Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Dr. Chvosta als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Seiler, über die Revision des T O M, vertreten durch Mag. Susanne Singer, Rechtsanwältin in 4600 Wels, Ringstraße 9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. April 2023, W123 2269205 1/3E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein kenianischer Staatsangehöriger, stellte am 8. November 2021 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz, der im Beschwerdeverfahren vom Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 12. Dezember 2022 rechtskräftig abgewiesen wurde.
2 Am 16. Jänner 2023 stellte der Revisionswerber einen Folgeantrag, den er damit begründete, dass ihn im Fall seiner Rückkehr die „traditionelle Voodoo Gruppe“ umbringen würde, weil er deren Schrein zerstört habe.
3 Mit Bescheid vom 10. März 2023 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Folgeantrag sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Kenia zulässig sei, legte keine Frist für die freiwillige Ausreise fest und erließ gegen den Revisionswerber ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot.
4 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das BVwG mit dem angefochtenen Erkenntnis ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
6 In der vorliegenden Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit zunächst vorgebracht, das BVwG habe in Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und trotz Antrages des Revisionswerbers in der Beschwerde keine mündliche Verhandlung durchgeführt. So sei vom BVwG eine eigene, vom BFA abweichende Beweiswürdigung durchgeführt worden.
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Verhandlungspflicht im Zulassungsverfahren wozu auch Beschwerden gegen eine vor Zulassung des Verfahrens ausgesprochene Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz nach § 68 AVG zählen ausgesprochen, dass die in § 21 Abs. 6a BFA VG enthaltene Wendung „unbeschadet des Abs. 7“ nur so verstanden werden kann, dass damit zum Ausdruck gebracht wird, dass eine Verhandlung jedenfalls immer dann zu unterbleiben hat, wenn die Voraussetzungen des § 21 Abs. 7 BFA VG vorliegen. In einem solchen Fall stellt sich die Frage, ob nach § 21 Abs. 6a BFA VG im Rahmen der Ermessensübung von der Durchführung der Verhandlung Abstand genommen werden kann, nicht mehr (vgl. VwGH 22.4.2021, Ra 2020/19/0419, mwN).
8 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind zur Beurteilung, ob der Sachverhalt im Sinn des § 21 Abs. 7 BFA VG geklärt erscheint und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach dieser Bestimmung unterbleiben kann, folgende Kriterien beachtlich:
9 Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das BVwG die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen (vgl. nochmals VwGH Ra 2020/19/0419, mwN).
10 Schließt sich das BVwG nicht nur der Beweiswürdigung der Verwaltungsbehörde an, sondern zeigt darüber hinaus in seiner Beweiswürdigung noch weitere bedeutsame Aspekte auf, mit denen es die Widersprüchlichkeit des Vorbringens begründet, nimmt es damit eine zusätzliche Beweiswürdigung vor, die dazu führt, dass das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung nicht bloß unwesentlich ergänzt. Eine solche (ergänzende) Beweiswürdigung hat jedoch regelmäßig erst nach einer mündlichen Verhandlung, in der auch ein persönlicher Eindruck von der betroffenen Person gewonnen werden kann, zu erfolgen (vgl. VwGH 18.10.2018, Ra 2018/19/0484, mwN).
11 Im vorliegenden Fall vermag die Revision nicht aufzuzeigen, inwiefern das BVwG eine ergänzende Beweiswürdigung im Sinn der obigen Ausführungen vorgenommen hätte. Das BVwG hat sich der Beweiswürdigung des BFA angeschlossen und sich auf bereits von der Behörde tragend herangezogene Argumente gestützt. Dass es darüber hinaus, ohne die grundsätzliche Beweiswürdigung der Verwaltungsbehörde in Frage zu stellen, im Rahmen das Gesamtbild abrundender Erwägungen weitergehende Aspekte aufgezeigt hat, führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Abstandnahme von der Verhandlung. Daran ändert auch die vom BVwG vorgenommene Wahrunterstellung des Fluchtvorbringens sowie die darauf aufbauende Beurteilung, dass dem Revisionswerber dennoch keine asylrelevante Verfolgung drohe, nichts (zur Frage der Verhandlungspflicht im Fall der Wahrunterstellung siehe etwa VwGH 26.11.2014, Ra 2014/19/0059, mwN).
12 Soweit die Revision in Zusammenhang mit der Verletzung der Verhandlungspflicht rügt, dass sich das BVwG mit dem handschriftlich verfassten Dokument des Revisionswerbers nicht auseinandergesetzt habe und die Beschwerdesache daher nicht geklärt sei, ist auf die Begründung des BVwG zu verweisen, wonach sich dem vorgelegten Verfahrensakt kein solches Schreiben entnehmen lasse. Zudem weist das BVwG in seiner Begründung auch auf die Anmerkung im Bescheid des BFA hin, dass der Revisionswerber keine Beweismittel vorgelegt habe und auch der Beschwerdeschriftsatz keine [wie darin ausgeführt] „Beilage /A.“ enthalte. Dieser Begründung setzt die Revision nichts Stichhaltiges entgegen und ergibt sich für den Verwaltungsgerichtshof auch nichts Gegenteiliges aus dem verwaltungsbehördlichen Akt.
13 Da schon nach den Kriterien des § 21 Abs. 7 BFA VG ein Unterbleiben der mündlichen Verhandlung zulässig war, stellt sich die Frage, ob nach § 21 Abs. 6a BFA VG im Rahmen der Ermessensübung von der Durchführung der Verhandlung Abstand genommen werden kann, nicht mehr (vgl. etwa VwGH 21.9.2022, Ra 2022/19/0104, mwN).
14 Werden schließlich Verfahrensmängel wie hier Ermittlungs- und Begründungsmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass auf das Wesentliche zusammengefasst jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 27.1.2023, Ra 2022/19/0253, mwN).
15 Eine solche Relevanzdarstellung gelingt der Revision mit dem bloßen Zitieren von höchstgerichtlichen Entscheidungen nicht.
16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 15. Juni 2023