JudikaturVwGH

Ra 2024/02/0025 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
13. Februar 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed und den Hofrat Mag. Straßegger als Richter sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Andrés, über die Revision des L in W, vertreten durch Dr. Brigitte Heaman Dunn, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Schellinggasse 3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten vom 2. November 2023, KLVwG 2003/3/2023, betreffend Übertretung des Kärntner Veranstaltungsgesetzes 2010 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt Villach), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 24. August 2023 wurden über den Revisionswerber als handelsrechtlichen Geschäftsführer einer näher bezeichneten GmbH wegen der Übertretung des § 30 Abs. 1 lit. d, 2. Alternative iVm § 8 Abs. 3 Kärntner Veranstaltungsgesetz 2010 (K VAG 2010) gemäß § 30 Abs. 2 K VAG 2010 eine Geld sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt und ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgeschrieben. In einem näher bezeichneten Kino seien am 7. April 2023 (Karfreitag) Filmvorführungen und somit Veranstaltungen durchgeführt worden, obwohl am Karfreitag Veranstaltungen verboten seien.

2 Die dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde wurde vom Landesverwaltungsgericht Kärnten (Verwaltungsgericht) mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet abgewiesen und dem Revisionswerber ein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens vorgeschrieben. Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG unzulässig ist.

3 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, im fallgegenständlichen Kino hätten 2023 am Karfreitag Kinovorführungen stattgefunden und ergebe sich diese Feststellung aufgrund des Akteninhalts.

4 Nach § 8 Abs. 3 K VAG seien Veranstaltungen am Karfreitag verboten. Nach § 33 Abs. 7 leg. cit. blieben rechtskräftige Bewilligungen nach dem Kärntner Kinogesetz LGBl. Nr. 2/1963 aufrecht. Abweichend vom ersten Satz blieben Auflagen, Bedingungen und sonstige behördliche Anordnungen in rechtskräftigen Bewilligungen nur insoweit aufrecht, als diese auch nach dem Kärntner Veranstaltungsgesetz 2010, LGBl. Nr. 27/2011 vorgeschrieben werden dürften.

5 In Auflage 19 der kinogesetzlichen Genehmigung für das gegenständliche Kino vom 13. Oktober 1998 sei unter anderem festgehalten, dass am Karfreitag die Vorführung von Filmen untersagt sei, die den Charakter dieses Tages stören oder die religiösen Gefühle der Bevölkerung zu verletzen geeignet seien.

Unter Bedachtnahme auf die dargestellte Sach und Rechtslage sei auszuführen, dass nach § 8 Abs. 3 K VAG 2010 Veranstaltungen und somit auch Filmvorführungen am Karfreitag verboten seien. Demgemäß dürfe nach K VAG 2010 eine Auflage im Sinne der Auflage 19 der kinogesetzlichen Genehmigung nicht vorgeschrieben werden, weil die Vorführung von Filmen am Karfreitag gänzlich verboten sei. Zum Hinweis des Revisionswerbers auf die Erläuterungen zu § 33 Abs. 7 zum K VAG 2010 sei zu bemerken, dass nach diesen Erläuterungen beispielsweise eine aus Sicht des Veranstalters erschwerende und nicht mehr erforderliche Nebenbestimmung nicht aufrecht belassen werde. Zu berücksichtigen sei jedoch der eindeutige Wortlaut des § 33 Abs. 7 K VAG 2010, wonach Auflagen nur insoweit aufrecht blieben, als diese auch nach dem K VAG 2010 vorgeschrieben werden dürften. Eine Einschränkung, dass dies nur solche Auflagen betreffe, die den Veranstalter belasteten, finde sich im Gesetz nicht und könne somit diese Bestimmung nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes nur so ausgelegt werden, dass eine Einschränkung dieser Bestimmung auf solche Auflagen, die einen Veranstalter belasten, nicht erfolgt sei. Demgemäß sei festzuhalten, dass nach der anzuwendenden Rechtslage Veranstaltungen bzw. Filmvorführungen am Karfreitag auch für das gegenständliche Kino unzulässig seien.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis dahingehend abzuändern, dass das Straferkenntnis der belangten Behörde aufgehoben werde.

7 Die Revision erweist sich als unzulässig:

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, die von ihm vertretene GmbH sei berechtigt, auch am Karfreitag Filme vorzuführen. Das Verwaltungsgericht komme in seiner rechtlichen Beurteilung zu dem Ergebnis, dass Punkt 19 der rechtskräftigen Bewilligung nach dem früheren Kärntner Kinogesetz eine Auflage darstelle, die nach dem K VAG 2010 nicht vorgeschrieben werden dürfe. Diese Rechtsauffassung stehe in diametralem Widerspruch zu den in der österreichischen Rechtsordnung verankerten Grundsätzen über die Bestandskraft von rechtskräftigen Bescheiden und der Intention des Gesetzgebers, mit der Bestimmung des § 33 Abs. 7 K VAG 2010 darüber Klarheit zu schaffen, dass rechtskräftige Bewilligungen nach dem Kärntner Kinogesetz aufrecht blieben, wobei Auflagen, Bedingungen und sonstige behördliche Anordnungen, die nach dem K VAG 2010 nicht mehr vorgeschrieben werden dürften, von dem „Bestandschutz“ ausgenommen seien. Dass damit nur den Veranstalter belastende Anordnungen gemeint sein können, ergebe sich einerseits aus dem Wortlaut (Auflagen, Bedingungen und sonstige behördliche Anordnungen) sowie aus der klaren Intention des Gesetzgebers und andererseits aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit. Wenn rechtskräftige Bewilligungen nach dem Kärntner Kinogesetz grundsätzlich nur dann aufrecht blieben, wenn sie auch nach den Bestimmungen des K VAG 2010 erteilt werden dürften, wäre das System der Rechtssicherheit, das durch den Bestand von rechtskräftigen Verwaltungsakten (und gegebenenfalls deren Aufhebung von Amts wegen durch einen actus contrarius unter ganz bestimmten Voraussetzungen in genau definierten Ausnahmefällen) definiert und geschaffen werde, vernichtet.

12 Die Interpretation des § 33 Abs. 7 K VAG 2010 durch das Verwaltungsgericht führe zu einem Ergebnis, dass es den Grundsatz der Rechtssicherheit als Kerngehalt des Rechtsstaatsprinzips sowie tragende Grundsätze des Verwaltungsrechtes, die für das Zustandekommen der angefochtenen Entscheidung maßgeblich seien, verletze und von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche; zur Interpretation dieser Bestimmung fehle es an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

13 Gemäß § 8 Abs. 3 K VAG 2010 sind am Karfreitag und am 24. Dezember Veranstaltungen verboten. Gemäß § 33 Abs. 7 K VAG 2010 bleiben rechtskräftige Bewilligungen und rechtmäßige Anmeldungen nach den Bestimmungen des Kärntner Veranstaltungsgesetzes 1997, LGBl. Nr. 95, zuletzt in der Fassung des Gesetzes LGBl. Nr. 89/2012 , sowie rechtskräftige Bewilligungen nach dem Kärntner Kinogesetz, LGBl. Nr. 2/1963, zuletzt in der Fassung des Gesetzes LGBl. Nr. 54/2007 , und die jeweiligen Fortbetriebsrechte aufrecht. Abweichend vom ersten Satz bleiben Auflagen, Bedingungen und sonstige behördliche Anordnungen in rechtskräftigen Bewilligungen und rechtmäßigen Anmeldungen im Sinne des ersten Satzes, mit Ausnahme von rechtskräftigen Bewilligungen und rechtmäßigen Anmeldungen betreffend Spielapparate und Geldspielapparate (Abs. 3), nur insoweit aufrecht, als diese auch nach dem K VAG 2010 vorgeschrieben werden dürfen.

14 Die vom Revisionswerber vertretene GmbH betreibt ein Kino, für das mit Bescheid der belangten Behörde vom 13. Oktober 1998 zur Vorführung von Filmen die kinogesetzliche Genehmigung erteilt wurde. Nach dem Spruch sind auszugsweise folgende „Auflagen ... zu erfüllen bzw. einzuhalten“: „19. Filmvorführungen dürfen täglich von 09:00 bis 02:00 Uhr durchgeführt werden. Am 24. Dezember und am Karfreitag ist die Vorführung von Filmen untersagt, die den Charakter dieser Tage stören oder die religiösen Gefühle der Bevölkerung zu verletzen geeignet sind.“

15 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt dann, wenn die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig ist, keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG vor, und zwar selbst dann, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist (vgl. VwGH 3.3.2023, Ra 2022/10/0094, mwN).

16 Nach dem hier anzuwendenden § 33 Abs. 7 K VAG 2010 bleiben jedwede Auflagen in rechtskräftigen Bewilligungsbescheiden nur dann aufrecht, wenn sie auch nach dem K VAG 2010 vorgeschrieben werden dürften. Da gemäß § 8 Abs. 3 K VAG 2010 jedwede Veranstaltung am Karfreitag ausnahmslos verboten ist, ist die Erteilung der unter Punkt 19. gewährten Auflage nach dem K VAG 2010 nicht mehr möglich.

17 Entgegen dem Vorbringen des Revisionswerbers ist es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, in bereits erteilte rechtskräftige Bewilligungen einzugreifen, sofern er dabei verfassungsgesetzlich gesetzte Grenzen nicht überschreitet, also beispielsweise in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen nicht unzulässig und unverhältnismäßig eingreift (vgl. z.B. VfSlg. 19972/2015 zur Beendigung erteilter Bewilligungen nach dem GSpG). Dass dies im gegenständlichen Fall durch das im K VAG 2010 erstmals vorgesehene vollständige Veranstaltungsverbot an einem (weiteren) Tag des Jahres, nämlich dem Karfreitag, der Fall wäre, legt die Revision nicht dar. Abgesehen davon übersieht der Revisionswerber, dass die Berufung auf eine rechtskräftig entschiedene Sache iSd § 68 Abs. 1 AVG nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung eine unveränderte materielle Rechtslage voraussetzt (vgl. etwa VfGH 29.11.2023, G 323/2023; VwGH 19.10.2021, Ro 2019/14/0006, jeweils mwN), was gegenständlich eben nicht der Fall ist.

Die rechtliche Sichtweise der Revision, § 33 Abs. 7 K VAG 2010 sei so auszulegen, dass nur den Genehmigungsinhaber belastende Auflagen, die nach dem K VAG 2010 nicht mehr erteilt werden könnten, keine Gültigkeit mehr hätten, findet weder im Wortlaut noch in den Zielsetzungen des K VAG 2010 Deckung. Sie würde auch zu dem gleichheitsrechtlich bedenklichen Ergebnis führen, dass Inhaber kinogesetzlicher Genehmigungen, die vor dem Inkrafttreten des K VAG 2010 datieren und einen Kinobetrieb am Karfreitag erlauben, zu einem derartigen Kinobetrieb berechtigt wären, während dies allen anderen Kinobetreibern untersagt wäre. Dass der Landesgesetzgeber dies beabsichtigt und in Kauf genommen hätte, kann nicht angenommen werden.

18 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 13. Februar 2024

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