JudikaturVwGH

Ra 2023/14/0437 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
22. Januar 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr. in Sporrer sowie die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Dr. in Sembacher als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Prendinger, in der Revisionssache des H A, vertreten durch Mag. a Nadja Lindenthal, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Siebensterngasse 23/3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. September 2023, W282 2269495 1/5E, betreffend Anerkennung als Flüchtling nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Syriens, stellte am 15. Oktober 2021 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), den er im Wesentlichen mit dem in Syrien herrschenden Krieg und der Befürchtung, von der syrischen Armee als Reservist eingezogen zu werden, begründete.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 1. März 2023 hinsichtlich des Antrags auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab, erkannte dem Revisionswerber jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen die Versagung des Status des Asylberechtigten erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

4 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Begründung ihrer Zulässigkeit Verfahrensmängel im Hinblick auf die Freikaufmöglichkeit von Reservisten und die Rekrutierungspraxis der Regierung sowie Begründungsmängel in diesem Zusammenhang vorbringt, sich weiters gegen die Beweiswürdigung im Zusammenhang mit dem Fluchtvorbringen wendet und in diesem Zusammenhang eine Abweichung von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Wehrdienstverweigerung behauptet.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 3.7.2023, Ra 2023/14/0182, mwN).

9 Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, also aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht (vgl. neuerlich VwGH Ra 2023/14/0182, mwN).

10 Wie der Verwaltungsgerichtshof zur möglichen Asylrelevanz von Wehrdienstverweigerung bereits näher ausgeführt hat, kann auch der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen wie etwa der Anwendung von Folter jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine „bloße“ Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein (vgl. VwGH 7.7.2020, Ra 2020/14/0236, mwN).

11 Werden Verfahrensmängel wie hier Begründungsmängel und Ermittlungsmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass in der gesonderten Begründung der Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensmangels als erwiesen ergeben hätten. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 14.8.2023, Ra 2020/14/0531, mwN).

12 Unter Zugrundelegung der oben dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird die vorliegende Revision mit ihrem Vorbringen zu den Verfahrensmängeln und dem Begründungsmangel nicht gerecht. Auch übersieht sie, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes bzw. der bei seiner Verweigerung drohenden Bestrafung im Allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung darstellt, sondern nur bei Vorliegen eines Konventionsgrundes Asyl rechtfertigen könnte (vgl. VwGH 21.5.2021, Ro 2020/19/0001, mwN).

13 Das BVwG legte nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der es sich einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschaffen konnte dar, aus welchen Erwägungen es zum Ergebnis gelangte, der Revisionswerber habe eine asylrelevante Verfolgung nicht glaubhaft machen können. Dass die beweiswürdigenden Erwägungen des BVwG mit einem vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangel behaftet wären, wird von der Revision mit ihrem Vorbringen nicht aufgezeigt. Denn im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der zur Rechtskontrolle berufene Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 2.5.2023, Ra 2023/14/0118, mwN).

14 Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt gelingt es der Revision fallbezogen auch nicht, eine Verknüpfung zu einem der Verfolgungsgründe des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK herzustellen und damit darzulegen, dass die fallbezogene Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichtes, dass der Revisionswerber keinen Asylgrund im Sinne der GFK glaubhaft gemacht habe, zumal er weder oppositionell tätig gewesen ist noch aufgrund einer oppositionellen Gesinnung ins Blickfeld der syrischen Behörden geraten ist, unvertretbar wäre.

15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 22. Jänner 2024

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