JudikaturVwGH

Ra 2023/16/0072 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
14. Oktober 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätin Dr. Reinbacher sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision des Zollamts Österreich gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 12. April 2023, RV/7200080/2021, betreffend Antidumpingzoll (mitbeteiligte Partei: M GmbH, vertreten durch die KPMG Alpen Treuhand GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht den Beschwerden der Mitbeteiligten gegen zwei Bescheide des Zollamts Österreich über die nachträgliche buchmäßige Erfassung von Eingangsabgaben (Antidumpingzoll und Einfuhrumsatzsteuer) Folge und hob diese Bescheide auf. Es sprach weiters aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

2 Das Bundesfinanzgericht führte nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens im Wesentlichen aus, in zwei Zollanmeldungen vom 8. März 2018 sei für die unter der Warennummer 7607 1119 30 angemeldeten Waren („Aluminiumfolie zu Verpackungszwecken, keine Haushaltsfolie“) der Antidumping-Zusatzcode „C198“ erklärt worden, weshalb ein Zollbetrag unter Anwendung des Zollsatzes von 7,5 % und die Einfuhrumsatzsteuer (jeweils in näher angeführter Höhe) festgesetzt worden seien. Die Waren seien mit Rechnungen jeweils vom 8. Jänner 2018 vom chinesischen Hersteller Jiangsu Zhongji Lamination Materials Co., Ltd an die Q SARL in Luxemburg verkauft worden. Die Rechnungen hätten eine Herstellererklärung der Jiangsu Zhongji Lamination Materials Co., Ltd im Sinne von Art. 3 Abs. 3 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2017/271 der Kommission vom 16. Februar 2017 beinhaltet. Mit Rechnungen jeweils vom 11. Jänner 2018 seien die Waren von der Q SARL an die Mitbeteiligte weiterveräußert worden, wobei diese Rechnungen jeweils eine Erklärung der Q SARL, dass die Waren von der Jiangsu Zhongji Lamination Materials Stock Co., Ltd hergestellt worden seien, beinhaltet habe.

3 Der Firmenname des Unternehmens Jiangsu Zhongji Lamination Materials Co., Ltd habe auf Grund einer geplanten Notierung an einer näher genannten Börse um das Wort „Stock“ ergänzt werden müssen. Am 25. März 2016 sei die Namensänderung auf Jiangsu Zhongji Lamination Materials Stock Co., Ltd. erfolgt. Zwei Jahre später habe sich das Unternehmen für die Deregistrierung von der Börse entschieden und habe den Namenszusatz „Stock“ wieder löschen müssen. Am 11. Oktober 2018 sei die erneute Änderung des Firmenwortlauts auf Jiangsu Zhongji Lamination Materials Co., Ltd erfolgt. Das Unternehmen habe immer in der Rechtsform einer Limited Liability Company (LLC) bestanden.

4 Beim Unternehmen Jiangsu Zhongji Lamination Materials Co., Ltd und beim Unternehmen Jiangsu Zhongji Lamination Materials Stock Co., Ltd handle es sich um denselben Hersteller der Waren.

5 Der festgestellte Sachverhalt sei unbestritten und es sei insbesondere auf Grund vorliegender Bestätigungen der zuständigen Behörden in der Volksrepublik China und eines näher genannten (chinesischen) öffentlichen Notars als erwiesen anzusehen, dass es sich beim Hersteller mit der Bezeichnung Jiangsu Zhongji lamination Materials Co., Ltd. und mit der Bezeichnung Jiangsu Zhongji Lamination Materials Stock Co., Ltd um ein und dieselbe Rechtsperson in Form einer Limited Liability Company (LLC) handle. Diesbezügliche Zweifel seien auch seitens des Zollamtes Österreich nicht vorgebracht worden.

6 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, mit der Verordnung (EG) Nr. 2009/925 des Rates vom 24. September 2009 sei ein endgültiger Antidumpingzoll von 30 % auf die Einfuhren bestimmter Folien aus Aluminium (mit näher genannten Eigenschaften) mit Ursprung in der Volksrepublik China, für alle anderen als die in Artikel 1 Absatz 2 der genannten Verordnung genannten Unternehmen eingeführt.

7 Mit Art. 1 Abs. l der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2017/271 der Kommission vom 16. Februar 2017 zur Ausweitung des mit Verordnung (EG) Nr. 925/2009 des Rates eingeführten endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter Folien aus Aluminium mit Ursprung in der Volksrepublik China auf Einfuhren bestimmter geringfügig veränderter Folien aus Aluminium sei der durch Artikel 1 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 925/2009 für „alle übrigen Unternehmen“ eingeführte Antidumpingzoll auf weitere Folien aus Aluminium ausgeweitet worden.

8 Gemäß Art. 1 Abs. 2 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2017/271 der Kommission gelte die Ausweitung nicht für die Einfuhren in Absatz 1 dieses Artikels aufgeführter Waren die u.a. vom Unternehmen Jiangsu Zhongji Lamination Materials Co., Ltd hergestellt worden seien.

9 Nach Erwägungsgrund 80 der genannten Verordnung habe die Kommission Vor-Ort-Besuche bei den Herstellern, die eine Befreiung von der Ausweitung der Maßnahmen beantragt hätten, durchgeführt und sei zu dem Schluss gelangt, dass sich die Jiangsu Zhongji Lamination Materials Co., Ltd in keiner Weise an Umgehungspraktiken der Verordnung (EG) Nr. 925/2009 des Rates beteiligt habe.

10 Es bestehe kein Zweifel, dass es sich beim Unternehmen Jiangsu Zhongji Lamination Materials Co., Ltd und Jiangsu Zhongji Lamination Materials Stock Co., Ltd um ein- und denselben Hersteller handle, der in der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2017/271 genannt sei. Dass der Firmenwortlaut zum Zeitpunkt der Rechnungslegung und der Einfuhren Jiangsu Zhongji Lamination Materials Stock Co., Ltd gelautet habe, vermag an der Tatsache nichts zu ändern, dass es sich um den in der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2017/271 genannten Hersteller handle, zumal auch der Kommission entgangen sein dürfte, dass zum Zeitpunkt der Erlassung der Durchführungsverordnung am 16. Februar 2017 der Firmenwortlaut bereits auf Jiangsu Zhongji Lamination Materials Stock Co., Ltd gelautet habe.

11 Überdies stimmten sowohl die Rechnungen der Jiangsu Zhongji Lamination Materials Co., Ltd als auch die darin enthaltenen Herstellererklärungen gemäß Art. 1 Z 3 mit der Firmenbezeichnung in der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2017/271 überein. Diese Handelsrechnungen könnten gemäß dem Urteil des EuGH vom 12. Oktober 2017, C-156/16, auch nach der Zollanmeldung vorgelegt werden.

12 Da die Kommission selbst nach Erwägungsgrund 80 der Durchführungsverordnung es als „notwendig“ erachte, jenen Herstellern, die sich an Umgehungspraktiken nicht beteiligt haben, eine Befreiung zu gewähren, sei nicht anzunehmen, dass sie einem der Hersteller diese Möglichkeit durch Nennung eines nicht mehr existenten Firmennamens in der Verordnung habe nehmen wollen. Vielmehr befreie die Durchführungsverordnung das genannte Unternehmen, d.h. die genannte, unverändert gebliebene Rechtsperson von der Ausweitung des Antidumpingzolles.

13 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision, die vom Bundesfinanzgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt wurde.

14 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

15Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

16Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

17 Das Zollamt bringt zur Zulässigkeit der Revision im Wesentlichen vor, das Bundesfinanzgericht habe entschieden, dass eine Begünstigung vom Antidumpingzoll iSd Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2017/271 auch gewährt werden könne, wenn die Firma des die Waren erzeugenden Unternehmens darin nicht genannt sei. Dies stehe im Widerspruch zum genauen Wortlaut der betreffenden Durchführungsverordnung (Art. 1 Z 2 und Z 3 Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2017/271), wonach die Befreiung nur für „ausdrücklich genannte Unternehmen“, welche taxativ aufgezählt seien, gewährt werden könne. Die ,,Jiangsu Zhongji Lamination Material Stock o., Ltd“ (gemeint wohl: „Jiangsu Zhongji Lamination Materials Co., Ltd“) finde unter dieser Auflistung keine Nennung.

18 Die Befreiung vom Antidumpingzoll stelle nach der Rechtsprechung des EuGH eine Ausnahme dar, die nur in bestimmten Fällen gewährt werde. Vorschriften bezüglich solcher Begünstigungen - einschließlich der erforderlichen Formalkriterien - seien eng auszulegen. Werde dieses Kriterium aufgeweicht, bestehe die Gefahr, dass auch nichtbegünstigte Unternehmen Begünstigungen erhalten. Dadurch werde auch der Zweck derartiger Durchführungsverordnungen konterkariert, nämlich nur den Herstellern, welche sich nicht an Umgehungpraktiken beteiligt hätten, eine Befreiung zu gewähren. Zudem würde dadurch auch das bei Umfirmierungen vorgesehene Antragsverfahren bei der Kommission umgangen.

19 Mit diesem Vorbringen wird schon deshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dargelegt, weil das Bundesfinanzgericht festgestellt hat, dass die eingeführten Waren von der in der Durchführungsverordnung (EU) 2017/271 genannten „Jiangsu Zhongji Lamination Materials Co., Ltd“ hergestellt worden seien, dieses Unternehmen die zugrundeliegenden Rechnungen ausgestellt und entsprechende Herstellererklärungen abgegeben habe. Dementsprechend seien die Voraussetzungen des Art. 1 Z 2 und 3 der Durchführungsverordnung (EU) 2017/271 zur Gänze erfüllt.

20 Das Zollamt Österreich wendet sich in der Zulässigkeitsbegründung nicht gegen diese Feststellungen und geht daher mit seiner Rechtsrüge im Kern: Unzulässigkeit der „Uminterpretierung“ eines Firmenwortlauts von einem anderen Sachverhalt aus.

21Ausgangspunkt für die Prüfung, ob eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist der festgestellte Sachverhalt. Entfernt sich der Revisionswerber bei der Darlegung der Zulässigkeit seiner Revision von diesem Sachverhalt, ohne weitere Gründe im Sinn des § 41 VwGG wiederum als Ausfluss einer unrichtigen Beantwortung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutungzu relevieren, liegt schon deshalb keine fallbezogene Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor (vgl. etwa VwGH 12.6.2024, Ra 2022/13/0110, mwN).

22 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 14. Oktober 2025