten auch längere Zeiten auf der öffentlichen Straße abgestellt waren, ändert an der genannten Zweckbestimmung nichts. Auch ist irrelevant, dass die Fahrzeuge Werbebeschriftungen aufwiesen, lässt sich doch nicht erkennen, dass das Abstellen der Mietfahrzeuge zu bloßen Werbezwecken erfolgt wäre und der eigentliche Zweck, nämlich die Bereitstellung für Transporte auf der Straße, dadurch in den Hintergrund getreten wäre.
17 Vor dem Hintergrund des Gesagten hat das Verwaltungsgericht das bekämpfte Straferkenntnis der Amtsrevisionswerberin im Ergebnis zu Recht behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt. Insoweit die Amtsrevisionswerberin in ihrer Zulässigkeitsbegründung auch auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Frage der Bewilligungsfähigkeit einer öffentlichen, der Allgemeinheit zugänglichen Parkfläche als gewerbliche Betriebsanlage iSd § 74 Abs. 1 GewO rekurriert, übersieht sie, dass es sich bei den Ausführungen nur um rechtlich irrelevante obiter dicta handelt.
18 Da somit bereits der Inhalt der Revision erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 27. Juni 2025