JudikaturVwGH

Ra 2023/15/0112 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
Steuerrecht
24. April 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr. in Lachmayer und Dr. in Wiesinger als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision der R eGen in V, vertreten durch die BDO Austria Holding Wirtschaftsprüfung GmbH in 1100 Wien, Am Belvedere 4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 11. Oktober 2023, Zl. RV/2100406/2019, betreffend Berichtigung des Körperschaftsteuerbescheides 2012 gemäß §§ 293 ff BAO, zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Im Rahmen einer abgabenbehördlichen Prüfung stellte das Prüfungsorgan fest, die Revisionswerberin, eine Bank, habe in ihren Bilanzen Sparguthaben, die 30 Jahre oder länger unbewegt geblieben seien, als Verbindlichkeiten ausgewiesen. Es vertrat den Standpunkt, solche Sparguthaben (ausgewiesene Verbindlichkeiten) seien gewinnerhöhend aufzulösen, weil mit einer Inanspruchnahme der Bank durch ihre Gläubiger (Kunden) nicht mehr ernsthaft zu rechnen sei.

2 Auf der Grundlage dieser Feststellungen verfügte das Finanzamt die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Körperschaftsteuer 2013 und erließ einen neuen Sachbescheid, in dem es Sparguthaben, die bis zum Jahr 2013 mindestens 30 Jahre nicht mehr bewegt worden sind, gewinnerhöhend in Ansatz brachte.

3 Einer gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2013 gerichteten Beschwerde gab das Bundesfinanzgericht (BFG) mit der Begründung teilweise Folge, dass aufgrund des Prinzips der periodengerechten Gewinnermittlung im Jahr 2013 nur die genau 30 Jahre nicht mehr bewegten Sparguthaben gewinnerhöhend aufzulösen seien.

4 Sodann erließ das Finanzamt einen auf § 293b BAO iVm § 4 Abs. 2 Z 2 dritter Teilstrich EStG 1988 gestützten Berichtigungsbescheid zum Körperschaftsteuerbescheid 2012. Damit nahm es für das Jahr 2012, also das erste im Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch nicht verjährte Jahr, Gewinnzuschläge in Höhe der durch die fehlende Auflösung der unbewegten Sparguthaben unrichtigen Bilanzansätze der jeweiligen „Wurzeljahre“ (Jahre, in welchen für die betreffende Forderung die Frist von 30 Jahren abgelaufen war) vor. Mit diesem Bescheid wurden jene Sparguthaben mittels Zuschlägen iSd § 4 Abs. 2 Z 2 erster Teilstrich EStG 1988 erfasst, die ab 1973 nicht mehr bewegt worden waren, weil für diese ab der Bilanz für 2003 kein Bilanzansatz mehr geboten war und das Zu- und Abschlagssystem des § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 erstmals auf Fehler anzuwenden sei, die Veranlagungszeiträume ab 2003 beträfen. Bei dieser Berichtigung des Körperschaftsteuerbescheids 2012 gemäß § 293b BAO iVm § 4 Abs. 2 Z 2 dritter Teilstrich EStG 1988 erfolgte allerdings eine Hinzurechnung nicht nur hinsichtlich der in den Jahren 2003 bis 2011 aufzulösenden Sparguthaben, sondern auch jener Sparguthaben, für die erst während des Jahres 2012 die Frist von 30 Jahren abgelaufen war.

5 Einer Beschwerde gegen den gemäß § 293b BAO iVm § 4 Abs. 2 Z 2 dritter Teilstrich EStG 1988 ergangenen Berichtigungsbescheid zum Körperschaftsteuerbescheid 2012 gab das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung keine Folge, woraufhin die Revisionswerberin die Vorlage der Beschwerde an das BFG beantragte.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine Revision für nicht zulässig erklärt wurde, wies das BFG die Beschwerde ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, mit der Geltendmachung von Sparguthaben, die seit mindestens 30 Jahren nicht mehr bewegt worden seien, sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr zu rechnen. Im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung habe sich ergeben, dass in den beim Finanzamt eingereichten Bilanzen der Jahre 2003 bis 2012 derartige Sparguthaben ausgewiesen seien. Die Bilanzen entsprächen somit nicht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung. Für das erste noch nicht verjährte Jahr, nämlich Körperschaftsteuer 2012, seien daher gemäß § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 steuerwirksame Gewinnzuschläge betreffend die Jahre 2003 bis 2012 vorzunehmen.

7 Dass § 293b BAO iVm § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 in Bezug auf die im Jahr 2012 (betreffend Körperschaftsteuer 2012) aufzulösenden Sparguthaben nicht anwendbar sei, treffe entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung nicht zu. Mit einer Geltendmachung dieser Sparguthaben sei nämlich ebenfalls mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr zu rechnen. Damit bestehe aber auch für die im Jahr 2012 30 Jahre unbewegten Sparguthaben eine Unrichtigkeit iSd § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988, nämlich ein Mangel der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung.

8 Sowohl § 293b BAO als auch § 303 BAO verfolgten den Zweck, dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit gegenüber jenem der Rechtsbeständigkeit den Vorrang einzuräumen. Das Verhältnis der Verfahrenstitel untereinander sei vom Grundsatz der Verfahrensökonomie getragen. Es könne nicht Absicht des Gesetzgebers sein, dass die bereits vor dem Jahr 2012 mehr als 30 Jahre nicht bewegten Sparguthaben gemäß § 293b BAO iVm § 4 Abs. 2 Z 2 dritter Teilstrich EStG 1988 zu berichtigen seien, wohingegen die Berichtigung der im Jahr 2012 genau 30 Jahre nicht bewegten Sparguthaben im Wege der Wiederaufnahme des Körperschaftsteuerverfahrens 2012 nach § 303 BAO zu erfolgen habe. Die Korrektur der zu Unrecht als Verbindlichkeit ausgewiesenen unbewegten Sparguthaben könne daher uno actu nur über § 293b BAO iVm § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 erfolgen, zumal diese Regelung explizit auf das erste nichtverjährte Jahr nämlich hier das Jahr 2012 abstelle.

9 Die gegen dieses Erkenntnis gerichtete außerordentliche Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, die angefochtene Entscheidung des BFG weiche von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab: Gegenständlich sei als Vorfrage zur Beurteilung der Zulässigkeit der Wurzelberichtigung die Rechtsfrage zu beantworten, ob Banken die Verbindlichkeiten betreffend Sparguthaben, die 30 Jahre hindurch nicht „bewegt“ worden seien, zwingend im 30. Jahr nach der letzten „Bewegung“ ertragswirksam auflösen müssten.

10 Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 12. Jänner 1993, 89/14/0188, ausgesprochen, dass eine verjährte Schuld dann ertragswirksam zu erfassen sei, wenn der Schuldner den Entschluss gefasst habe, die nach Eintritt der Verjährung weiterbestehende Naturalobligation nicht mehr zu erfüllen und diesen Willensentschluss durch entsprechende Ausbuchung im Rechenwerk gegenüber der Außenwelt manifestiere. Im Umkehrschluss folge daraus, dass die Verbindlichkeit weiterhin mit dem geschuldeten Betrag auszuweisen sei, wenn der Schuldner entschlossen sei, die Naturalobligation auch nach Eintritt der Verjährung zu erfüllen.

11 Für den im angefochtenen Erkenntnis vertretenen, gegenteiligen Standpunkt werde vom BFG das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. September 2006, 2002/13/0108, ins Treffen geführt. Diesem Erkenntnis liege ein Sachverhalt zugrunde, in dem der Schuldner die Verbindlichkeit ausgebucht habe. Ob der Schuldner beabsichtigt habe, die Verbindlichkeit zu erfüllen, sei gar nicht zu „beleuchten“ gewesen.

12 Darüber hinaus fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob Banken tatsächlich Verbindlichkeiten betreffend Sparguthaben die 30 Jahre nicht bewegt worden seien, auch dann zwingend ausbuchen müssten, wenn auf die Einrede der Verjährung verzichtet werde.

13 Weiters fehle es an höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur gegenständlich vorgenommenen Anwendung des § 293b BAO iVm § 4 Abs. 2 EStG 1988, nämlich zur Frage, ob angebliche Bilanzierungsfehler betreffend nicht verjährter Jahre (Körperschaftsteuer 2012) im Zuge einer Berichtigung gemäß § 293b BAO iVm § 4 Abs. 2 Z 2 dritter Teilstrich EStG 1988 mitberücksichtigt werden dürften. Überdies fehle auch Rechtsprechung, wie bei der Festsetzung von Zuschlägen gemäß § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 das Ermessen zu üben sei.

14 Das Finanzamt hat über Aufforderung hierzu eine Revisionsbeantwortung erstattet.

15 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

16 Die Revision ist zulässig und begründet.

17 § 4 Abs. 2 EStG 1988 in der Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 2012 (AbgÄG 2012), BGBl. I Nr. 112/2012, lautet:

„(2) Die Vermögensübersicht (Jahresabschluss, Bilanz) ist nach den allgemeinen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung zu erstellen. Nach Einreichung der Vermögensübersicht beim Finanzamt gilt Folgendes:

1. Eine Änderung der Vermögensübersicht ist nur mit Zustimmung des Finanzamts zulässig (Bilanzänderung). Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn die Änderung wirtschaftlich begründet ist.

2. Entspricht die Vermögensübersicht nicht den allgemeinen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung oder den zwingenden Vorschriften dieses Bundesgesetzes, ist sie zu berichtigen (Bilanzberichtigung). Kann ein Fehler nur auf Grund der bereits eingetretenen Verjährung nicht mehr steuerwirksam berichtigt werden, gilt Folgendes:

- Zur Erreichung des richtigen Totalgewinnes kann von Amts wegen oder auf Antrag eine Fehlerberichtigung durch Ansatz von Zu- oder Abschlägen vorgenommen werden.

- Die Fehlerberichtigung ist im ersten zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch nicht verjährten Veranlagungszeitraum insoweit vorzunehmen, als der Fehler noch steuerliche Auswirkungen haben kann.

- Die Nichtberücksichtigung von Zu- oder Abschlägen gilt als offensichtliche Unrichtigkeit im Sinne des § 293b der Bundesabgabenordnung.“

18 Gemäß § 4 Abs. 2 EStG 1988 hat eine Berichtigung der Steuerbilanz zwingend zu erfolgen, wenn der Abgabepflichtige (oder die Finanzbehörde) den Fehler, somit den Verstoß gegen die allgemeinen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung oder zwingende Vorschriften des EStG 1988, entdeckt. Eine Berichtigung der Steuerbilanz des Fehlerjahres („Wurzeljahr“) hat etwa dann zu erfolgen, wenn Bilanzposten fehlen, die zwingend aufzunehmen gewesen wären, wenn Bilanzposten unrichtig sind oder wenn sie zu Unrecht aufgenommen wurden (vgl. VwGH 22.9.2021, Ro 2020/15/0026, mwN).

19 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Unrichtigkeiten in der Bilanz bis zur Wurzel zu berichtigen, und zwar auch dann, wenn die Berichtigung für die abgelaufenen Jahre etwa wegen der Rechtskraft der Veranlagungsbescheide oder wegen eingetretener Bemessungsverjährung keine Änderung der Abgabenvorschreibung zur Folge hat (vgl. VwGH 27.6.2019, Ra 2018/15/0040, mwN).

20 Es entspricht bereits den unternehmensrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung, dass Verbindlichkeiten nicht bilanziert werden dürfen, wenn mit dem Versuch der Durchsetzung der Forderung durch den Gläubiger praktisch nicht mehr zu rechnen ist. Jedenfalls stellt es eine zwingende einkommensteuerliche Regelung dar sie ergibt sich aus der die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen berücksichtigenden Auslegung von § 4 Abs. 1 und § 6 Z 3 EStG 1988 , dass im Betriebsvermögen, welches für die steuerliche Gewinnermittlung maßgeblich ist, nur solche negative Wirtschaftsgüter Berücksichtigung finden dürfen, die mit einer Belastung des Steuerpflichtigen verbunden sind, somit also nicht etwa Verbindlichkeiten, mit deren Geltendmachung durch den Gläubiger nicht zu rechnen ist (vgl. VwGH 13.9.2006, 2002/13/0108, mwN).

21 Sobald unzweifelhaft feststeht, dass eine Verbindlichkeit nicht mehr zu Zahlungen führt, ist sie gewinnerhöhend aufzulösen. Ob und in welcher Besteuerungsperiode ein solcher Sachverhalt eingetreten ist, stellt eine Sachfrage dar, deren Beantwortung der Abgabenbehörde auf der Ebene der Beweiswürdigung obliegt (vgl. VwGH 23.10.2013, 2009/13/0175, mwN).

22 Wenn die Revision rügt, die Entscheidung des BFG stehe im Widerspruch zum Erkenntnis vom 12. Jänner 1993, 89/14/0188, in dem der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen habe, dass eine verjährte Schuld dann ertragswirksam zu erfassen sei, wenn der Schuldner den Entschluss gefasst habe, die nach Eintritt der Verjährung weiterbestehende Naturalobligation nicht mehr zu erfüllen und dieser Willensentschluss durch entsprechende Ausbuchung im Rechenwerk gegenüber der Außenwelt manifestiert werde, ist ihr zu erwidern, dass der Verwaltungsgerichtshof im angeführten Erkenntnis nur ausgesprochen hat, dass fallbezogen auch der (Aus)Buchungsvorgang für den Wegfall einer Verbindlichkeit sprach. Dass aber ohne diesen Ausbuchungsvorgang zwingend von einer weiterhin bestehenden Last des Schuldners auszugehen wäre, ist aus dem angeführten Erkenntnis nicht ableitbar.

23 Das BFG ging im angefochtenen Erkenntnis unter Bezugnahme auf Listen, die von der Revisionswerberin im Rahmen der abgabenbehördlichen Prüfung vorgelegt worden sind davon aus, dass die Einlösequote von Sparguthaben, die mindestens 30 Jahre nicht bewegt worden sind, 0 % beträgt. In der Revision wird dieser Prozentsatz zwar ausdrücklich bestritten, die Revisionswerberin legt aber nicht dar, welcher Prozentsatz in Ansatz zu bringen wäre, obwohl sie über alle für die Ermittlung der tatsächlichen Einlöserate erforderlichen Daten verfügt. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes tritt die Verpflichtung der Behörde, den Sachverhalt nach allen Richtungen über das von ihr als erwiesen erkannte Maß hinaus zu prüfen, in dem Ausmaß zurück, in dem die Partei zur Mitwirkung an der Wahrheitsfindung ungeachtet ihrer Verpflichtung hiezu nicht bereit ist oder eine solche unterlässt (vgl. VwGH 22.4.2009, 2004/15/0144, mwN). Vor dem Hintergrund, dass die Revisionswerberin ihrer Offenlegungspflicht bisher nicht nachgekommen ist, kann nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn das BFG zu dem Ergebnis gelangt ist, dass mit der Geltendmachung der in Rede stehenden Verbindlichkeiten nicht mehr zu rechnen ist und Sparguthaben zur Gänze im Jahresabschluss eines Wirtschaftsjahres aufzulösen sind, in welchem für diese Sparguthaben die Frist von 30 Jahren, in denen sie nicht bewegt worden sind, abläuft.

24 Im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung ist für das Finanzamt neu hervorgekommen, dass in alten Veranlagungsjahren diese Frist abgelaufen und die gewinnerhöhende Auflösung der betroffenen Verbindlichkeiten unterlieben ist. Soweit für solche alten Veranlagungsjahre die Bemessungsverjährung eingetreten war, erweist sich die Voraussetzung des § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988, dass der „Fehler nur auf Grund bereits eingetretener Verjährung nicht mehr steuerwirksam berichtigt werden“ konnte, als erfüllt. Insofern kann es daher auch nicht als rechtswidrig erkannt werden, dass das BFG unter Anwendung von § 293b BAO iVm § 4 Abs. 2 Z 2 dritter Teilstrich EStG 1988 Gewinnzuschläge zum körperschaftsteuerpflichtigen Gewinn des Jahres 2012 vorgenommen hat. Eine allfällige Absicht der Revisionswerberin, auf die Verjährungseinrede zu verzichten, steht einer Auflösung der Verbindlichkeiten für sich genommen jedenfalls nicht entgegen.

25 Berechtigung kommt aber dem Zulässigkeitsvorbringen zu, dass im Rahmen des Berichtigungsbescheides nach § 293b BAO iVm § 4 Abs. 2 Z 2 dritter Teilstrich EStG 1988 zum Körperschaftsteuerbescheid 2012 nur Zuschläge für die bei Erlassung des Berichtigungsbescheides bereits verjährten Jahre 2003 bis 2011, also nicht solche für das noch nicht verjährte Jahr 2012 selbst, vorgenommen werden dürfen. Aus § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 ergibt sich nämlich als eine zwingende Voraussetzung für die Vornahme eines Gewinnzuschlags, dass für das betroffene Wurzeljahr bereits Verjährung eingetreten ist, die Fehlerkorrektur also nur „wegen bereits eingetretener Verjährung“ nicht mehr für das Wurzeljahr vorgenommen werden kann.

26 Gemäß § 293b BAO kann die Abgabenbehörde auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen einen Bescheid insoweit berichtigen, als seine Rechtswidrigkeit auf der Übernahme offensichtlicher Unrichtigkeiten aus Abgabenerklärungen beruht.

27 § 293b BAO setzt somit voraus, dass die Abgabenbehörde den Inhalt einer Abgabenerklärung übernimmt, dem eine offensichtliche Unrichtigkeit zu Grunde liegt. Dies wird dann zu bejahen sein, wenn die Abgabenbehörde bei ordnungsgemäßer Prüfung der Abgabenerklärung die Unrichtigkeit hätte erkennen müssen, ohne ein weiteres Ermittlungsverfahren durchzuführen (vgl. z.B. VwGH 19.9.2013, 2011/15/0107, mwN). Das BFG stützt das angefochtene Erkenntnis nicht darauf, dass diese Voraussetzungen des § 293b BAO im gegenständlichen Fall erfüllt wären.

28 § 4 Abs. 2 Z 2 dritter Teilstrich EStG 1988 ordnet ausdrücklich an, dass die Nichtberücksichtigung von Zu oder Abschläge iSd § 4 Abs. 2 Z 2 erster Teilstrich EStG 1988 als offensichtliche Unrichtigkeit iSd § 293b BAO „gilt“. Hierbei handelt es sich um eine Fiktion, mit der § 293b BAO auf Unrichtigkeiten ausgedehnt wird, die weder Inhalt einer Abgabenerklärung noch offensichtlich sind, nämlich auf (nicht berücksichtigte) Zu oder Abschlägen iSd § 4 Abs. 2 Z 2 erster Teilstrich EStG 1988, die das Finanzamt (als Ermessensentscheidung) vornehmen „kann“. Der Ansatz von Zu oder Abschlägen iSd § 4 Abs. 2 Z 2 erster Teilstrich EStG 1988 setzt allerdings einen Fehler voraus, der nur auf Grund der bereits eingetretenen Verjährung nicht mehr für das Wurzeljahr steuerwirksam berichtigt werden konnte. Dies trifft auf den im Jahr 2012 zu berichtigenden Fehler nicht zu, zumal hinsichtlich Körperschaftsteuer 2012 die abgabenrechtliche Verjährung bei Erlassung des Berichtigungsbescheides zum Körperschaftsteuerbescheid 2012 noch nicht eingetreten war. Vielmehr dürften wohl wie hinsichtlich des Verfahrens betreffend die Körperschaftsteuer 2013 auch in Bezug auf die Körperschaftsteuer 2012 die Voraussetzungen einer amtswegigen Wiederaufnahme nach § 303 BAO vorgelegen sein.

29 Eine Berichtigung des Körperschaftsteuerbescheides 2012 gemäß § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 kommt daher für die im Jahr 2012 vorzunehmende gewinnerhöhende Auflösung von Verbindlichkeiten nicht in Betracht. Soweit das angefochtene Erkenntnis Zuschläge gemäß § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 betrifft, welche sich auf die im Jahr 2012 vorzunehmende gewinnerhöhende Auflösung von Verbindlichkeiten beziehen, erweist es sich daher als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

30 Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 24. April 2025

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