JudikaturVwGH

Ra 2023/12/0100 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
04. Juni 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer sowie Hofrat Mag. Cede und Hofrätin Mag. I. Zehetner als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Strasser, über die Revision des M S in W, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs Kai 5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Juni 2023, W257 2260223 1/8E, betreffend Rufbereitschaften (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Konkrete Personaladministration Nachgeordnete, nunmehr Direktion 1 Einsatz), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Der Revisionswerber steht in einem öffentlich rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und ist dem Bundesministerium für Landesverteidigung zur Dienstleistung zugewiesen.

2 Mit Schriftsatz vom 10. Mai 2022 stellte der Revisionswerber bei der belangten Behörde „den Antrag, bescheidmäßig darüber abzusprechen, ob die (ihm) durch die Dienstpläne erteilten Weisungen, Rufbereitschaften im Ausmaß von 109 Stunden im Jänner 2021, im Ausmaß von 233,75 Stunden im Februar 2021, im Ausmaß von 104,75 Stunden im März 2021, im Ausmaß von 86,75 Stunden im April 2021, im Ausmaß von 64,5 Stunden im Mai 2021, im Ausmaß von 186 Stunden im Juni 2021, im Ausmaß von 189,75 Stunden im Juli 2021, im Ausmaß von 22,5 Stunden im August 2021, im Ausmaß von 174,25 Stunden im September 2021, im Ausmaß von 124,5 Stunden im November 2021, im Ausmaß von 189,5 Stunden im Dezember 2021 zu leisten, rechtmäßig und zu befolgen war oder nicht“.

3 Mit Bescheid vom 23. August 2022 sprach die belangte Behörde wie folgt aus: „Es wird festgestellt, dass die Befolgung der mittels Dienstplänen im Kalenderjahr 2021 erteilten Weisungen zur Rufbereitschaft gem. § 50 Abs. 3 BDG 1979 zu Ihren Dienstpflichten gem. § 44 Beamten Dienstrechtsgesetz 1979 BGBl. Nr. 333/1979 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/1999 gehört.“

4 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet ab und änderte den Spruch des bekämpften Bescheides dahin ab, dass er wie folgt laute: „Der Antrag vom 10.05.2022 über die bescheidmäßige Absprache der Rechtmäßigkeit und Befolgung der erteilten Weisungen ‚Rufbereitschaft‘ wird zurückgewiesen.“ Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG wurde für nicht zulässig erklärt.

5 Unter der Überschrift „Feststellungen“ hielt das Bundesverwaltungsgericht Folgendes fest:

„Der Beschwerdeführer steht als Fachoberinspektor in einem öffentlich rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle ist der Entminungsdienst im Bundesministerium für Landesverteidigung (EMD).

Dem Entminungsdienst obliegt die Bergung, Untersuchung und notwendigenfalls Entschärfung von aufgefundenem Kriegsmaterial aus der Zeit vor dem Jahr 1955. Hauptdienststelle des Entminungsdienstes ist in Wien (Zuständigkeitsbereich: Wien, Niederösterreich, nördliches und mittleres Burgenland); Außenstellen befinden sich in Graz (Zuständigkeitsbereich: Steiermark, Kärnten, südliches Burgenland und Osttirol) und in Hörsching (Zuständigkeitsbereich: Oberösterreich, Salzburg, Nordtirol und Vorarlberg). Der in Wien wohnende Beschwerdeführer befand sich im Kalenderjahr 2021 an 19 Wochen pro Jahr von Montag bis Freitag außerhalb seiner Normaldienstzeit (7:30 Uhr bis 15:30 Uhr) in einem angeordneten Bereitschaftsdienst. Im Jahr 2020 wurde er an 21 Wochen in der Außenstelle Graz zur Rufbereitschaft eingeteilt.

Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, dass dies keine Rufbereitschaft nach § 50 Abs. 3 BDG 1979 darstellt, sondern eine (Dienststellen)Bereitschaft nach § 50 Abs. 1 BDG 1979, weil er im Falle der Einteilung an der Außenstelle nicht seinen familiären und/oder sozialen Interessen nachkommen könne. Zudem sehe § 50 Abs. 3 BDG 1979 vor, dass der Beamte ‚fallweise verpflichtet werden‘ könne Rufbereitschaft vorzunehmen. Er würde aber so oft eingeteilt, dass von keiner ‚fallweisen‘ Einteilung mehr gesprochen werden könne. Sollte er allerdings die höhere Entschädigung entsprechend der (Dienststellen)Bereitschaft nach § 50 Abs. 1 BDG 1979 bekommen (und nicht nur die Entschädigung der Rufbereitschaft) wäre die Anzahl der Einteilungen in der Außenstelle nicht mehr zu hoch.

Die Behörde vertritt mit dem Bescheid die Auffassung, dass der Beschwerdeführer Rufbereitschaft versehen müsse und dies zu seinen Dienstpflichten gehöre. Weder sei die Weisung von einem unzuständigen Organ erteilt worden noch würde die Befolgung gegen strafgesetzliche Bestimmungen verstoßen.

Zudem vertrete die Behörde die Auffassung, dass aus objektiver Sicht zwar keine Remonstration vorliegen würde, doch aus verfahrensökonomischen Gründen wäre eine solche angenommen worden, andernfalls der Antrag zurückgewiesen worden wäre und nach einer erfolgten Remonstration durch den Beschwerdeführer erst im zweiten Rechtsgang eine inhaltliche Entscheidung getroffen werden hätte können. Diesen Aufwand hätte man vermeiden wollen.

In einem ähnlich gelagerten Fall wurde mit Beschluss des VwGH vom 27.11.2020 (gemeint: 6.10.2020), Ra 2020/12/0043 die ao Revision gegen das Erkenntnis des BVwG vom 09.06.2020, GZ W213 2215372 1/10E, zurückgewiesen, mit welchem festgestellt wurde, dass an dieser Dienststelle eine Rufbereitschaft nach § 50 Abs. 3 BDG 1979, und keine Bereitschaft nach § 50 Abs. 1 BDG 1979 vorliegt. Die Abgrenzung vom Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft erfolgte durch den Verwaltungsgerichtshof bereits mit dem zurückweisenden Beschluss zu VwGH 19.4.2016, Ra 2016/12/0024).“

6 Beweiswürdigend hielt das Bundesverwaltungsgericht zusammengefasst fest, der Revisionswerber habe vorgebracht, nicht gegen die Weisung in Form von Dienstplänen und Einteilungen remonstriert zu haben; auch die belangte Behörde gehe von keiner Remonstration aus, habe eine solche dem Verfahren jedoch aus verfahrensökonomischen Gründen zugrunde gelegt. Die „Diskussion“ bzw. „Unterhaltung“ insbesondere in den Jahren 2016 und 2017 mit dem Vorgesetzten über das Ausmaß der Rufbereitschaften sei nicht als Remonstration zu werten.

7 In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Antrag des Revisionswerbers an das Bundesverwaltungsgericht habe gelautet, den Bescheid dahin abzuändern, dass festgestellt werde, dass die mittels Dienstplänen im Kalenderjahr 2021 erteilten Weisungen zur Verrichtung von Rufbereitschaft gemäß § 50 Abs. 3 BDG 1979 keine Befolgungspflichten ausgelöst hätten und diese rechtswidrig (angeordnet) gewesen seien. Der Antrag sei daher (ausschließlich) darauf gerichtet gewesen, „ob die (gemeint: Befolgung der) Weisung zu den Dienstpflichten“ gehöre, worüber die belangte Behörde im bekämpften Bescheid auch abgesprochen habe.

8 Die Pflicht zur Befolgung einer Weisung sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann zu verneinen, wenn einer der in Art. 20 Abs. 1 dritter Satz B VG genannten Tatbestände vorliege also die Weisung von einem unzuständigen Organ erteilt worden sei oder ihre Befolgung gegen strafrechtliche Vorschriften verstoße , weiters wenn die Weisung nach erfolgter Remonstration nicht schriftlich wiederholt worden sei oder wenn ihre Erteilung gegen das Willkürverbot verstoße; ebenso, wenn eine (mit Weisung getroffene) Personalmaßnahme in Bescheidform zu ergehen gehabt hätte. Der Revisionswerber habe in der mündlichen Verhandlung „keinen schlüssigen Grund“ (offensichtlich gemeint: keinen dieser genannten Tatbestände) vorgebracht, die Weisung nicht zu befolgen.

9 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei aufgrund der Funktion des Feststellungsbescheides als subsidiärem Rechtsbehelf eine Remonstration notwendig, um die Zulässigkeit des Feststellungsbescheides zu bejahen (mit Hinweis auf VwGH 13.9.2001, 2001/12/0072, mwN). Weder seien Gründe vorgebracht worden, dass dem Revisionswerber eine Remonstration nicht zumutbar gewesen wäre, noch seien solche zu erkennen.

10 Das Fehlen einer Remonstration sei für das Bundesverwaltungsgericht für die vorliegende Entscheidung „verfahrensmaßgebend“; mangels Vorliegen einer Remonstration habe der Bescheidspruch in eine Zurückweisung abgeändert werden müssen.

11 Weitere Gründe gegen eine Beschwerdestattgabe seien zusammengefasst, auch die vom Revisionswerber begehrte Entscheidung über das Wort „fallweise“ in § 50 Abs. 3 BDG 1979 bedürfe eines Feststellungsantrages nach erfolgter Remonstration, zum Wort „fallweise“ werde auf VwGH 13.6.2003, 2003/12/0031, verwiesen; auch sei unabhängig von der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Oktober 2020, Ra 2020/12/0043 (s. Rn. 5), im vorliegenden Fall eine Remonstration nötig.

12 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

13 In dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren übermittelte die belangte Behörde ein Schreiben, in dem sie ohne nähere Ausführungen „auf das bisher Vorgebrachte“ verwies und die Abweisung der Revision beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

14 Der Revisionswerber bringt zur Begründung der Zulässigkeit seiner Revision insbesondere vor, durch die Zurückweisung seines Antrages verstoße das Bundesverwaltungsgericht gegen die (von ihm näher dargelegte) ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Möglichkeit der Erwirkung eines Feststellungsbescheides.

15 Die Revision erweist sich bereits aus diesem Grund als zulässig und auch berechtigt.

16 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann Gegenstand eines Feststellungsverfahrens im Hinblick auf eine Weisung einerseits die Frage sein, ob die Befolgung einer Weisung zu den Dienstpflichten des Beamten gehört, ob er also verpflichtet ist, diese Weisung zu befolgen. Eine Pflicht zur Befolgung einer Weisung ist unter anderem dann zu verneinen, wenn einer der in Art. 20 Abs. 1 dritter Satz B VG genannten Tatbestände vorliegt, wenn die Weisung nach erfolgter Remonstration nicht schriftlich wiederholt wurde oder wenn die Erteilung gegen das Willkürverbot verstößt. Andererseits kann Gegenstand eines Feststellungsverfahrens aber auch die „schlichte“ Rechtswidrigkeit der Weisung sein, also eine solche, die die Pflicht zu ihrer Befolgung nicht berührt; ein Recht auf eine solche bescheidmäßige Feststellung der Rechtmäßigkeit von Dienstaufträgen besteht jedoch bloß dann, wenn durch einen Dienstauftrag die Rechtssphäre des Beamten berührt wird (vgl. etwa VwGH 5.12.2023, Ro 2022/12/0029, mwN).

17 Im vorliegenden Fall beantragte der Revisionswerber, darüber abzusprechen, ob die ihm durch die Dienstpläne erteilten Weisungen, Rufbereitschaften im Jahr 2021 zu leisten, rechtmäßig und zu befolgen waren.

18 Das Bundesverwaltungsgericht verneinte die Zulässigkeit dieses Feststellungsbegehrens aufgrund nicht erfolgter Remonstration(en).

19 Damit übersieht das Bundesverwaltungsgericht jedoch, dass sich die von ihm zitierte Rechtsprechung (Rn. 9) auf künftige weisungsgemäße Dienstleistungen bezieht: Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 13. September 2001, 2001/12/0072, ausgesprochen, vor dem Hintergrund der Funktion des Feststellungsbescheides als subsidiärem Rechtsbehelf scheidet die Erlassung eines solchen Bescheides darüber, ob ein Beamter (infolge einer derartigen Weisung) zu künftigen weisungsgemäßen Dienstleistungen verpflichtet werden kann, jedenfalls so lange aus, als nicht eine Klärung dieser strittigen Frage im Wege des § 44 Abs. 3 BDG 1979 versucht wurde. Denn vor Durchführung dieses einer möglichen Konfliktbewältigung durch Klarstellung, Erläuterung, Modifizierung oder (ausdrückliche oder entsprechend dem letzten Satz dieser Bestimmung vermutete) Zurückziehung der Weisung dienlichen Verfahrens steht ja der endgültige Inhalt der Weisung, um deren Rechtmäßigkeit es geht, gar nicht fest und muss demnach bis zum Abschluss dieses Verfahrens, auch wenn dieser nicht in der Erlassung eines Bescheides besteht, schon deshalb das Interesse an der Erlassung eines entsprechenden Feststellungsbescheides verneint werden.

20 Dem vorliegenden Fall lag jedoch ein Antrag vom 10. Mai 2022 hinsichtlich bereits ergangener Weisungen in Form von Dienstplänen und Einteilungen, zeitraumbezogen auf das (vergangene) Jahr 2021, zugrunde.

21 Die Remonstrationsmöglichkeit schließt gerade nur für jenen Zeitraum, für den sie offensteht, wegen der Subsidiarität des Feststellungsbescheides vorübergehend den Antrag des Beamten auf Feststellung, ob die Befolgung dieser Weisung zu seinen Dienstpflichten gehört, aus. Wird die Weisung jedoch befolgt, steht die Remonstration (jedenfalls im Regelfall) nicht mehr zur Verfügung (vgl. VwGH 23.7.2020, Ra 2019/12/0072, mwN). Die Unterlassung ihrer zeitgerechten Erhebung schließt ein Feststellungsbegehren hinsichtlich der Weisung nicht schon grundsätzlich aus (vgl. VwGH 20.11.2018, Ro 2018/12/0016, mwN).

22 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Feststellung, ob die Befolgung einer Weisung zu den Dienstpflichten des Beamten gehört, (ebenso wie jene der „schlichten“ Rechtswidrigkeit der Weisung) auch im Falle eines bereits zeitlich abgeschlossenen Geschehens zulässig, wenn dies einer Klarstellung für die Zukunft dient, was etwa dann der Fall ist, wenn die bescheidmäßige Feststellung der Abwehr künftiger Rechtsgefährdungen gleicher Art dient (vgl. erneut VwGH 23.7.2020, Ra 2019/12/0072). Dies war mangels gegenteiliger Anhaltspunkte im vorliegenden Fall gegeben.

23 Indem das Bundesverwaltungsgericht die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Verhältnis der Zulässigkeit eines Feststellungsbegehrens zur Remonstration verkannte, belastete es sein Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

24 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

25 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 4. Juni 2025

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