JudikaturVwGH

Ra 2023/19/0241 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
28. März 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Funk Leisch und den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Salama, über die Revision des Y A A (alias A A), vertreten durch Dr. Silvia Vinkovits, Rechtsanwältin in 1080 Wien, Friedrich Schmidt Platz 4/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Mai 2023, W105 2258210 1/9E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Revisionswerber, ein syrischer Staatsangehöriger, stellte am 10. Dezember 2021 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, er habe Syrien verlassen, weil er entweder von den syrischen Streitkräften oder von den Kurden zwangsrekrutiert werden würde. Er wolle keine Waffe in die Hand nehmen und niemanden töten.

2 Mit Bescheid vom 7. Juli 2022 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab, erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung.

3 Die gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.

4 Begründend führte das BVwG aus, es liege bezogen auf die Herkunftsregion des Revisionswerbers keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit vor, dass er zum Wehrdienst in die syrische Armee eingezogen werden würde. Das syrische Regime habe keinen Zugriff auf den Herkunftsort und auf die Erreichbarkeit der Herkunftsregion komme es nicht an. Aufgrund des Alters des Revisionswerbers bestehe auch keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit, von den kurdischen Kräften zwangsrekrutiert zu werden. Selbst wenn der Revisionswerber in das wehrpflichtige Alter fallen würde, bestehe kein Zusammenhang mit einem Konventionsgrund.

5 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, die Schlussfolgerung des BVwG, wonach dem Revisionswerber nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgung drohe, sei vor dem Hintergrund seines Vorbringens, wonach er Pazifist sei und sich nicht an den Gräueltaten des syrischen Regimes beteiligen wolle, nicht nachvollziehbar. Zudem müsse der Revisionswerber bei einer allfälligen Rückkehr damit rechnen, im Rahmen von Straßenkontrollen oder bei einem der zahlreichen Checkpoints verhaftet zu werden. Die Einschätzung des BVwG, der Revisionswerber habe keine Gefahr in seinem Heimatland zu befürchten, weil das syrische Regime keinen Zugriff auf seinen Herkunftsort habe, sei unrealistisch und nicht stichhaltig.

10 Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), also aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht (vgl. VwGH 21.6.2023, Ra 2021/19/0406, mwN).

11 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes bzw. der bei seiner Verweigerung drohenden Bestrafung im Allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung dar, sondern könnte nur bei Vorliegen eines Konventionsgrundes Asyl rechtfertigen (vgl. VwGH 21.5.2021, Ro 2020/19/0001, mwN). Wie der Verwaltungsgerichtshof zur möglichen Asylrelevanz von Wehrdienstverweigerung näher ausgeführt hat, kann auch der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen wie etwa der Anwendung von Folter jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine „bloße“ Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein (vgl. erneut VwGH Ro 2020/19/0001, mwN).

12 Fehlt ein kausaler Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen, kommt die Asylgewährung hingegen nicht in Betracht (vgl. nochmals VwGH Ra 2021/19/0406, mwN).

13 Entgegen dem Revisionsvorbringen hat der Revisionswerber im vorliegenden Fall weder im Verfahren vor dem BFA noch im Beschwerdeverfahren hinreichend begründet dargelegt, dass in Bezug auf die ihm drohende Einziehung zum Wehrdienst der syrischen Streitkräfte oder der kurdischen Selbstverteidigungseinheiten ein kausaler Zusammenhang zu einem Konventionsgrund im oben beschriebenen Sinn bestehe. Damit ist aber dem auf der Prämisse des Vorliegens eines Verfolgungsgrundes des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK aufbauenden Revisionsvorbringen zur Erreichbarkeit der Herkunftsregion des Revisionswerbers der Boden entzogen (vgl. etwa VwGH 12.12.2023, Ra 2022/19/0281; VwGH 31.10.2023, Ro 2023/19/0002). An diesem Ergebnis vermag auch das im Verfahren nicht näher konkretisierte Vorbringen, der Revisionswerber sei Pazifist, nichts zu ändern.

14 Vor diesem Hintergrund gelingt es der Revision nicht, die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel aufzuzeigen (zum Erfordernis der Relevanzdarlegung bei Verfahrensmängeln vgl. etwa VwGH 28.9.2023, Ra 2023/19/0255, mwN).

15 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 28. März 2024

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