JudikaturVwGH

Ra 2023/09/0164 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
05. September 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Dr. Doblinger und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Sasshofer, über die außerordentliche Revision des Mag. Dr. A B in C, vertreten durch Mag. Dr. Hanno Zanier, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Servitengasse 5/17, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10. August 2023, W246 2262376 1/8E, betreffend Akteneinsicht in Disziplinarverfahren und Dienstbeschreibungsverfahren nach dem RStDG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Präsident des Bundesverwaltungsgerichtes), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird, soweit sie sich auf die Antragspunkte 2. bis 5. bezieht und damit Einsicht in die Akten bzw. Aktenteile näher genannter Disziplinarverfahren und des Dienstbeschreibungsverfahrens betreffend den Revisionswerber für das Kalenderjahr 2020 begehrt wird, zurückgewiesen.

1 Der Revisionswerber ist Richter des Bundesverwaltungsgerichtes.

2 Mit Schriftsatz vom 10. Mai 2022 stellte er an den (damaligen) Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichtes (im Folgenden: Präsident) den aus insgesamt elf Punkten bestehenden Antrag auf Akteneinsicht (soweit hier von Relevanz)

„1. in meinen Personalakt

2. in alle Akten bzw. Aktenteile in Bezug auf die gegen mich erstattete Disziplinaranzeige, insbesondere in Bezug auf jene Vorgänge zwischen der elfseitigen Sachverhaltsdarstellung vom 5. Mai 2020 und der 43 seitigen Disziplinaranzeige vom 16. September 2020, sowie in alle diesbezüglichen Aktenvermerke und Niederschriften über allfällige Telefonate und Besprechungen sowie in den diesbezüglichen Schrift- und E Mail Verkehr;

3. in alle Akten bzw. Aktenteile in Bezug auf den Antrag auf Ausdehnung der Disziplinaruntersuchung gemäß § 128 Abs. 1 RStDG, in alle diesbezüglichen Aktenvermerke und Niederschriften über allfällige Telefonate und Besprechungen sowie in den diesbezüglichen Schrift- und E Mail Verkehr;

4. in alle Akten bzw. Aktenteile in Bezug auf die gegen ADir. S erstattete Disziplinaranzeige (siehe dazu die Vollmacht in der Anlage), in alle diesbezüglichen Aktenvermerke und Niederschriften über allfällige Telefonate und Besprechungen sowie in den diesbezüglichen Schrift- und E Mail Verkehr;

5. in alle Akten bzw. alle Aktenteile in Bezug auf die Neubeschreibung für das Kalenderjahr 2020, insbesondere in den Antrag des Präsidenten gemäß § 51 Abs. 3 RStDG, in alle diesbezüglichen Aktenvermerke und Niederschriften über allfällige Telefonate und Besprechungen sowie in den diesbezüglichen Schrift- und E Mail Verkehr;

...“

3 Mit diesem Antrag legte er eine Vollmacht des im Antragspunkt 4. angeführten Beamten vor.

4 Mit Schreiben vom 20. Mai 2022 teilte der Präsident dem Revisionswerber betreffend die begehrte Einsicht in seinen Personalakt mit, dass ein solches Recht unabhängig von § 17 AVG bestehe und er nach entsprechender Terminvereinbarung im Geschäftsbereich Personal darin Einsicht nehmen könne.

5 Mit Bescheid des Präsidenten vom 7. November 2022 wurde der Antrag hinsichtlich der Punkte 2. bis 5., dieser jedoch mit der Einschränkung, dass eine Einsichtnahme in die Dienstbeschreibung gemäß § 55 Abs. 2 RStDG jederzeit möglich sei, sowie der Punkte 6. bis 11., ausgenommen die Einsicht näher konkretisierter Akten, zurückgewiesen.

6 Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde. Der Präsident wies diese Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom 7. November 2022 als unbegründet ab, woraufhin der Revisionswerber die Vorlage an das Bundesverwaltungsgericht beantragte.

7 Mit Erkenntnis vom 10. August 2023 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gegen die erfolgte Zurückweisung des Antrags im Antragspunkt 4. als unzulässig zurück. Hinsichtlich der Zurückweisung des Antrags im Antragspunkt 6. gab es der Beschwerde hingegen teilweise statt, wies die Beschwerde im Übrigen mit einer hier nicht relevanten Maßgabe ab, und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

8 Dazu stellte es soweit für das Revisionsverfahren von Belang unter anderem fest, dass der Präsident am 16. September 2020 eine Disziplinaranzeige gegen den Revisionswerber erstattet habe. Mit Beschluss vom 5. Februar 2021 habe das Bundesfinanzgericht als Disziplinargericht für die Richterinnen und Richter des Bundesverwaltungsgerichtes (Disziplinargericht) gegen den Revisionswerber das Disziplinarverfahren eingeleitet. Mit Schreiben vom 10. März 2022 habe die Disziplinaranwältin einen Antrag auf Ausdehnung der Disziplinaruntersuchung gestellt. Bereits zuvor sei mit Schreiben vom 4. August 2020 eine Disziplinaranzeige gegen den Referenten S erhoben worden. Dieses Verfahren sei mit Disziplinarerkenntnis der Bundesdisziplinarbehörde vom 1. Juni 2022 abgeschlossen worden. Mit Beschluss vom 3. März 2021 habe der Personalsenat des Bundesverwaltungsgerichtes auf Antrag des Präsidenten die Gesamtbeurteilung des Beschwerdeführers für das Kalenderjahr 2020 auf „sehr gut“ herabgesetzt. Der Revisionswerber habe am 26. März 2021 persönlich Einsicht in seine Dienstbeschreibung für das Kalenderjahr 2020 genommen, wobei ihm an diesem Tag Kopien ausgehändigt und in weiterer Folge am 30. März 2021 elektronisch übermittelt worden seien.

9 In rechtlicher Hinsicht erwog das Verwaltungsgericht zum Antragspunkt 4., dass der Revisionswerber aufgrund der von ihm vorgelegten Vollmacht unmissverständlich zu erkennen gegeben habe, dass er insoweit als Vertreter des Beamten einschreite. Nach dem objektiven Erklärungswert der mit dem Antrag vorgelegten Vollmacht sei dem Revisionswerber allerdings keine vollumfängliche Vertretungs- und Zustellbevollmächtigung eingeräumt worden. Da der angefochtene Bescheid (Beschwerdevorentscheidung) ausdrücklich lediglich an den Revisionswerber adressiert worden sei und nicht an den Antragsteller selbst (den Beamten), sei nach näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes somit hinsichtlich dieses Antragspunktes noch kein Bescheid ergangen. Die gegen die behördlich erfolgte Zurückweisung erhobene Beschwerde sei daher schon mangels Vorliegens eines tauglichen Beschwerdegegenstandes zurückzuweisen.

10 Zu den Antragspunkten 2. und 3. führte das Verwaltungsgericht aus, die Disziplinaranzeige sei lediglich als Anregung des Präsidenten an das Disziplinargericht zu verstehen, nach entsprechender Prüfung der aufgezeigten Sachverhalte ein Disziplinarverfahren einzuleiten. Diese Vorgangsweise sei nicht selbst als behördliches Verfahren zu qualifizieren, weil sie von vornherein nicht auf Bescheiderlassung durch die Behörde abziele. Allfällige Schriftstücke, die im Zuge von Maßnahmen der Dienstaufsicht erstellt worden seien, seien keinem eigenen behördlichen also auf Bescheiderlassung gerichteten Verfahren zuzuordnen, in welchem dem Revisionswerber ein Recht auf Akteneinsicht nach § 17 AVG zukommen könnte. Ein derartiges Recht könne dem Revisionswerber allenfalls im Rahmen des vor dem Disziplinargericht geführten Disziplinarverfahrens zukommen. In der Phase der Vorerhebungen vor Einleitung oder Ablehnung einer Disziplinaruntersuchung und in der Phase während der Disziplinaruntersuchung bestehe allerdings kein unbeschränktes Recht auf Akteneinsicht des Beschuldigten (Verweis auf §§ 122 Abs. 1, 126 und 129 Abs. 1 RStDG und der damit normierten Rolle des Untersuchungskommissärs).

11 Die Abweisung der Beschwerde betreffend Antragspunkt 5. stützte das Verwaltungsgericht darauf, dass der Revisionswerber am 26. März 2021 bereits Einsicht in seine Dienstbeschreibung für das Kalenderjahr 2020 genommen habe. Dem Revisionswerber sei zwar ein Recht auf Einsicht in den Antrag nach § 51 Abs. 3 RStDG eingeräumt (Verweis auf VwGH 28.10.2021, Ro 2021/09/0007), allerdings liege die Zuständigkeit hierfür beim Personalsenat des Bundesverwaltungsgerichtes, in dessen Verfahrensakt auch der Antrag auf Neubeschreibung einzuliegen habe. Dem Präsidenten komme daher abgesehen von jenem auf Einsicht in die im Personalakt einliegende Dienstbeschreibung (Neubeschreibung) dafür keine Zuständigkeit zu. Verfahrenseinleitende Anträge seien jedoch dann zurückzuweisen (und nicht lediglich gemäß § 6 AVG weiterzuleiten), wenn die (Un )Zuständigkeit der Behörde zweifelhaft, also nicht offenkundig sei. Dies sei vorliegend der Fall, weil das Akteneinsichtsbegehren teilweise im Personalakt einliegende Aktenteile und teilweise im Dienstbeschreibungsakt einliegende Aktenteile betreffe. Der Antrag sei daher im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen worden.

12 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

13 Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

14 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Er ist weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. unter vielen VwGH 29.11.2023, Ra 2023/09/0038, mwN).

15 Vorauszuschicken ist, dass nach der Geschäftsverteilung des Verwaltungsgerichtshofes Sache des gegenständlichen Senatsbeschlusses nur der Teil des Erkenntnisses ist, soweit dieses über die Antragspunkte 2. bis 5. entschieden hat und die Einsicht in Akten betrifft, die in Disziplinarverfahren und Dienstbeschreibungsverfahren geführt worden sind. Soweit die Revision die begehrte Einsicht in andere Verfahrensakten anspricht, ist auf das zu hg. Ra 2023/12/0128 geführte Revisionsverfahren zu verweisen.

16 Liegen wie im vorliegenden Fall in der angefochtenen Entscheidung trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision auch getrennt zu prüfen (vgl. dazu VwGH 12.12.2022, Ro 2021/09/0032, mwN).

17 Die Begründung der Zulässigkeit der Revision erfordert (abgesehen von den Fällen einer abweichenden oder uneinheitlichen Rechtsprechung) die Darlegung, konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof noch nicht beantwortet hat (vgl. VwGH 19.2.2020, Ro 2018/09/0004, mwN). In Bezug auf die Revisionszulässigkeit bedarf es einer Verknüpfung zwischen der individualisierten Rechtsfrage, dem konkreten Sachverhalt und der darauf basierenden rechtlichen Beurteilung (vgl. VwGH 5.3.2024, Ra 2024/09/0008, mwN). Jedenfalls ist eine konkrete Bezugnahme auf den Revisionsfall herzustellen (vgl. VwGH 28.2.2022, Ro 2022/09/0002 , mwN). Zur Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof im Revisionsverfahren nicht berufen (vgl. etwa VwGH 12.3.2018, Ra 2018/09/0008, mwN).

18 Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Revision mit ihrem pauschalen Zulässigkeitsvorbringen, das sich weitgehend in der Auflistung von abstrakten Rechtsfragen erschöpft, ohne diese konkreten Antragspunkten zuzuordnen oder einen konkreten Fallbezug herzustellen, nicht.

19 Soweit der Revisionswerber für den Fall bereits bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu diesen Fragen hilfsweise ebenfalls pauschal ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes behauptet, ohne darauf einzugehen, mit welcher Begründung das Verwaltungsgericht von welcher konkreten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei, wird auch damit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG aufgezeigt. Ohne konkrete Bezugnahme auf den Einzelfall ist die Zulässigkeit einer Revision nicht gesetzmäßig ausgeführt (vgl. VwGH 15.6.2023, Ra 2023/12/0065, mwN; vgl. dazu auch VwGH 12.7.2021, Ra 2021/09/0163, mwN).

20 Wenn der Revisionswerber in den Ausführungen zur Zulässigkeit seiner Revision ferner Begründungsmängel und eine fehlende Auseinandersetzung mit dem Parteivorbringen vermisst, und vorbringt, es liege eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor, weil tragende Grundsätze des Verfahrensrechts auf dem Spiel stünden, ist darauf hinzuweisen, dass es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ausreicht, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der Verfahrensmängel in konkreter Weise, also fallbezogen, darzulegen (vgl. etwa VwGH 11.12.2023, Ra 2023/09/0177, mwN; vgl. zur Notwendigkeit, die Relevanz zudem auch schon in der abgesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision darstellen zu müssen, etwa VwGH 12.10.2023, Ra 2023/14/0097, mwN). Diesen Anforderungen wird die Zulässigkeitsbegründung nicht gerecht.

21 Schließlich rügt der Revisionswerber in den Ausführungen zur Zulässigkeit der Revision, dass das Bundesverwaltungsgericht nicht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung hätte absehen dürfen.

22 Den Entfall einer mündlichen Verhandlung stützte das Verwaltungsgericht auf § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG, wonach eine Verhandlung entfallen kann, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist. Das Zulässigkeitsvorbringen der Revision enthält keine hinreichend konkreten Ausführungen, dass eine mündliche Verhandlung in Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens des Verwaltungsgerichts dennoch geboten gewesen wäre (vgl. VwGH 19.4.2023, Ra 2022/17/0226, mwN).

23 In der Revision werden keine Rechtsfragen hinsichtlich der Einsicht in die Akten des gemäß § 209 Z 3 und 5 RStDG für das Dienstbeschreibungsverfahren zuständigen Personalsenats bzw. des für die Führung von Disziplinarverfahren zuständigen Disziplinargerichts aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher im Spruch angeführten Umfang zurückzuweisen. Soweit sich die Revision auf eine beantragte Einsicht in vom Präsidenten geführte Akten betreffend die Wahrnehmung im Rahmen von Dienstaufsicht und dienstbehördlicher Aufgaben, die ihm gemäß § 3 BVwGG zukommen, und insbesondere dem Disziplinarverfahren und Dienstbeschreibungsverfahren vorgelagerte Schritte betreffen (siehe zur Verantwortung des die Dienstaufsicht führenden Präsidenten im Zusammenhang mit einen Antrag auf Neubeschreibung eines Richters an den Personalsenat VwGH 20.10.2021, Ro 2021/09/0007, 0030, Rn. 28), wird darüber wie bereits hingewiesen gesondert entschieden werden.

24 Zu der Anregung eines Vorabentscheidungsersuchens im Zusammenhang mit der Auslegung des Art. 47 GRC ist festzuhalten, dass dieser bereits mangels Darlegung, dass die Revision vorliegend von der Lösung dieser Rechtsfrage abhängt, nicht zu folgen war.

Wien, am 5. September 2024

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