JudikaturVwGhRa 2024/01/0046

Ra 2024/01/0046 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
04. April 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer sowie die Hofräte Mag. Brandl und Dr. Terlitza als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Karger, LL.M., über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gegen das am 4. Dezember 2023 mündlich verkündete und am 2. Jänner 2024 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, W238 2279862 1/9E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (Mitbeteiligter: Y H), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Mitbeteiligte, ein syrischer Staatsangehöriger, stellte am 3. Juli 2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2 Mit Bescheid vom 23. August 2023 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Amtsrevisionswerber; BFA) den Antrag des Mitbeteiligten auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab, erkannte ihm jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgericht) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung der dagegen erhobenen Beschwerde statt, erkannte dem Mitbeteiligten gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) den Status des Asylberechtigten zu, stellte gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 fest, dass dem Mitbeteiligten die Flüchtlingseigenschaft zukomme, behob im Übrigen die weiteren Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides ersatzlos und sprach aus, dass eine Revision nicht zulässig sei.

4 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, das Fluchtvorbringen des Mitbeteiligten sei glaubwürdig, er habe damit eine asylrelevante Verfolgung glaubhaft gemacht.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Begründungspflicht der Erkenntnisse der Verwaltungsgerichte gemäß § 29 VwGVG bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Begründung jenen Anforderungen zu entsprechen hat, die in seiner Rechtsprechung zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert dies in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhaltes, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Fall des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheides geführt haben. Diesen Erfordernissen werden die Verwaltungsgerichte dann gerecht, wenn sich die ihre Entscheidungen tragenden Überlegungen zum maßgeblichen Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen selbst ergeben (vgl. etwa VwGH 23.2.2022, Ro 2021/01/0020, mwN).

10 Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel dargelegt werden, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise, also fallbezogen darzulegen (vgl. für viele VwGH 21.2.2022, Ra 2021/01/0330, 0331, mwN).

11 Die Amtsrevision behauptet zur Begründung ihrer Zulässigkeit, das Verwaltungsgericht sei von der angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es sich in seiner Beweiswürdigung mit den getroffenen Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat des Mitbeteiligten in Widerspruch gesetzt habe. So habe das Verwaltungsgericht in Widerspruch mit den festgestellten Länderberichten die Präsenz des syrischen Regimes und dessen Zugriffs und Rekrutierungsmöglichkeiten in der Herkunftsregion des Mitbeteiligten zu Unrecht angenommen und eine sichere Erreichbarkeit der Herkunftsregion des Mitbeteiligten verneint. Ferner sei das Verwaltungsgericht, entgegen dem BFA, von einer höheren Altersgrenze für die Wehrpflicht bei den kurdischen Kräften ausgegangen und habe diesen Umstand unzureichend begründet.

12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes soll sich das Revisionsmodell nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers an der Revision nach den §§ 500 ff ZPO orientieren (vgl. ErläutRV 1618 BlgNR 24. GP 16). Ausgehend davon ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig, zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. für viele VwGH 30.3.2022, Ra 2021/01/0281, mwN).

13 Die Prüfung, ob ein Bedarf an internationalem Flüchtlingsschutz besteht, hat nach den individuellen Umständen des Einzelfalls zu erfolgen. Eine solche einzelfallbezogene Beurteilung ist im Allgemeinen wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde nicht revisibel. Der Verwaltungsgerichtshof hat auch festgehalten, dass die Glaubhaftmachung des Fluchtvorbringens einer einzelfallbezogenen Beurteilung unterliegt und im Allgemeinen nicht revisibel ist (vgl. etwa VwGH 23.2.2022, Ra 2022/01/0025, mit weiteren Nachweisen aus der ständigen Rechtsprechung).

14 Ein Abweichen von dieser Rechtsprechung zeigt die Amtsrevision hinsichtlich der vom Verwaltungsgericht angenommenen asylrelevanten Verfolgung durch die kurdischen Kräfte in ihrem Zulässigkeitsvorbringen nicht auf. Auf die von der Amtsrevision ebenfalls bekämpfte asylrelevante Verfolgung durch das syrische Regime ist daher nicht näher einzugehen (vgl. zu einer tragfähigen Alternativbegründung etwa VwGH 20.9.2022, Ra 2022/01/0129, Rn. 14, mwN).

15 In der Revision werden vor diesem Hintergrund keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 4. April 2024

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