JudikaturVwGhRa 2023/10/0013

Ra 2023/10/0013 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
04. April 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Sasshofer, über die Revision des Magistrats der Stadt Wien gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 21. Oktober 2022, Zl. VGW 141/081/11062/2022 6, betreffend Mindestsicherung (mitbeteiligte Partei: R A in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

1 Mit Bescheid des nunmehrigen Amtsrevisionswerbers vom 28. Juli 2022 wurde die mitbeteiligte Partei gemäß § 24a Wiener Mindestsicherungsgesetz (WMG) verpflichtet, die für den Zeitraum von 10. November 2021 bis 30. April 2022 aufgewendeten Kosten für Leistungen der Mindestsicherung in der Höhe von € 3.541,48 binnen vier Wochen zu ersetzen.

2 Die Behörde ging im Kern davon aus, dass am 27. Mai 2022 eine Nachzahlung des Kinderbetreuungsgeldes für den Zeitraum von 10. November 2021 bis 30. April 2022 in der Höhe von € 3.541,48 erfolgt sei und der aus der Mitbeteiligten, ihrem Ehemann und deren vier mj. Kindern bestehenden Bedarfsgemeinschaft in diesem Zeitraum Leistungen der Mindestsicherung in der Höhe von € 6.674,69 ausbezahlt worden seien.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 21. Oktober 2022 wurde einer dagegen von der Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahin abgeändert, dass für den Zeitraum von 9. März 2022 bis 30. April 2022 aufgewendete Kosten für Leistungen der Mindestsicherung in der Höhe von € 1.091,27 zu ersetzen seien. Weiters wurde ausgesprochen, dass gemäß § 25a VwGG die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B VG unzulässig sei.

4 Begründend führte das Verwaltungsgericht soweit hier von Relevanz aus, die Mitbeteiligte lebe mit ihrem Ehemann und ihren vier mj. Kindern seit 9. März 2022 in einer Mietwohnung an einer näher genannten Adresse in Wien. Im Zeitraum von 10. November 2021 bis 8. März 2022 habe der Ehegatte der Mitbeteiligten eine eigene Bedarfsgemeinschaft gebildet. Der (aus der Mitbeteiligten, ihrem Ehemann und deren vier mj. Kindern bestehenden) Bedarfsgemeinschaft seien mit Bescheid des Amtsrevisionswerbers vom 30. März 2022 Leistungen der Mindestsicherung von 9. März 2022 bis 28. Februar 2023 zuerkannt worden; für den Monat März 2022 seien Leistungen in der Höhe von € 1.371,84 und für den Monat April 2022 Leistungen in der Höhe von € 1.842,67 zugesprochen worden. Der Mitbeteiligten sei nachträglich für den Zeitraum von 10. November 2021 bis 16. September 2022 Kinderbetreuungsgeld in der Höhe von € 14,53 täglich sowie eine Beihilfe zum Kinderbetreuungsgeld in der Höhe von € 6,06 täglich zugesprochen worden, sie habe „für den oben angeführten Zeitraum“ (gemeint offenbar: von 10. November 2021 bis 30. April 2022) im Mai 2022 eine Nachzahlung in der Höhe von € 3.541,48 erhalten.

5 Im gegenständlichen Fall so das Verwaltungsgericht weiter seien der Mitbeteiligten nachträglich Leistungen nach dem Kinderbetreuungsgeldgesetz für den Zeitraum ab 10. November 2021 zuerkannt worden; sie habe jedoch im Zeitraum von 10. November 2021 bis 8. März 2022 keine Leistungen der Mindestsicherung erhalten. Da der aus der Mitbeteiligten, ihrem Ehemann und den vier mj. Kindern bestehenden Bedarfsgemeinschaft erstmals ab 9. März 2022 Leistungen der Mindestsicherung ausbezahlt worden seien, könne ein Kostenersatzanspruch aufgrund des zuerkannten Kinderbetreuungsgeldes auch nur für den Zeitraum von 9. März 2022 bis 30. April 2022 erfolgen. Die Bedarfsgemeinschaft habe im Zeitraum von 9. März 2022 bis 30. April 2022 Leistungen der Mindestsicherung „in der Höhe von EUR 2.860,42“ bezogen. Ihr sei nachträglich Kinderbetreuungsgeld bzw. eine Beihilfe „für diesen Zeitraum in der Höhe von insgesamt EUR 1.091,27 (20,59 x 53) ausbezahlt“ worden. Der Kostenersatz belaufe sich somit auf einen Betrag von € 1.091,27.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision des Magistrats der Stadt Wien.

7 Das Verwaltungsgericht legte die Verfahrensakten vor.

8 Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

9 Das Wiener Mindestsicherungsgesetz, LGBl. Nr. 38/2010 idF Nr. 39/2021 (WMG), lautet auszugsweise:

Kostenersatz bei rückwirkender Zuerkennung von Ansprüchen

Unterstützt das Land Wien als Träger der Mindestsicherung eine Bedarfsgemeinschaft für eine Zeit, in der eine oder mehrere Personen einen Anspruch auf Versicherungsleistungen nach dem ASVG oder dem AlVG oder auf Leistungen ausländischer Pensionsversicherungsträger oder auf Leistungen nach dem Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz oder auf Leistungen nach dem KBGG oder dem UVG oder einen Anspruch auf Unterhalt oder auf Wohnbeihilfe nach dem WWFSG 1989 haben, so sind alle anspruchsberechtigten Personen der Bedarfsgemeinschaft solidarisch zum Ersatz der Kosten verpflichtet, die durch die Gewährung von Leistungen nach diesem Gesetz in dieser Zeit entstanden sind. Der Kostenersatzanspruch besteht in voller Höhe der entstandenen Kosten, ohne Berücksichtigung eines Vermögensfreibetrages und unabhängig davon, ob Einkommen oder Vermögen vorhanden ist oder weiterhin eine Notlage besteht. Die Bestimmung des § 24 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden.“

10 Die vorliegende außerordentliche Revision macht in ihrer Zulässigkeitsbegründung ein Abweichen des Verwaltungsgerichtes von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 24a WMG (Verweis auf VwGH 27.3.2019, Ra 2018/10/0129) geltend und bringt vor, bei richtiger Auslegung des § 24a WMG hätte das Verwaltungsgericht den gesamten Betrag des rückwirkend ausbezahlten Kinderbetreuungsgeldes zur Berechnung heranziehen und somit zu Ergebnis kommen müssen, dass die Mitbeteiligte zu einem Kostenersatz in der Höhe von € 3.214,51 verpflichtet sei.

11 Die Revision ist zulässig und begründet.

12 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im genannten Erkenntnis vom 27. März 2019, Ra 2018/10/0129, bereits eingehend mit der Bestimmung des § 24a WMG auseinandergesetzt und unter anderem Folgendes ausgeführt:

„§ 24a WMG sieht einen Kostenersatz für an Bedarfsgemeinschaften geleistete Mindestsicherung für den Fall vor, dass einer oder mehreren Personen der Bedarfsgemeinschaft rückwirkend Versicherungsleistungen aufgrund eines Anspruchs nach dem ASVG oder AlVG bzw. Leistungen nach dem KBGG (bzw. seit der Novelle LGBl. Nr. 49/2018 auch Leistungen nach dem UVG, Unterhaltsleistungen und Leistungen nach dem WWFSG 1989) gewährt werden.

Nach dem Wortlaut der Bestimmung der insoweit in den Gesetzesmaterialien seine Entsprechung findet besteht der Kostenersatzanspruch für Aufwendungen, die durch die Gewährung von Mindestsicherungsleistungen in einer Zeit entstanden sind, in der auch ein Anspruch auf die genannten Versicherungsleistungen bestand. Die Wortfolge ‚für eine Zeit‘ bzw. ‚in dieser Zeit‘ bezieht sich auf den Zeitraum, in dem Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung gewährt wurden. Die in diesem Zeitraum dem Träger der Mindestsicherung entstandenen Kosten sind in ‚voller Höhe‘ (bzw. ‚in vollem Umfang‘), dh. im Umfang der tatsächlich gewährten Mindestsicherungsleistungen, bis zur Höhe der lukrierten Versicherungsleistungen, zu ersetzen.

Die Auffassung des Revisionswerbers, wonach die in Rede stehenden Mindestsicherungskosten lediglich in jener Höhe rückzuerstatten seien, die dem auf den Bezugszeitraum entfallenden Anteil der Versicherungsleistungen entspräche, findet im Gesetz keine Stütze. Diese Auffassung würde im Ergebnis eine - an einer (fiktiven) Aliquotierung der ausbezahlten Versicherungssumme orientierte - Begrenzung der Höhe des Rückersatzanspruches bewirken, die weder mit dem Wortlaut noch dem Zweck der Norm, den Ersatz von Mindestsicherungsleistungen ‚in vollem Umfang‘ sicherzustellen, vereinbar ist.“

13 Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtes entspricht es somit nicht der Rechtslage, die Höhe des Rückersatzanspruches wie vom Verwaltungsgericht angenommen mit einer (fiktiven) Aliquotierung der ausbezahlten Versicherungssumme (hier im Betrag von € 1.091,27, der offenbar das Kinderbetreuungsgeld für den Zeitraum von 53 Tagen [9. März 2022 bis 30. April 2022] darstellen soll) zu begrenzen, zumal dies weder mit dem Wortlaut noch dem Zweck der Norm, den Ersatz von Mindestsicherungsleistungen „in vollem Umfang“ sicherzustellen, vereinbar ist.

14 Zudem ist wie in der Revision zutreffend geltend gemacht wird aus der angefochtenen Entscheidung nicht nachvollziehbar, weshalb das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung davon ausgeht, dass die Bedarfsgemeinschaft „im Zeitraum von 9. März 2022 bis 30. April 2022 Leistungen der Mindestsicherung in der Höhe von EUR 2.860,42“ bezogen habe, wenn in den Sachverhaltsfeststellungen zugrunde gelegt wird, dass der Bedarfsgemeinschaft für den Monat März 2022 Leistungen in der Höhe von € 1.371,84 und für den Monat April 2022 Leistungen in der Höhe von € 1.842,67 - in Summe somit Leistungen in der Höhe von € 3.214,51 - zugesprochen worden seien.

15 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 4. April 2024

Rechtssätze
0

Keine verknüpften Rechtssätze zu diesem Paragrafen