Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr. in Sporrer sowie die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Dr. in Sembacher als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Prendinger, über die Revision des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. August 2023, W151 2275112 1/3E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 und dem FPG (mitbeteiligte Partei: A R, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Goldschmiedgasse 6/6 8), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
1 Der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger Syriens, stellte am 29. Juni 2022 einen Antrag auf internationalen Schutz, und wurde am 30. Juni 2022 dazu erstbefragt gemäß § 19 Abs. 1 Asylgesetz 2005. Mit dem am 11. Juli 2023 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) eingelangten Schriftsatz erhob der Mitbeteiligte Säumnisbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch das BFA.
2 Mit der nun angefochtenen Entscheidung gab das BVwG der Säumnisbeschwerde statt und beauftragte das BVwG das BFA gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG, „den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der im gegenständlichen Erkenntnis festgelegten Rechtsanschauung des Bundesverwaltungsgerichts binnen acht Wochen zu erlassen“ (Spruchpunkt A.). Weiters sprach es aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG unzulässig sei (B.).
3 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision, zu deren Zulässigkeit insbesondere vorgebracht wird, das BVwG sei von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, indem es der belangten Behörde zwar einen Auftrag gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG erteilt, jedoch keine Rechtsanschauung zu maßgeblichen Rechtsfragen darlegt habe, unter deren Zugrundelegung die Behörde einen Bescheid zu erlassen habe. Zudem leide das angefochtene Erkenntnis an einem Begründungsmangel. Dadurch habe es das Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
4 Der Verwaltungsgerichtshof führte über die vorgelegte Amtsrevision ein Vorverfahren, im Zuge dessen der Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattete, in der er die kostenpflichtige Ab- bzw. Zurückweisung der Revision beantragte.
5 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
6 Die vorliegende Amtsrevision erweist sich als zulässig. Sie ist auch begründet.
7 § 28 Abs. 7 VwGVG sieht im Säumnisbeschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht die Möglichkeit vor, dass sich das Verwaltungsgericht auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und das Verfahren an die Behörde mit dem Auftrag zurückverweisen kann, den ausstehenden Bescheid unter Bindung an die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes innerhalb einer Frist von maximal acht Wochen nachzuholen. Durch diese gesetzliche Regelung wird dem Verwaltungsgericht die Wahlmöglichkeit eingeräumt, im Falle einer zulässigen Säumnisbeschwerde die Zuständigkeit in der Angelegenheit unter den näher bestimmten Voraussetzungen wieder auf die Behörde zu übertragen. Eine maßgebliche Voraussetzung für eine solche Entscheidung ist, dass das Verwaltungsgericht darin über einzelne maßgebliche Rechtsfragen der Angelegenheit entscheidet (vgl. VwGH 16.12.2014, Ra 2014/22/0106; 10.11.2015, Ra 2015/19/0144; 15.3.2016, Ra 2015/01/0208; 18.5.2021, Ro 2019/07/0004; 11.7.2023, Ra 2022/07/0205; 19.12.2023, Ra 2023/01/0116, mwN).
8 Diesem Erfordernis ist das BVwG nicht nachgekommen, weil es keine Rechtsanschauung zu maßgeblichen Rechtsfragen dargelegt, sondern ohne die im konkreten Fall zu lösenden Rechtsfragen zu entscheiden der Verwaltungsbehörde die Erlassung des versäumten Bescheides unter Setzung einer Nachfrist aufgetragen hat. In seiner Begründung beschränkt sich das gegenständliche Erkenntnis im Wesentlichen auf allgemeine Ausführungen zum Prüfschema hinsichtlich des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz. Damit wird dem klaren Wortlaut des § 28 Abs. 7 VwGVG, nämlich der Behörde eine Entscheidung in den einzelnen (und daher fallbezogen) maßgeblichen Rechtsfragen vorzugeben, jedoch nicht entsprochen. Diese Entscheidung hat im Spruch des Erkenntnisses zu erfolgen (vgl. erneut insbesonders VwGH 15.3.2016, Ra 2015/01/0208, mwN).
9 Da das BVwG dies verkannte, war das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
10 Der Mitbeteiligte hat bei diesem Ergebnis gemäß § 47 Abs. 3 VwGG keinen Anspruch auf Aufwandersatz (vgl. VwGH 4.12.2020, Ra 2020/01/0365, mwN).
Wien, am 15. Februar 2024