Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer, die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des Bürgermeisters der Stadt Linz gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 13. April 2023, Zl. LVwG 351295/2/Py/MG, betreffend Sozialhilfe (mitbeteiligte Partei: K H in L),zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Antrag des Revisionswerbers auf Aufwandersatz wird abgewiesen.
1 Mit Bescheid der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde des nunmehrigen Amtsrevisionswerbers vom 2. November 2022 wurde der Antrag der Mitbeteiligten vom 19. September 2022 auf Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs gemäß §§ 20 und 23 Oö. Sozialhilfe Ausführungsgesetz (Oö. SOHAG) zurückgewiesen.
2 Begründend wurde ausgeführt, mit Schreiben des Amtsrevisionswerbers vom 5. Oktober 2022 sei die Mitbeteiligte aufgefordert worden, näher genannte Urkunden bzw. Unterlagen zu ihrem Krankenstand bzw. zu einer Meldung beim AMS, zu einer Person, von der Geldzahlungen auf das Konto der Mitbeteiligten erfolgt seien, sowie zum Abbruch eines Alphabetisierungskurses im April 2022 bzw. zu einer Anmeldung zu einem Deutschkurs vorzulegen. Es sei in diesem Schreiben nachweislich darauf hingewiesen worden, dass die Behörde bei ihrer Entscheidung über den Leistungsanspruch den Sachverhalt, soweit er festgestellt worden sei, zugrunde legen oder bei mangelnder Entscheidungsgrundlage den Antrag zurückweisen könne. Da die Mitbeteiligte ihrer Mitwirkungspflicht nicht fristgemäß nachgekommen sei, fehle für den Antrag die Entscheidungsgrundlage, sodass spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 13. April 2023 wurde einer dagegen von der Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde Folge gegeben und der Bescheid behoben. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG unzulässig sei.
4 Dieser Entscheidung legte das Verwaltungsgericht soweit hier von Interesse zugrunde, die Mitbeteiligte habe das Schreiben des Amtsrevisionswerbers vom 5. Oktober 2022, mit dem sie zur Mitwirkung aufgefordert worden sei, am 11. Oktober 2022 übernommen. Am 15. Oktober 2022 habe eine Mitarbeiterin der Volkshilfe, die die Mitbeteiligte unterstützt habe, ein E-Mail an den Amtsrevisionswerber mit dem Hinweis übermittelt, dass im Namen der Mitbeteiligten die gewünschten Unterlagen übersendet würden. Dem E Mail seien näher genannte Unterlagen angeschlossen gewesen. Von der Mitarbeiterin sei jedoch irrtümlich eine (am 14. Oktober 2022 bei einem Beratungstermin angefertigte) Erklärung der Mitbeteiligten, mit der zu den Fragen im Mitwirkungsauftrag Stellung genommen worden sei, nicht eingescannt und übermittelt worden.
5 In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht nach Wiedergabe von Bestimmungen des SOHAG aus, nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei aufgrund der Zurückweisung des Antrages durch die Behörde „Sache“ des Beschwerdeverfahrens nur die Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung (Verweis auf VwGH 29.4.2010, 2008/21/0302). Eine inhaltliche Entscheidung über den Antrag auf Sozialhilfe sei dem Verwaltungsgericht verwehrt. Sie würde die dem Verwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren gesetzten Grenzen überschreiten und die Entscheidung mit Rechtswidrigkeit belasten (Verweis auf VwGH 29.9.2011, 2010/21/0429).
6 Im vorliegenden Fall sei so das Verwaltungsgericht weiter unbestritten geblieben, dass seitens der Mitbeteiligten innerhalb der von der Behörde gesetzten Frist dem Mitwirkungsauftrag nicht vollständig entsprochen worden sei, weil diese eine Stellungnahme zu den an sie gestellten Fragen schuldig geblieben sei. Jedoch habe die Mitbeteiligte im Verfahren glaubwürdig und schlüssig darlegen können, dass sie an der Nichtübermittlung dieser Unterlagen kein Verschulden treffe. § 22 Abs. 1 Oö. SOHAG lege fest, dass die Behörde die hilfesuchende Person bzw. ihre gesetzliche Vertretung der jeweiligen Sachlage entsprechend zu informieren und zu beraten habe, soweit dies zur Erreichung der Ziele der Sozialhilfe notwendig sei. Dass die Mitbeteiligte aufgrund ihrer persönlichen Situation hinsichtlich einer Antragstellung und Erfüllung der vom Amtsrevisionswerber aufgetragenen Mitwirkung auf Hilfe und Unterstützung angewiesen sei, ergebe sich aus dem Akteninhalt und sei unbestritten geblieben. Dieser Hilfe und Unterstützung sei die Volkshilfe im vorliegenden Fall insofern nachgekommen, als sie die Mitbeteiligte auch sprachlich dabei unterstützt habe, die vom Amtsrevisionswerber geforderten Urkunden und Unterlagen zusammenzustellen und zu übermitteln. Insofern gehe das Vorbringen des Amtsrevisionswerbers, die Mitbeteiligte treffe jedenfalls ein Auswahlverschulden, ins Leere. Aufgrund der konkreten Sachverhaltslage und der vorzunehmenden individuellen Beurteilung könne daher im gegenständlichen Verfahren der Mitbeteiligten das Versehen der Mitarbeiterin der Volkshilfe „nicht zugerechnet werden“. Für eine Zurückweisung des Antrags der Mitbeteiligten seien daher im Hinblick auf die in § 22 Oö. SOHAG festgelegte erweiterte Manuduktionspflicht (Information und Beratung) des Amtsrevisionswerbers (Verweis auf die Materialien zu § 22 Abs. 1 Oö. SOHAG) die Voraussetzungen nicht vorgelegen.
7 Den Ausspruch nach § 25 Abs. 1 VwGG begründete das Verwaltungsgericht nach Wiedergabe der verba legalia und von hg. Judikatur damit, dass die gegenständlich zu beurteilende Frage der ausreichenden Mitwirkung stets einen in der Person der Sozialhilfewerberin liegenden und nicht verallgemeinerungsfähigen Einzelfall darstelle, der sich nach den konkreten Verhältnissen der betroffenen Person (wie etwa Berufsausbildung und Berufserfahrung, Gesundheitszustand, Alter, Deutschkenntnisse) richte.
8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision, in der auch Schriftsatzaufwand begehrt wird.
9 Das Verwaltungsgericht legte die Verfahrensakten vor.
10 Die Mitbeteiligte erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
11 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden außerordentlichen Revision wird unter anderem geltend gemacht, es lägen erhebliche Begründungsmängel vor, die zur Wahrung der Rechtseinheit und Rechtssicherheit einer Korrektur durch den Verwaltungsgerichtshof bedürften. Vom Verwaltungsgericht werde nicht einmal ansatzweise begründet, inwiefern eine „erweiterte Manuduktionspflicht“ gemäß § 22 Abs. 1 Oö. SOHAG in Ansehung des schriftlich und mit der entsprechenden Rechtsbelehrung erteilten Mitwirkungsauftrages relevant sein sollte. Es sei nicht nachvollziehbar, wie die Behörde den Übermittlungsfehler (durch eine Mitarbeiterin der Volkshilfe) „im Rahmen einer (auch erweiterten) Manuduktionspflicht hätte verhindern können“. In § 23 Oö. SOHAG werde auf den Umstand, aus welchen Gründen eine gesetzte Mitwirkungsfrist nicht eingehalten werde, überhaupt nicht Bezug genommen. Das Verwaltungsgericht vermenge Bestimmungen betreffend die Manuduktionspflicht und den Rechtsbehelf der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
12 Die Revision erweist sich als zulässig und begründet.
13 Das Oö. Sozialhilfe Ausführungsgesetz, LGBl. Nr. 107/2019 in der Fassung LGBl. Nr. 107/2022 (Oö. SOHAG), lautet auszugsweise:
„§ 22
Informationspflicht und persönliche Hilfe
(1) Die Behörde hat die hilfesuchende Person (ihre gesetzliche Vertretung) der jeweiligen Sachlage entsprechend zu informieren und zu beraten, soweit dies zur Erreichung der Ziele der Sozialhilfe notwendig ist.
(2) Hilfesuchenden Personen, die zur Erlangung oder Erhaltung von Leistungen der Sozialhilfe auf die Beratung oder Anleitung Dritter angewiesen sind, soll ungeachtet der Erfordernisse der Informationspflicht nach Abs. 1 die Inanspruchnahme von persönlicher Hilfe bei einer Sozialberatungsstelle aufgetragen werden.
(3) Hilfesuchenden Personen, die sich in schwierigen sozialen Situationen befinden, kann zur Abwendung, Milderung oder Überwindung dieser Situation, insbesondere die Inanspruchnahme einer Begleitung durch Fachkräfte oder leistungserbringende Organisationen oder Einrichtungen, aufgetragen werden.
(4) Gegen einen Auftrag im Sinn des Abs. 2 oder 3 ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig. § 19 gilt sinngemäß, wenn die hilfesuchende Person derartige Aufträge ablehnt oder ihnen nicht nachkommt.
§ 23
Mitwirkungspflicht; Ermittlungsverfahren
(1) Die hilfesuchende Person (ihre gesetzliche Vertretung) ist zur Mitwirkung der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts verpflichtet. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht sind jedenfalls Einkommens- und Vermögensverzeichnisse abzugeben, geeignete Unterlagen zum Nachweis der wirtschaftlichen Situation vorzulegen sowie erforderliche Untersuchungen zu ermöglichen.
(2) Kommt eine hilfesuchende Person (ihre gesetzliche Vertretung) ihrer Mitwirkungspflicht innerhalb angemessener Frist nicht nach, kann die Behörde der Entscheidung über den Leistungsanspruch den Sachverhalt, soweit er festgestellt wurde, zugrunde legen oder bei mangelnder Entscheidungsgrundlage den Antrag zurückweisen. Voraussetzung dafür ist, dass die hilfesuchende Person oder ihre Vertretung nachweislich auf die Folgen einer unterlassenen Mitwirkung hingewiesen worden ist.
...
(5) Für die Mitwirkung ist eine angemessene Frist, die mindestens eine Woche betragen muss, zu setzen. Im Mitwirkungsersuchen sind jene Tatsachen, über die Auskunft verlangt wird, im Einzelnen zu bezeichnen.
...
§ 26
Beschwerdeverfahren
...
(3) Kommt die Beschwerdeführerin oder der Beschwerdeführer ihrer oder seiner Mitwirkungspflicht gemäß § 23 erst im Beschwerdeverfahren nach, hat das Landesverwaltungsgericht bei der Beurteilung des bis zu diesem Zeitpunkt bestehenden Leistungsanspruchs der Entscheidung den Sachverhalt, soweit er im Ermittlungsverfahren festgestellt wurde, zugrunde zu legen oder bei mangelnder Entscheidungsgrundlage die Beschwerde insoweit zurückzuweisen. Voraussetzung dafür ist, dass die hilfesuchende bzw. bezugsberechtigte Person oder ihre Vertreterin bzw. ihr Vertreter nachweislich auf die Folgen einer unterlassenen Mitwirkung hingewiesen worden ist.“
14 Die Materialien zum Oö. SOHAG (Bericht des Sozialausschusses, Blg. 1180/2019, XXVIII. GP Oö. LT, S. 25f) lauten auszugsweise:
„ Zu § 22 (Informationspflicht und persönliche Hilfe):
Die erweiterte Manuduktion (Information und Beratung) bezieht sich auf die im konkreten Verfahren relevanten Aspekte. Demnach werden über die Rechtsbelehrung des § 13a AVG hinaus, die lediglich die zur Vornahme einer Verfahrenshandlung nötige Anleitung und eine Belehrung über die damit verbundenen Rechtsfolgen beinhaltet, auch inhaltliche Themenstellungen zu erörtern sein, soweit dies erforderlich ist.
Nach Abs. 3 kann hilfesuchenden Personen, sofern dies zur Abwendung, Milderung oder Überwindung einer schwierigen sozialen Situation (zB Schuldenprobleme oder massive Vermittlungs einschränkungen) erforderlich ist, die Begleitung durch eine Schuldenberatungsstelle nach § 21a Oö. Sozialhilfegesetz 1998, die Inanspruchnahme von Hilfe zur Arbeit nach § 18 Oö. Sozialhilfegesetz 1998, etc. aufgetragen werden.
Mit Abs. 4 wird das allgemein geltende Sanktionssystem auch auf die Inanspruchnahme einer persönlichen Hilfe und von Angeboten der Hilfe zur Arbeit ausgedehnt.
Zu § 23 (Mitwirkungspflicht, Ermittlungsverfahren):
Die in dieser Bestimmung vorgesehene Mitwirkungspflicht ist zur Abwicklung von Verfahren nach diesem Landesgesetz unerlässlich, da zahlreiche Daten, die zB zur Beurteilung der sozialen Notlage oder der möglichen Bemühungen der hilfesuchenden Person erforderlich sind, ausschließlich in der Sphäre der hilfesuchenden Person verfügbar sind und ohne deren Mitwirkung nicht im Verfahren berücksichtigt werden können. Darüber hinaus kann zur Abklärung der Arbeitsfähigkeit eine ärztliche Untersuchung erforderlich sein (zB medizinische Begutachtung durch einen amtsärztlichen Sachverständigen, beim BBRZ oder der Gesundheitsstraße der PVA), der sich die hilfesuchenden Personen im Rahmen der Mitwirkungspflicht unterziehen müssen.
Unter den im Abs. 1 angeführten Unterlagen zum Nachweis der wirtschaftlichen Situation sind jedenfalls Unterlagen bezüglich des Bezugs von öffentlichen Leistungen im Sinn des § 14 Abs. 2 zu verstehen. Von einer Angemessenheit der Frist (Abs. 2) ist bei einer Dauer von zwei Wochen auszugehen.
In einem Verfahren, in dem die Mitwirkung ohne triftigen Grund unterlassen wurde, ist die Behörde auf Grund der gesetzlichen Vorgabe im Abs. 2 nicht mehr zu einer weitergehenden Sachverhaltsermittlung angehalten. Stellt sich auf der Basis der der Behörde zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Unterlagen heraus, dass die erforderlichen Entscheidungsgrundlagen gegeben sind, so hat sie eine Entscheidung in der Sache selbst zu treffen, wobei die unterlassene Mitwirkung im Rahmen der freien Beweiswürdigung (allenfalls auch zu Lasten der hilfesuchenden Person) zu berücksichtigen ist. Stellt sich jedoch heraus, dass wesentliche Unterlagen fehlen und eine sachgerechte Entscheidung nicht in Frage kommt, so hat die Behörde den Antrag zurückzuweisen.“
15 Das Verwaltungsgericht begründet seine Entscheidung ohne konkrete Bezugnahme auf die Tatbestandsvoraussetzungen des § 23 Abs. 2 Oö. SOHAG damit, dass die Voraussetzungen für eine Zurückweisung des Antrags „im Hinblick auf die in § 22 Oö. SOHAG festgelegte erweiterte Manuduktionspflicht ... der Behörde“ nicht vorlägen. Die Mitbeteiligte treffe an der Nichtübermittlung der in Rede stehenden Unterlage kein Verschulden, das Versehen der Mitarbeiterin der Volkshilfe könne ihr nicht zugerechnet werden.
16 Nach § 23 Abs. 2 Oö. SOHAG kann die Behörde bei mangelnder Entscheidungsgrundlage den Antrag zurückweisen, wenn eine hilfesuchende Person (ihre gesetzliche Vertretung) ihrer Mitwirkungspflicht innerhalb angemessener Frist nicht nachkommt und die hilfesuchende Person oder ihre Vertretung nachweislich auf die Folgen einer unterlassenen Mitwirkung hingewiesen worden ist.
17 Dass diese Tatbestandsvoraussetzungen im Entscheidungszeitpunkt der Behörde (siehe dazu unten) im Revisionsfall nicht erfüllt gewesen wären, wird vom Verwaltungsgericht nicht dargelegt:
18 § 23 Abs. 2 Oö. SOHAG enthält zum einen keine Einschränkung dahin, dass eine Zurückweisung des Antrags lediglich bei einer schuldhaften Verletzung der Mitwirkungspflicht zu erfolgen habe. Soweit in den oben wiedergegebenen Materialien zum Oö. SOHAG auf eine Unterlassung der Mitwirkung „ohne triftigen Grund“ Bezug genommen wird, ist darauf hinzuweisen, dass eine derartige Einschränkung dem Gesetzeswortlaut anders als § 24 Abs. 3 Oö. Sozialhilfegesetz 1998 (Oö. SHG 1998; siehe dazu unten) nicht zu entnehmen ist (vgl. zu einer am eindeutigen Gesetzeswortlaut orientierten Interpretation gegenüber den damit in Widerspruch stehenden Materialien VwGH 4.4.2024, Ra 2023/01/0259, mwH).
19 Zum anderen wird im angefochtenen Erkenntnis nicht ausgeführt, welcher konkreten Verpflichtung die Behörde nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes im Revisionsfall nicht entsprochen habe.
20 Aufgrund der vom Verwaltungsgericht ins Treffen geführten Gründe erweist sich die Behebung des vor dem Verwaltungsgericht angefochtenen Bescheides somit als rechtswidrig.
21 Allerdings wurde vom Verwaltungsgericht auch Folgendes unberücksichtigt gelassen:
22 Nach § 26 Abs. 3 Oö. SOHAG hat das Landesverwaltungsgericht, wenn die Beschwerdeführerin oder der Beschwerdeführer ihrer oder seiner Mitwirkungspflicht gemäß § 23 leg. cit. erst im Beschwerdeverfahren nachkommt, bei der Beurteilung des bis zu diesem Zeitpunkt bestehenden Leistungsanspruchs der Entscheidung den Sachverhalt, soweit er im Ermittlungsverfahren festgestellt wurde, zugrunde zu legen oder bei mangelnder Entscheidungsgrundlage „die Beschwerde insoweit zurückzuweisen“.
23 Die oben genannten Materialien zum Oö. SOHAG enthalten dazu keine Ausführungen.
24 Eine derartige Bestimmung fand sich allerdings bereits in § 33 Abs. 3 Oö. Mindestsicherungsgesetz (Oö. MSG). Die Materialien (Bericht des Sozialausschusses, Blg. 434/2011, XXVII. GP Oö. LT, S. 56) führten dazu Folgendes aus:
„Mit dem Abs. 3 wird die Regelung des § 26 Abs. 3 Oö. Sozialhilfegesetz 1998 übernommen und im Lichte des § 30 weiterentwickelt. Soweit Abs. 3 fordert, dass die hilfesuchende bzw. die diese vertretende Person auf die Folgen einer unterlassenen Mitwirkung hinzuweisen ist, wird es als ausreichend angesehen, wenn diese Information anlässlich des erstinstanzlichen Verfahrens gegeben wurde.“
25 Der in den Materialien genannte § 30 Oö. MSG sah in seinem Abs. 2 Folgendes vor:
„Kommt eine hilfesuchende Person (ihr gesetzlicher Vertreter) ihrer Mitwirkungspflicht innerhalb angemessener Frist nicht nach, kann die Behörde der Entscheidung über den Leistungsanspruch den Sachverhalt, soweit er festgestellt wurde, zugrunde legen oder bei mangelnder Entscheidungsgrundlage den Antrag zurückweisen. Voraussetzung dafür ist, dass die hilfesuchende Person oder ihr Vertreter nachweislich auf die Folgen einer unterlassenen Mitwirkung hingewiesen worden ist.“
26 Die Materialien (a.a.O., S. 56) führten dazu auszugsweise Folgendes aus:
„Die Regelung, wie bei einer unterlassenen Mitwirkung zu reagieren ist, hat ihre Grundlage im § 24 Abs. 3 Oö. Sozialhilfegesetz 1998, unterscheidet sich von dieser jedoch in Teilbereichen. Demnach gilt künftig: In einem Verfahren, in dem die Mitwirkung ohne triftigen Grund unterlassen wurde, ist die Behörde auf Grund der gesetzlichen Vorgabe im Abs. 2 nicht mehr zu einer weitergehenden Sachverhaltsermittlung angehalten. Stellt sich auf der Basis der der Behörde zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Unterlagen heraus, dass die erforderlichen Entscheidungsgrundlagen gegeben sind, so hat sie eine Entscheidung in der Sache selbst zu treffen, wobei die unterlassene Mitwirkung im Rahmen der freien Beweiswürdigung (allenfalls auch zulasten der hilfesuchenden Person) zu berücksichtigen ist. Stellt sich jedoch heraus, dass wesentliche Unterlagen fehlen und eine sachgerechte Entscheidung nicht in Frage kommt, so hat die Behörde den Antrag zurückzuweisen. Auch hier gilt (wie bei § 13 Abs. 3 AVG), dass die hilfebedürftige Person dadurch zwar nicht die Möglichkeit einer neuerlichen Antragstellung verliert, aber auf Grund des Ausschlusses einer rückwirkenden Antragstellung für die Zeit bis zur wiederholten Antragstellung keine Leistungen mehr geltend machen kann. Durch die Neuausrichtung dieser Bestimmung über die hilfesuchende Personen nachweislich zu belehren sind wird eine Beschleunigung der Verfahren sowie eine Erhöhung der Dringlichkeit der Mitwirkung erwartet werden können. Für die geforderte Nachweislichkeit reicht es aus, dass die Information anlässlich der Antragstellung (z.B. im Antragsformular) oder im Rahmen des Ermittlungsverfahrens (z.B. anlässlich eines Ersuchens um Mitwirkung) vermittelt wurde und dies aus der Aktenlage nachvollziehbar ist.“
27 Zur Rechtslage nach den in diesen Materialien genannten §§ 24 Abs. 2 und 3 sowie 26 Abs. 3 Oö. SHG 1998 hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VwGH 22.10.2013, 2012/10/0213, VwSlg. 18.723 A, Folgendes ausgeführt:
„Voraussetzung für die Gewährung von Sozialhilfe nach dem Oö. SHG 1998 ist gemäß dessen § 7 das Vorliegen einer ‚sozialen Notlage‘. Eine solche liegt gemäß Abs. 1 Z. 1 dieser Bestimmung bei Personen vor, die ihren Lebensunterhalt nicht decken können. Welche Unterlagen zum Nachweis dieser Voraussetzung vorzulegen sind, wird im Gesetz nicht konkret geregelt. § 24 Abs. 2 Oö. SHG 1998 verpflichtet die hilfesuchende Person lediglich dazu, an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes mitzuwirken und im Rahmen dieser Mitwirkungspflicht die zur Durchführung des Verfahrens unerlässlichen Angaben zu machen und die ‚dafür erforderlichen Urkunden oder Unterlagen‘ beizubringen. Die Folgen der Verletzung dieser Mitwirkungspflicht ohne triftigen Grund sind in § 24 Abs. 3 leg. cit. ausdrücklich geregelt. Demnach kann die Behörde der Entscheidung über den Leistungsanspruch den Sachverhalt, soweit er festgestellt wurde, zu Grunde legen, wenn die hilfesuchende Person oder ihr Vertreter nachweislich auf diese Folgen einer unterlassenen Mitwirkung hingewiesen worden ist. Aus § 26 Abs. 3 leg. cit. ergibt sich, dass über den zugrundeliegenden Antrag auch dann inhaltlich zu entscheiden ist, wenn der Antragsteller seiner Mitwirkungspflicht erst im Berufungsverfahren nachkommt.“
28 An der zuletzt genannten Ansicht ist auch in Bezug auf § 26 Abs. 3 Oö. SOHAG festzuhalten, hat das Verwaltungsgericht nach dieser Bestimmung doch (ebenso wie die Berufungsbehörde gemäß § 26 Abs. 3 iVm § 24 Abs. 3 Oö. SHG 1998 idF vor der Novelle LGBl. Nr. 90/2013 im Berufungsverfahren) wird der Mitwirkungspflicht gemäß § 23 Oö. SOHAG erst im Beschwerdeverfahren nachgekommen bei der Beurteilung des bis zu diesem Zeitpunkt bestehenden Leistungsanspruchs der Entscheidung den Sachverhalt, soweit er im Ermittlungsverfahren festgestellt wurde, zugrunde zu legen. Die in § 26 Abs. 3 Oö. SOHAG (wie zuvor in § 33 Abs. 3 Oö. MSG) genannte Alternative („oder bei mangelnder Entscheidungsgrundlage die Beschwerde insoweit zurückzuweisen“) kann sich nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nur auf jene Fälle beziehen, in denen auch im Beschwerdeverfahren der Mitwirkungspflicht nicht vollständig nachgekommen wurde und aus diesem Grund von einer mangelnden (für eine inhaltliche Entscheidung nicht ausreichenden) Entscheidungsgrundlage auszugehen ist. Dass der Gesetzgeber hingegen auch dann eine „Zurückweisung der Beschwerde“ wegen mangelnder Entscheidungsgrundlage vorsehen habe wollen, wenn der Mitwirkungspflicht gemäß § 23 Oö. SOHAG im Beschwerdeverfahren zur Gänze nachgekommen wurde, kann diesem nicht unterstellt werden.
29 Davon ausgehend trifft es aufgrund der speziellen Regelung des § 26 Abs. 3 Oö. SOHAG nicht zu, dass dem Verwaltungsgericht wird der Mitwirkungspflicht gemäß § 23 Oö. SOHAG erst im Beschwerdeverfahren (vollständig) nachgekommen eine inhaltliche Entscheidung verwehrt wäre. Sie wird vom Gesetzgeber geradezu gegenteilig für jene Fälle vorgesehen, in denen durch die vollständige Mitwirkung im Beschwerdeverfahren keine „mangelnde Entscheidungsgrundlage“ mehr vorliegt.
30 Nach Ausweis der vorgelegten Verfahrensakten hat die Mitbeteiligte was weder in der vorliegenden Revision noch im angefochtenen Erkenntnis erwähnt wird bereits vor der Beschwerdeerhebung mit E Mail vom 4. November 2022 (durch eine Mitarbeiterin der Volkshilfe und unter ausdrücklicher Bezugnahme auf einen „Fehler bei der Mitteilung der Unterlagen“) ein weiteres Schreiben zu den Fragen der Behörde betreffend Kontoüberweisungen und Kursabbruch vorgelegt. Eine Beurteilung dahin, ob die Mitbeteiligte damit ihrer Mitwirkungspflicht gemäß § 23 Oö. SOHAG im Beschwerdeverfahren (vollständig) nachgekommen ist und daher ein Vorgehen nach § 26 Abs. 3 erste Alternative Oö. SOHAG angezeigt war , ist im Revisionsfall allerdings in Verkennung der Rechtslage unterblieben.
31 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
32 Der Antrag des Revisionswerbers auf Aufwandersatz war abzuweisen, weil gemäß § 47 Abs. 4 VwGG im Fall des Art. 133 Abs. 6 Z 2 B VG der Revisionswerber und der Rechtsträger im Sinne des Abs. 5 keinen Anspruch auf Aufwandersatz haben (vgl. VwGH 19.10.2023, Ra 2023/07/0079, mwH).
Wien, am 13. Juni 2024
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