JudikaturVwGH

Ra 2023/16/0125 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
28. August 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätin Dr. Reinbacher sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision des Finanzamtes Österreich (Dienststelle Niederösterreich Mitte) in St. Pölten, Daniel Gran Straße 8, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 27. Juli 2023, RV/5100642/2022, betreffend Familienbeihilfe (mitbeteiligte Partei: G R), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde des Mitbeteiligten gegen die beiden Bescheide des Finanzamtes Österreich, jeweils vom 15. Juli 2022, mit denen zum einen sein Antrag auf Familienbeihilfe vom 31. März 2022 (betreffend den Sohn des Mitbeteiligten) für die Monate Februar 2022 bis September 2022 abgewiesen, zum anderen die bereits ausgezahlte Familienbeihilfe (samt Kinderabsetzbetrag) für die Monate Juli 2021 und August 2021, sowie Juni 2022 und Juli 2022 zurückgefordert wurde, teilweise Folge und änderte diese Bescheide dahingehend ab, dass es die Abweisung des Antrages auf Familienbeihilfe auf die Monate Februar 2022 bis Juni 2022 und die Rückforderung der Familienbeihilfe auf den Monat Juni 2022 einschränkte. Das Bundesfinanzgericht sprach aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

2 Das Bundesfinanzgericht führte nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und auf das Wesentliche zusammengefasst aus, der im März 2002 geborene Sohn des Mitbeteiligten habe im Juni 2021 die Schulausbildung mit Ablegung der Reifeprüfung abgeschlossen und ab 1. September 2021 den Zivildienst geleistet. Er sei nach mehreren Krankenständen von 17. Februar 2022 bis 2. März 2022 in stationärer Behandlung in einem näher angeführten Universitätsklinikum und anschließend bis Ende April 2022 im Krankenstand gewesen. Vom 24. Mai 2022 bis 1. Juli 2022 habe er an einem ambulanten Rehabilitationsprogramm in einer näher genannten Gesundheitseinrichtung teilgenommen.

3 Am 23. Februar 2022 sei der Sohn des Mitbeteiligten gemäß § 19a ZDG vorzeitig aus dem ordentlichen Zivildienst entlassen worden, weil er zu diesem Zeitpunkt bereits 24 Kalendertage aus gesundheitlichen Gründen dienstunfähig gewesen sei. Am 8. Juli 2022 sei er von der zuständigen Stellungskommission mit Beschluss für untauglich erklärt worden, womit der Zivildienst nach Unterbrechung bzw. Entlassung wegen Krankheit an diesem Tag geendet habe.

4 Ab dem am 1. Oktober 2022 beginnenden Wintersemester 2022/23 sei der Sohn des Mitbeteiligten als ordentlicher Studierender an einer näher genannten Universität inskribiert gewesen. Er habe zum frühestmöglichen Zeitpunkt (im Herbst 2022) nach Ende des Zivildienstes (im Juli 2022) mit dem Studium begonnen.

5 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesfinanzgericht aus, strittig sei, ob der Sohn des Mitbeteiligten gemäß § 2 Abs. 1 lit. d FLAG zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach dem Abschluss der Schulausbildung im Juni 2021, bzw. gemäß § 2 Abs. 1 lit. e FLAG zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach dem Ende des Zivildienstes mit der weiteren Berufsausbildung begonnen habe. Dies sei nach der vom revisionswerbenden Finanzamt vertretenen Rechtsauffassung zu verneinen, weil er den Zivildienst mit 23. Februar 2022 beendet habe und bereits im Sommersemester 2022 mit dem Studium hätte beginnen können.

6 Der Zivildienst habe allerdings nicht mit der vorzeitigen Entlassung wegen Krankheit am 23. Februar 2022 geendet, sondern erst mit dem Beschluss der Stellungskommission vom 8. Juli 2022, mit welchem die Untauglichkeit zum Wehrdienst ausgesprochen worden sei. Zivildienstpflichtige, die aus dem Zivildienst vorzeitig entlassen worden seien, hätten gemäß § 19a Abs. 5 ZDG den Wegfall der Voraussetzungen für die vorzeitige Entlassung unverzüglich der Zivildienstserviceagentur mitzuteilen. Für die verbleibende Dienstzeit habe gemäß § 19a Abs. 4 ZDG nach Wegfall des Entlassungsgrundes sobald wie möglich eine weitere Zuweisung zu erfolgen. Der Zivildienst sei daher krankheitsbedingt unterbrochen, aber nicht „beendet“ worden, weil im Fall einer Genesung der Zivildienst hätte fortgesetzt werden müssen.

7 Der Sohn des Mitbeteiligten habe daher das Studium zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Beendigung des Zivildienstes im Oktober 2022 begonnen. Für die Zeit der Unterbrechung des Zivildienstes wegen Krankheit bestehe kein Anspruch auf Familienbeihilfe.

8 Die gegen dieses Erkenntnis erhobene außerordentliche Amtsrevision die sich nach ihrer Anfechtungserklärung ausschließlich dagegen wendet, dass das Bundesfinanzgericht die angefochtenen Bescheide in Bezug auf den Monat Juli 2022 abgeändert bzw. eingeschränkt hat legte das Bundesfinanzgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor. Der Verwaltungsgerichtshof leitete das Vorverfahren ein. Der Mitbeteiligte erstattete keine Revisionsbeantwortung.

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein derartiger Beschluss ist nach § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12 Das Finanzamt bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur grundsätzlichen Rechtsfrage, ob für volljährige Kinder für den Monat (im vorliegenden Fall der Monat Juli 2022), in dem sie den Präsenz-, Ausbildungs- oder Zivildienst bzw. einen freiwilligen Dienst beenden, entgegen § 10 Abs. 2 FLAG ein Familienbeihilfenanspruch gegeben sei.

13 Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dargetan, weil der Zeitpunkt der Entstehung (und des Wegfalls) des Familienbeihilfeanspruchs gesetzlich klar geregelt ist.

14 Ist die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen wie vorliegend klar und eindeutig, liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG vor; dies selbst dann, wenn zu einer Frage der Auslegung der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist (vgl. etwa VwGH 13.6.2025, Ra 2024/13/0082, mwN).

15 Die Frage, ob für einen bestimmten Anspruchszeitraum Familienbeihilfe zusteht, ist anhand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beantworten. Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum ist der Monat. Das Bestehen des Familienbeihilfenanspruchs für ein Kind kann somit von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein (vgl. etwa VwGH 5.9.2024, Ra 2022/16/0035, mwN).

16 Gemäß § 10 Abs. 2 FLAG wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

17 Werden somit die Voraussetzungen für den Anspruch auf Familienbeihilfe nicht bereits mit Beginn eines Monats, sondern erst im Laufe dieses Monats erfüllt, entsteht der Anspruch dennoch bereits mit Beginn dieses Monats. Fallen im umgekehrten Fall die Voraussetzungen für den Anspruch auf Familienbeihilfe nicht erst mit Ende eines Monats, sondern schon im Laufe dieses Monats weg, erlischt der Anspruch dennoch erst mit Ablauf dieses Monats.

18 Übertragen auf die revisionsgegenständliche Fallkonstellation bedeutet dies, dass, wenn die Beendigung der in § 2 Abs. 1 lit. e FLAG genannten Dienste (Präsenz , Ausbildungs sowie Zivildienst oder Freiwilliger Dienst) bereits vor Ablauf eines Monats erfolgt (somit während des Monats), die Voraussetzungen für den Anspruch auf Familienbeihilfe grundsätzlich bei Erfüllung der in § 2 Abs. 1 lit. e FLAG genannten Voraussetzung, wonach die (nachfolgende) Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt begonnen oder fortgesetzt wird mit dem der Beendigung folgenden Tag erfüllt werden und der Anspruch gemäß § 10 Abs. 2 FLAG bereits mit Beginn des Monats (und somit für den gesamten Monat, in dem die Beendigung erfolgt ist) besteht (vgl. dazu etwa den dem Erkenntnis des VwGH vom 21.9.2006, 2004/15/0103, zugrundeliegenden Sachverhalt, nach dem die Familienbeihilfe für den Monat, in dem das anspruchsvermittelnde Kind den Präsenzdienst beendet hatte [Beendigung am 5. September], gewährt wurde; vgl. dazu auch ausdrücklich VwGH 14.12.2015, Ro 2015/16/0005, zur Bejahung des Familienbeihilfeanspruchs für den Monat der Beendigung des Präsenzdienstes [Beendigung am 2. Mai] aufgrund der nachfolgenden, zum frühestmöglichen Zeitpunkt begonnenen Berufsausbildung).

19 Im vorliegenden Fall hat das Bundesfinanzgericht die Beurteilung getroffen, der Sohn des Mitbeteiligten habe seine Berufsausbildung Studium an einer Universität zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach dem Ende seines Präsenzdienstes begonnen. Dagegen wendet sich das revisionswerbende Finanzamt nicht (ebensowenig gegen das vom Bundesfinanzgericht angenommene Ende des Präsenzdienstes mit Ergehen des Beschlusses der zuständigen Stellungskommission vom 8. Juli 2022).

20 Vor diesem Hintergrund kann dem Bundesfinanzgericht nicht entgegengetreten werden, wenn es den Anspruch auf Familienbeihilfe für den Monat Juli 2022 bejaht hat.

21 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

22 Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass nach § 13 zweiter Satz FLAG ein Bescheid nur dann zu ergehen hat, wenn einem Antrag auf Familienbeihilfe nicht oder nicht vollinhaltlich stattgegeben wird. Die Stattgabe eines Antrags auf Familienbeihilfe erfolgt durch deren Gewährung (Auszahlung). Das Bundesfinanzgericht hätte daher bei (teilweiser) Stattgabe der Beschwerde den abweisenden Bescheid des Finanzamts nicht abändern dürfen, sondern hätte diesen im entsprechenden Umfang ersatzlos beheben müssen (vgl. etwa VwGH 24.10.2024, Ra 2024/16/0025, mwN).

Wien, am 28. August 2025

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