Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed als Richter und die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer Kober sowie Dr. Koprivnikar als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Andrés, über die Revision der G in W, vertreten durch Dr. Bertram Broesigke, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Gumpendorfer Straße 14/1/22, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 2. April 2024, LVwG AV 43/001 2024, betreffend Duldung der Anbringung einer Ortstafel gemäß § 33 StVO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeindevorstand der Marktgemeinde Lichtenau im Waldviertel, weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit dem im Berufungsverfahren ergangenen und mit 12. Dezember 2023 datierten Bescheid der belangten Behörde wurde die Revisionswerberin als Grundstückseigentümerin einer nach Grundstücksnummer, Einlagezahl und Katastralgemeinde umschriebenen Liegenschaft gemäß § 33 StVO verpflichtet, die Anbringung des Verkehrszeichens „Ortstafel“ (§ 53 Abs. 1 Z 17a StVO) auf ihrer Liegenschaft zu dulden.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet ab und erklärte eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.
3 Nach Darstellung des bisherigen Verfahrensganges und Wiedergabe des von ihm eingeholten Gutachtens eines Amtssachverständigen für Verkehrstechnik vom 5. März 2024 stellte das Verwaltungsgericht zusammengefasst fest, das Grundstück, dessen Alleineigentümerin die Revisionswerberin sei, grenze unmittelbar südlich [vom Güterweg aus betrachtet] an den daran vorbeiführenden öffentlichen, nach Grundstücksnummer und Katastralgemeinde umschriebenen Güterweg. Von Westen auf diesem Güterweg kommend handle es sich bei dem Wohnhaus der Revisionswerberin um das erste Haus der Ortschaft E und somit um den Beginn der Verbauung. Dieser Güterweg führe in Richtung Osten gesehen nördlich [vom nachfolgend genannten Grundstück aus betrachtet] an einem unbebauten und südlich [vom nachfolgend genannten Grundstück aus betrachtet] an einem jüngst bebauten Grundstück vorbei und münde danach in eine in Nord Süd Richtung verlaufende näher genannte Landstraße bzw. überquere diese. Durch die Neuerrichtung des nördlich dieser Einmündung gelegenen Wohnhauses sei es notwendig geworden, die Ortstafel, die entlang der Landstraße südlich der Einmündung aufgestellt gewesen sei, nach Norden zu versetzen, um den angezeigten Beginn des Ortsgebietes aus Fahrtrichtung Norden gesehen vor diesem Wohnhaus und demnach vor Beginn der Bebauung zu gewährleisten. Um den Beginn des Ortsgebietes für Straßenverkehrsteilnehmer, die den Güterweg aus Richtung Westen kommend benützten, ordnungsgemäß anzuzeigen, sei es erforderlich, eine Ortstafel vor Beginn der Bebauung und demnach auf der Länge des Grundstückes der Revisionswerberin aufzustellen. Da die Entfernung der Grenze des Grundstückes der Revisionswerberin vom Fahrbahnrand weniger als einen Meter betrage, sei es aufgrund der Beschaffenheit der Straße und des betreffenden Verkehrszeichens nicht möglich, die Ortstafel auf Straßengrund oder einem anderen Grundstück in diesem Bereich anzubringen. Es sei unumgänglich, das Grundstück der Revisionswerberin zumindest zu einem geringen Ausmaß dafür in Anspruch zu nehmen. Eine nennenswerte Wirtschaftserschwernis für die Revisionswerberin sei hiermit nicht verbunden. Eine diesbezügliche Einigung sei mit ihr nicht möglich gewesen.
4 Anschließend erläuterte das Verwaltungsgericht seine beweiswürdigenden Erwägungen, wobei es sich insbesondere auf die Ausführungen des verkehrstechnischen Amtssachverständigen in seinem (Ergänzungs )Gutachten vom 5. März 2024 stützte sowie darauf verwies, dass die Revisionswerberin dessen schlüssigen und nachvollziehbaren Äußerungen zu keinem Zeitpunkt substantiiert entgegengetreten sei; sie habe sich zum Gutachten vom 5. März 2024 überhaupt nicht geäußert, sondern dieses vielmehr unwidersprochen zur Kenntnis genommen, und auch kein Vorbringen zu etwaigen Wirtschaftserschwernissen erstattet.
5 Rechtlich führte das Verwaltungsgericht soweit für die Revision von Bedeutung aus, dass der baulich und funktional zusammenhängende Teil des Siedlungsgebietes von E auf dem Güterweg von Westen kommend mit dem Wohnhaus der Revisionswerberin und auf der Landstraße von Norden kommend mit dem neu errichteten Wohnhaus, welches sich vor der Einmündung des Güterweges in die Landstraße befinde, beginne. Somit sei zur Gewährleistung einer gesetzmäßigen Verordnung und Kundmachung des Ortsgebietes von E jeweils eine Ortstafel auf der Landstraße vor dem neu errichteten Wohnhaus und auf dem Güterweg vor dem Wohnhaus der Revisionswerberin anzubringen. Der Abstand vom Fahrbahnrand des Güterweges zur Grenze des Grundstückes der Revisionswerberin betrage weniger als einen Meter. Das Mindestformat einer Ortstafel weise eine Breite von 960 mm auf. Eine Inanspruchnahme des Grundstückes der Revisionswerberin scheide nur dann aus, wenn das kleinstmögliche Format der Ortstafel verwendet werde, die Ortstafel mit „0 Meter Abstand vom tatsächlichen Fahrbahnrand“ aufgestellt werde, und sich die Grundstücksgrenze „sehr nahe von 1 Meter vom Fahrbahnrand“ befinde. Bereits letzteres sei nicht mit absoluter Sicherheit festzustellen. Selbst wenn dies aber der Fall wäre, sei in einem landwirtschaftlich dominierten Bereich mit entsprechend breiten Nutzmaschinen, aber auch schon aus Gründen der Verkehrssicherheit in keiner Weise angezeigt, ein Verkehrszeichen direkt am Fahrbahnrand anzubringen. Auch wenn eine theoretische Möglichkeit bestehe, das Grundstück der Revisionswerberin zum Zweck der Anbringung der Ortstafel nicht in Anspruch zu nehmen, sei dies aus Gründen der Verkehrssicherheit nicht möglich bzw. zumindest keinesfalls zweckentsprechend. Da die Vorgangsweise zudem mit keinen nennenswerten Wirtschaftserschwernissen für die Revisionswerberin verbunden sei und keine Einigung erzielt habe werden können, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
7 Die Revision erweist sich als unzulässig:
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 Die Revision macht zur Begründung ihrer Zulässigkeit geltend, die belangte Behörde habe die Novellierung des § 48 Abs. 5 StVO bei der Erlassung ihres Bescheides nicht berücksichtigt. Auch habe der Amtssachverständige die Zulässigkeit der Anbringung der Ortstafel direkt am Fahrbahnrand nicht ausgeschlossen. Das Verwaltungsgericht habe in nicht nachvollziehbarer Weise ausgeführt, dass es in einem landwirtschaftlich dominierten Bereich mit entsprechend breiten Nutzmaschinen und aus Gründen der Verkehrssicherheit nicht möglich bzw. zumindest nicht zweckentsprechend sei, ein Verkehrszeichen direkt am Fahrbahnrand anzubringen. Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, wann die Anbringung eines Verkehrszeichens nach § 48 Abs. 5 StVO in der geltenden Fassung zulässig sei und welche Parameter hierfür zu beachten seien bzw. ob und unter welchen Gesichtspunkten die Aufstellung einer Ortstafel direkt am Fahrbahnrand zulässig sei, fehle. Die Inanspruchnahme von Privateigentum für die Anbringung eines Verkehrszeichens sei nach § 33 Abs. 1 StVO auch nur dann zulässig, wenn dessen Anbringung auf Straßengrund nicht zweckentsprechend sei. Hierbei sei die Wertung des Gesetzgebers miteinzubeziehen, wonach die Inanspruchnahme von Privateigentum nur die letzte Lösung sein solle. Es stelle sich die Frage, ob § 48 Abs. 5 StVO in der geltenden Fassung dahingehend zu verstehen sei, dass die Anbringung einer Ortstafel direkt am Fahrbahnrand zur Vermeidung der Inanspruchnahme von Privateigentum vorzuziehen sei, außer wenn dies unter Berücksichtigung aller Umstände keinesfalls geboten erscheine. Zuletzt stelle eine klärungsbedürftige Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar, ob § 48 Abs. 5 StVO in der nunmehr geltenden Fassung im Zusammenhang mit § 33 Abs. 1 StVO eine Vereinfachung der Anbringung eines Verkehrszeichens auf Straßengrund zur Vermeidung der Inanspruchnahme von Privateigentum bewirken solle. Entgegen der krassen Fehlbeurteilung des Verwaltungsgerichtes sprächen keine Gründe gegen die Anbringung der Ortstafel direkt am Fahrbahnrand.
12 Zunächst verkennt die Revision, dass Gegenstand des Revisionsverfahrens allein das angefochtene Erkenntnis und nicht der beim Verwaltungsgericht bekämpfte Bescheid der belangten Behörde ist (vgl. VwGH 29.7.2022, Ro 2020/07/0006). Dass hingegen das Verwaltungsgericht die mit der Novellierung des § 48 Abs. 5 zweiter Satz StVO durch BGBl. I Nr. 122/2022 bei seitlicher Anbringung eines Straßenverkehrszeichens neu festgelegten Seitenabstände zwischen dem der Fahrbahn zunächst liegenden Rand eines Straßenverkehrszeichens und dem Fahrbahnrand abweichend von der Judikatur des Verwaltungsgerichthofes, wonach die Sach und Rechtslage im Entscheidungszeitpunkt maßgeblich ist (vgl. etwa VwGH 18.10.2022, Ra 2022/02/0026, mwN), nicht berücksichtigt hätte, wird in der Revision weder behauptet noch ist dies ersichtlich.
13 Das Verwaltungsgericht stützte seine Entscheidung mit näherer, nachvollziehbarer Begründung insbesondere auf das von ihm eingeholte verkehrstechnische Gutachten vom 5. März 2024, dem die Revisionswerberin in keiner Weise entgegentritt. Ausgehend davon gelangte das Verwaltungsgericht entgegen dem sich auf pauschale Behauptungen zurückziehenden Revisionsvorbringen in hinreichend begründeter und nachvollziehbarer Weise zu dem Schluss, dass die Aufstellung der Ortstafel auf Straßengrund, nämlich unmittelbar am Fahrbahnrand, infolge der Benützung des Güterweges mit „entsprechend breiten“ landwirtschaftlichen Nutzmaschinen sowie aus Gründen der Verkehrssicherheit (zumindest) nicht zweckentsprechend im Sinne des § 33 Abs. 1 StVO und die Inanspruchnahme des Grundstückes der Revisionswerberin unumgänglich sei.
14 Sofern die Revision schließlich Rechtsprechung zu näher bezeichneten Fragen vermisst, verabsäumt sie es, auf die vorliegende Rechtssache bezogen darzutun, warum ihr rechtliches Schicksal, also der Erfolg der Revision, von der Lösung dieser Rechtsfragen abhängt. Der bloße Verweis auf fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu näher bezeichneten Fragen reicht hierfür nicht aus (vgl. etwa VwGH 16.7.2020, Ra 2020/19/0086; 27.4.2020, Ro 2019/17/0004, jeweils mwN). Zur Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof aber nicht zuständig (vgl. etwa VwGH 30.11.2023, Ra 2023/02/0154, mwN).
15 Das Verwaltungsgericht setzte sich im Rahmen seiner Beurteilung mit den örtlichen Gegebenheiten, mit den Verkehrsteilnehmern, die diesen Güterweg benützen (vgl. hierzu den insofern klaren Wortlaut der Bestimmung des § 48 Abs. 5 StVO, wonach bei seitlicher Anbringung eines Straßenverkehrszeichens der ruhende und fließende Verkehr zu berücksichtigen ist), sowie mit dem der StVO inhärenten Schutzzweck der Verkehrssicherheit auseinander (vgl. hierzu die insoweit auf die aktuelle Rechtslage übertragbare Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 48 StVO, wonach bei der Aufstellung von Straßenverkehrszeichen auch zu beachten ist, dass der StVO insgesamt der Gedanke zu Grunde liegt, die mit der Benützung der Straße verbundenen Gefahren für die Verkehrsteilnehmer möglichst gering zu halten, VwGH 18.9.2000, 96/17/0094; vgl. zur Berücksichtigung des Schutzzweckes der StVO bei der Anbringung von Straßenverkehrszeichen auch VwGH 23.11.2001, 98/02/0292, VwSlg. 15.723 A).
16 Darüberhinausgehende Gesichtspunkte, die bei der Beurteilung der Frage des konkreten Aufstellungsortes eines Straßenverkehrszeichens bei seitlicher Anbringung zur Anwendung zu bringen gewesen wären und für das rechtliche Schicksal der Revision Bedeutung erlangen hätte können, werden von der Revisionswerberin mit dem Verweis darauf, dass die Inanspruchnahme von Privateigentum nur die letzte Lösung sein solle, nicht aufgezeigt, zumal das Verwaltungsgericht die Inanspruchnahme des Grundstückes der Revisionswerberin aus den dargelegten Gründen ohnehin für unumgänglich erachtete.
17 Aus demselben Grund ist auch nicht ersichtlich, inwiefern das Schicksal der Revision von der Lösung der Frage betreffend den mit der Novellierung des § 48 Abs. 5 zweiter StVO verfolgten Zweck abhängt.
18 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 13. August 2024