JudikaturVwGhRa 2023/22/0155

Ra 2023/22/0155 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
04. März 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Samm sowie den Hofrat Dr. Schwarz und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Zettl, über die Revision 1. der S A M A K, 2. des H A A A K, 3. der N A A A K, und 4. des K A A A K, alle vertreten durch die Kocher Bucher Rechtsanwälte OG in 8010 Graz, Friedrichgasse 31, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 9. Februar 2023, 1. LVwG 26.20 6127/2022 13, 2. LVwG 27.20 6128/2022 13, 3. LVwG 27.20 6129/2022 13 und 4. LVwG 27.20 6130/2022 13, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Steiermark), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Die im Jahr 1985 geborene Erstrevisionswerberin ist die Mutter der minderjährigen Zweit- bis Viertrevisionswerber. Alle sind irakische Staatsangehörige.

2 A.K., der Ehemann der Erstrevisionswerberin und Vater der Zweit- bis Viertrevisionswerber, reiste im Jahr 2015 nach Österreich, wo ihm der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde. Im Jahr 2018 wurde ihm der Asylstatus aufgrund seiner (kurzfristigen) Ausreise in den Irak und der Ausstellung eines irakischen Reisepasses wieder aberkannt.

3 Aufgrund seiner (bereits seit 2018 bestehenden) Lebensgemeinschaft mit B.H., einer österreichischen Staatsbürgerin, wurde A.K. (im Juli 2021) ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK erteilt. Mit B.H. hat er mittlerweile einen im Jahr 2021 geborenen gemeinsamen Sohn.

4 Am 19. September 2021 brachten die Revisionswerber bei der Österreichischen Botschaft in Amman Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln „Rot Weiß Rot Karte plus“ zum Zweck der Familienzusammenführung mit A.K. ein, die vom Landeshauptmann der Steiermark mit Bescheid vom 30. März 2022 abgewiesen wurden.

5 Die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerber wurde mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 9. Februar 2023 abgewiesen. Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG unzulässig sei.

6 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung ebenso wie die belangte Behörde zugrunde, dass zwischen A.K. und den Revisionswerbern weder ein gemeinsames Familienleben noch die Absicht bestehe, ein solches iSd Art. 8 EMRK zu führen. A.K. lebe bereits seit 2018 mit B.H. zusammen und sei seit seiner Ausreise im Jahr 2015 lediglich zweimal kurzfristig im Irak gewesen. A.K. habe zwar die Absicht, seine irakische Ehefrau und Kinder nach Österreich zu bringen, um ihnen ein besseres Leben zu ermöglichen (oder aus ähnlichen Gründen), jedoch sei nicht beabsichtigt, ein gemeinsames Familienleben mit ihnen zu führen. Somit könne sich die Erstrevisionswerberin wie auch ihre Kinder (Zweit- bis Viertrevisionswerber) gemäß § 30 NAG nicht auf die Ehe mit A.K. berufen und es käme die Erteilung der beantragten Aufenthaltstitel zum Zwecke der Familiengemeinschaft nicht in Betracht.

7 Zu dieser Auffassung war das Verwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der sowohl A.K. als auch B.H. einvernommen worden waren, infolge diverser Überlegungen gelangt, die es in seiner Beweiswürdigung auch näher darlegte.

8 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 13. Juni 2023, E 849 852/2023 5, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

9 Die vorliegende außerordentliche Revision wendet sich zur Begründung der Zulässigkeit unter dem Aspekt einer Abweichung von der hg. Judikatur gegen die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts und macht eine Verletzung der Begründungspflicht geltend.

10 Die Voraussetzungen nach Art. 133 Abs. 4 B VG liegen nicht vor:

11 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

14 In Bezug auf die Beweiswürdigung hat der Verwaltungsgerichtshof schon generell klargestellt, dass diesbezüglich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG nur dann vorliegt, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Nach dieser Judikatur ist der Verwaltungsgerichtshof nämlich zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen, allerdings hat er insbesondere doch zu prüfen, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist, ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, und ob das Verwaltungsgericht dabei alle in Betracht kommenden (relevanten) Umstände vollständig berücksichtigt hat (vgl. etwa VwGH 25.5.2023, Ra 2022/21/0035, Rn. 9, mwN).

15 Eine derartige vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Unvertretbarkeit der verwaltungsgerichtlichen Beweiswürdigung vermag die Revision nicht aufzuzeigen. Das Verwaltungsgericht gelangte - wie erwähnt - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Auffassung, dass A.K. in Österreich bereits seit 2018 ein Familienleben mit B.H. - mit der er auch einen gemeinsamen im Jahr 2021 geborenen Sohn hat - führe, wobei er aufgrund dieser Beziehung auch über einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK verfüge; ein Familienleben mit den Revisionswerbern beabsichtige A.K. nicht.

16 Soweit die Revision ins Treffen führt, B.H. habe von der Ehe zwischen A.K. und der Erstrevisionswerberin gewusst und A.K. stets dabei unterstützt, dass er seine Familie aus dem Irak nach Österreich holen könne, legt sie damit nicht dar, inwiefern ein Familienleben zwischen A.K. und den Revisionswerbern bereits (wieder) bestünde bzw. ein solches Familienleben in Zukunft beabsichtigt sei. Nachvollziehbar stützte sich das Verwaltungsgericht in seiner Beweiswürdigung insbesondere auf die Aussage des A.K. vom 16. Juli 2020 im Aufenthaltstitelverfahren gemäß § 55 AsylG 2005 vor dem BFA, wonach die Ehe mit seiner irakischen Ehefrau „unglücklich“ sei und sich eine Scheidung insofern als schwierig gestalte, weil „beide Eheleute vor einem irakischen Gericht erscheinen müssten“. Auch B.H. habe in diesem Verfahren vor dem BFA ausgesagt, dass sie die Zukunft mit A.K. verbringen und eine Familie gründen wolle. Angesichts dieser Aussagen erachtete das Verwaltungsgericht die in der mündlichen Verhandlung gemachten Angaben der als Zeugen einvernommenen A.K. und B.H. als nicht glaubhaft. Dies begegnet in Ansehung des oben dargestellten Prüfmaßstabs des Verwaltungsgerichtshofs keinen Bedenken.

17 Das Vorbringen in der Zulässigkeitsbegründung der Revision, das Verwaltungsgericht habe seine Ansicht, wonach A.K. etwa aus „Dankbarkeit“ oder aus sonstigen Gründen seiner irakischen Familie nach Österreich verhelfen wolle, nicht begründet, trifft nicht zu. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht in nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, dass A.K. lediglich beabsichtige, seiner irakischen Familie in Österreich ein besseres Leben zu ermöglichen, ohne ein gemeinsames Familienleben mit ihnen führen zu wollen, und seine Annahme betreffend die Nichtbeabsichtigung eines gemeinsamen Familienlebens iSd Art. 8 EMRK ausreichend begründet.

18 Eine Verletzung der Begründungspflicht wird von der Revision demnach nicht aufgezeigt.

19 Der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, dass auf Basis der im angefochtenen Erkenntnis getroffenen Feststellungen auch die Anträge der Zweit bis Viertrevisionswerber abzuweisen gewesen seien, tritt die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung nicht substantiiert entgegen.

20 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

21 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 4. März 2024

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