JudikaturVwGhRa 2023/10/0005

Ra 2023/10/0005 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
04. April 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Sasshofer, über die Revision der Niederösterreichischen Landesregierung gegen das am 11. Oktober 2022 mündlich verkündete und am 29. November 2022 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich, Zl. LVwG AV 897/001 2022, betreffend Kostenbeitrag nach dem NÖ Sozialhilfegesetz 2000 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld; mitbeteiligte Partei: M L P [nunmehr: Verlassenschaft nach der am 30. Jänner 2024 verstorbenen M L P] in H, vertreten durch Mag. Alfred Schneider, Rechtsanwalt in 3180 Lilienfeld, Dörflstraße 2), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 16. März 2020 wurde dem Antrag der Mitbeteiligten vom 4. Februar 2020 „auf Hilfe bei stationärer Pflege durch Übernahme der Kosten für die Betreuungs und Pflegemaßnahmen ... ab 11.03.2020“ unter Berufung auf die §§ 12 und 15 NÖ Sozialhilfegesetz 2000 (NÖ SHG) stattgegeben.

2 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 30. Juni 2022 wurde die Mitbeteiligte verpflichtet, zu der mit Bescheid vom 16. März 2020 bewilligten Hilfe bei stationärer Pflege einen Kostenbeitrag von 16. März 2020 bis 31. Mai 2022 in der Höhe von € 27.603,56 zu leisten. Als Rechtsgrundlagen wurden § 15 Abs. 1 NÖ SHG iVm § 4 Abs. 1 Z 3 der Verordnung über die Berücksichtigung von Eigenmitteln sowie die §§ 330a und 707a Abs. 2 ASVG angeführt.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich wurde einer dagegen von der Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben. Weiters wurde ausgesprochen, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

4 Das Verwaltungsgericht ging soweit hier von Relevanz davon aus, dass die Mitbeteiligte am 4. Februar 2020 einen Antrag auf Kostenübernahme bei stationärer Pflege bei der belangten Behörde gestellt und dabei angegeben habe, eine Pension in der Höhe von € 1.262,90 „von der pensionsauszahlenden Stelle Amt der NÖ Landesregierung“, eine Witwenpension in der Höhe von € 890,15 von der ÖBB sowie Pflegegeld der Stufe 3 zu beziehen. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 16. März 2020 sei „ihrem Antrag auf Hilfe bei stationärer Pflege durch Übernahme der Kosten für die Betreuungs und Pflegemaßnahmen“ ab 11. März 2020 stattgegeben worden. Die belangte Behörde habe mit Schreiben vom 31. März 2020 ersucht, die [Witwen ] „Pension und das Pflegegeld der Hilfeempfängerin ab dem nächsten Auszahlungstermin zu teilen“. Seitens der belangten Behörde sei aber aus nicht nachvollziehbaren Gründen kein „Ersuchen betreffend Pensionsteilung“ an das Amt der NÖ Landesregierung ergangen. Erst mit Schreiben vom 3. Mai 2022 sei ein derartiges Ersuchen erfolgt. Es sei sodann am 5. Mai 2022 darüber informiert worden, dass die Pensionsteilung vom Amt der NÖ Landesregierung bislang nicht durchgeführt worden sei und daher eine Forderung in der Höhe von € 27.603,56 für den Zeitraum vom Heimeintritt am 11. März 2020 bis zum Zeitpunkt der Teilung der Pension am 31. Mai 2022 bestünde. Die Mitbeteiligte habe angespartes Geld von ihrem Konto auf Sparbücher übertragen und diese an ihre Enkeltochter verschenkt. Sie habe derzeit ein Vermögen von ca. € 3.000, auf ihrem Konto, weiteres Vermögen habe sie nicht. Ein Kostenersatz wie der vorgeschriebene würde die Mitbeteiligte in eine finanzielle Ausweglosigkeit führen und könnte „von dieser eigenmächtig nicht bestritten werden“.

5 In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht unter anderem aus, in § 15 NÖ SHG sei festgelegt, dass die Leistung bei Hilfe bei stationärer Pflege nach § 12 NÖ SHG unter Berücksichtigung des Einsatzes des Einkommens und der pflegebezogenen Geldleistungen zu erfolgen habe. Weiters dürfe der Einsatz des Einkommens nicht verlangt werden, wenn dadurch die Notlage verschärft oder verschlimmert werden würde. Die Mitbeteiligte habe zwei Pensionen bezogen, dies sei bei der Antragstellung der Behörde auch mitgeteilt und zu keinem Zeitpunkt verschwiegen worden. Die Pensionsabtretung sei von der Behörde jedoch lediglich bei einer der pensionsauszahlenden Stellen begehrt worden, die Pension vom Amt der NÖ Landesregierung sei der Mitbeteiligten in vollem Ausmaß auf deren Konto zugeflossen. Durch den Nichtverbrauch dieses Einkommens sei es in den folgenden Monaten zu Vermögen geworden. Es sei aus dem Akt nicht ersichtlich, weshalb „die Pensionsteilung nur mangelhaft vorgenommen“ worden sei. Das Verwaltungsgericht gehe von einem Versehen oder Vergessen der Behörde aus. Im Zuerkennungsbescheid vom 16. März 2020 finde sich der Hinweis, dass die belangte Behörde einen Antrag auf Pensions und Pflegegeldteilung einbringen werde und von der Mitbeteiligten lediglich Änderungen der Einkommensverhältnisse bekanntzugeben seien.

6 Es liege so das Verwaltungsgericht weiter auch keiner der in § 38 Abs. 1 NÖ SHG aufgezählten Fälle für einen Kostenersatz vor. Die Mitbeteiligte sei weder zu hinreichendem Einkommen gelangt noch sei nachträglich bekannt geworden, dass sie zur Zeit der Hilfeleistung hinreichendes Einkommen gehabt habe. Das Versehen der Behörde könne der Mitbeteiligten nicht angelastet werden, es könne nicht verlangt werden, dass diese „Geld auf ihrem Konto hortet, um etwaige Rückersatzansprüche tilgen zu können“. Die Mitbeteiligte habe im Oktober 2022 lediglich über € 3.000, verfügt; der Ersatzanspruch nach § 38 NÖ SHG setze jedoch voraus, dass der potentiell zum Ersatz Verpflichtete über die Geldmittel, die in ihn in die Lage versetzten, der Ersatzpflicht nachzukommen, tatsächlich verfüge. Zudem wäre die Pflege und Betreuung der Mitbeteiligten nicht mehr sichergestellt, müsste diese den Kostenbeitrag leisten. Da sie „Pflegestufe 4“ beziehe, sei von einem erhöhten Betreuungsaufwand auszugehen, sie könne nicht ohne fremde Unterstützung leben. Die Mitbeteiligte würde in eine soziale Notlage geraten. Die Rückzahlung würde zur Herbeiführung einer Notlage gemäß § 38 Abs. 3 NÖ SHG führen.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss sich die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, aus der gesonderten Darstellung der Zulässigkeitsgründe ergeben. Der Verwaltungsgerichtshof überprüft die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B VG sohin (nur) im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe. Eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG liegt nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage „abhängt“. Dies ist dann der Fall, wenn das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. In der Revision muss daher gemäß § 28 Abs. 3 VwGG konkret dargetan werden, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. VwGH 13.9.2023, Ra 2023/10/0063; 3.3.2023, Ra 2022/10/0094; 28.10.2022, Ra 2022/10/0135). Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. VwGH 14.10.2022, Ra 2022/10/0122; 29.9.2022, Ra 2022/10/0095; 31.7.2020, Ra 2020/10/0073).

11 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden außerordentlichen Revision wird geltend gemacht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu folgender Rechtsfrage:

„Kann ein Kostenbeitrag im Sinne des § 15 Abs. 1 NÖ SHG rückwirkend vorgeschrieben werden, wenn mit Antrag auf Sozialhilfe durch Hilfe bei stationärer Pflege das gesamte Einkommen wahrheitsgemäß bekannt gegeben wird, bejahendenfalls wie lange?“

12 Dazu wird ausgeführt, aus der Systematik „der Kostenforderungstatbestände“, nämlich dem Kostenbeitrag nach § 15 NÖ SHG und dem Kostenersatz nach § 38 NÖ SHG, ergebe sich, dass der Kostenbeitrag „als Rechtsgrundlage stets dann zur Anwendung“ gelange, wenn „im Zeitpunkt der Bewilligung der Sozialhilfe das Einkommen vollständig bekannt“ sei. Nicht geregelt sei jedoch der Zeitraum, in welchem die Behörde die Pensionsteilung beantragen müsse bzw. diese durchgeführt werden müsse, damit „eine Kostenforderung auf § 15 NÖ SHG gestützt“ werden könne. § 38 NÖ SHG komme wie das Verwaltungsgericht rechtsrichtig ausführe (nur) dann zur Anwendung, wenn entweder der Hilfeempfänger zu hinreichendem Einkommen gelange oder nachträglich Einkommen bekannt werde. Das Verwaltungsgericht gehe davon aus, dass ein Kostenbeitrag nach § 15 NÖ SHG nur pro futuro wirken könne. Sollte dies der Fall sein, so müssten „im Umkehrschluss entgegen der Intention des Gesetzgebers die Kosten der stationären Pflege bis zur durchgeführten Pensionsteilung jedenfalls vom Hilfeempfänger gänzlich selbst zu tragen sein“, andernfalls dem Land Niederösterreich als Träger der Sozialhilfe Kosten entstünden, die problemlos vom Hilfeempfänger getragen werden könnten. Es müsse daher möglich sein, „nach Bewilligung der Sozialhilfe bis zur Durchführung einer etwaigen Pensionsteilung einen Kostenbeitrag auf § 15 NÖ SHG“ zu stützen und diesen auch vorzuschreiben.

13 Mit diesen Ausführungen wird allerdings nicht aufgezeigt, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängen sollte:

14 Das Verwaltungsgericht geht nämlich nicht nur davon aus, dass die (nachträglich) auferlegte Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages in der Höhe von € 27.603,56 nicht auf § 38 Abs. 1 NÖ SHG gestützt werden könne, sondern dass überdies auch die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verpflichtung zum Kostenersatz nach § 38 Abs. 3 NÖ SHG vorlägen. Es stützt sich in der Zusatzbegründung auch darauf, dass die Mitbeteiligte (durch die Auferlegung einer Verpflichtung zur Zahlung von € 27.603,56) „in eine soziale Notlage geraten“ würde, womit auf die (im Erkenntnis an zwei Stellen wiedergegebene) Bestimmung des § 15 Abs. 2 NÖ SHG Bezug genommen wird, wonach der Ersatz des Einkommens nicht verlangt werden darf, wenn dadurch die Notlage verschärft oder vorläufig verschlimmert würde. Dazu enthält die vorliegende Revision aber keinerlei Ausführungen. Weshalb daher das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängen sollte, wird nicht dargelegt.

15 Hinzu kommt, dass fallbezogen auch nicht dargelegt wird, weshalb im Revisionsfall in dem mit dem Spruch des Bescheides der belangten Behörde vom 16. März 2020 dem Antrag der Mitbeteiligten auf Hilfe bei stationärer Pflege durch Übernahme der Kosten für die Betreuungs und Pflegemaßnahmen ab 11. März 2020 ohne Auferlegung eines „Kostenbeitrages“ stattgegeben wurde eine Abänderung dieses Bescheides durch den vor dem Verwaltungsgericht angefochtenen Bescheid der belangten Behörde überhaupt in Betracht kam. In der Begründung dieses Bescheides vom 16. März 2020 wurde nach Ausführungen dazu, dass die Mitbeteiligte einen Pflegebedarf im Ausmaß der Stufe 4 des Bundespflegegeldgesetzes und ein Einkommen in Höhe von € 2.081,14 habe, sowie nach Wiedergabe der §§ 13 und 15 NÖ SHG lediglich ausgeführt, dass die Mitbeteiligte hilfebedürftig sei und sich „daher seit 11.03.2020“ in einem näher genannten Pflegeheim befinde. Weiters wurde unter dem Titel „Hinweise“ (u.a.) ausdrücklich darauf verwiesen, dass die Mitbeteiligte „einen Kostenbeitrag aus Pension und Pflegegeld entsprechend den maßgeblichen bundesgesetzlichen Anspruchsübergangsregelungen zu leisten“ habe, wobei die belangte Behörde „einen Antrag auf Pensions und Pflegegeldteilung bei der [die] Pension auszahlenden Stelle“ einbringen werde. Weshalb daher im Revisionsfall eine nachträgliche Abänderung der (rechtskräftigen) „Übernahme der Kosten für die Betreuungs und Pflegemaßnahmen ab 11. März 2020“ im Ergebnis deshalb, weil die Behörde den (von ihr angekündigten) „Antrag auf Pensionsteilung“ hinsichtlich einer Pension unterlassen hat erfolgen hätte dürfen, wird nicht dargelegt.

16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 4. April 2024

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