Rückverweise
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer und die Hofrätinnen Mag. a Merl und Mag. Liebhart Mutzl als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache 1. der Bürgerinitiative S und 2. der Umweltorganisation L, beide in W und beide vertreten durch Dr. Stefan Gloß, Dr. Hans Pucher, Mag. Volker Leitner, Dr. Peter Gloß und Mag. Alexander Enzenhofer, Rechtsanwälte in 3100 St. Pölten, Wiener Straße 3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 6. April 2021, W102 2227523 1/193E, betreffend Bewilligung einer Schnellstraße nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie; mitbeteiligte Parteien: 1. ASFINAG, vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 19, 2. Land Niederösterreich, vertreten durch die Fellner Wratzfeld Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 12), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit Bescheid des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie (nunmehr: Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie) vom 12. Oktober 2019 wurde der erstmitbeteiligten Partei die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb des Vorhabens „S X T. Schnellstraße [...]“ nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVP G 2000), dem Forstgesetz 1975 und dem Wasserrechtsgesetz 1959 erteilt sowie gemäß Bundesstraßengesetz 1971 (BStG 1971) der Straßenverlauf bestimmt.
2 Gegen diesen Bescheid erhoben die revisionswerbende Bürgerinitiative, die revisionswerbende Umweltorganisation sowie weitere Personen Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG). Dieses wies nach Durchführung dreier mündlicher Verhandlungen mit Erkenntnis vom 6. April 2021 unter anderem die Beschwerden der revisionswerbenden Parteien mit näher ausgeführten Spruchänderungen ab (Spruchpunkte A)I. und A)II.) und erklärte eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig (Spruchpunkt B) ).
3 Begründend führte das BVwG - soweit für die Behandlung der vorliegenden Revision relevant - zusammengefasst aus, die verfahrensgegenständliche Schnellstraße diene nicht nur der lokalen Aufschließung, sondern habe lokale und regionale Erschließungsfunktion. Es sei im Vorfeld der Umweltverträglichkeitsprüfung ein Trassenfindungsprozess abgehalten, im Jahr 2009 eine „strategische Prüfung Verkehr“ durchgeführt und die verfahrensgegenständliche Schnellstraße mit dem BGBl. I Nr. 24/2010 in den Anhang 2 des BStG 1971 mit der Beschreibung „S[...] Knoten S[...] W[...]“ aufgenommen worden. Die Verzeichnisse der Bundesstraßen in den Anhängen des BStG 1971 könnten die Trassenführung „nur in groben Zügen beschreiben“, es sei nach der textlichen Umschreibung klar, wo die Schnellstraße beginnen und wo sie enden solle, und die Beschreibung des Verlaufs der Schnellstraße sei hinreichend bestimmt. Eine Alternativenprüfung sei nicht als Genehmigungsvoraussetzung normiert, im Rahmen des Vorprojektes hinsichtlich der möglichen Trassenführungen jedoch durchgeführt worden. Es hätten sich mehrheitlich Vorteile für die von der Projektwerberin der weiteren Planung zugrunde gelegte Variante ergeben. Die verfahrensgegenständliche Schnellstraße liege außerhalb des räumlichen Anwendungsbereiches des Übereinkommens zum Schutz der Alpen (Alpenkonvention), BGBl. Nr. 477/1995. In Art. 1 der Alpenkonvention sei als Gegenstand dieses Übereinkommens das Gebiet der Alpen, zu dem die Gemeinde W., nicht jedoch die Gemeinde S. zähle, definiert worden. Da die Schnellstraße die Gemeinde W. nicht berühre, liege sie außerhalb des Anwendungsbereichs der Alpenkonvention. Diese sei im Übrigen aufgrund von Art. 8 Abs. 2 Satz 2 des Protokolls zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Verkehr (Protokoll „Verkehr“), BGBl. III Nr. 234/2002 idF BGBl. III Nr. 108/2005, aus näher dargestellten Gründen nicht anzuwenden.
4 Gegen dieses Erkenntnis erhoben die revisionswerbenden Parteien zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 14. Dezember 2022, E 1970/2021-28, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Begründend führte der Verfassungsgerichtshof unter anderem aus, der Straßenverlauf von Straßenzügen sei in den einen Bestandteil des BStG 1971 bildenden Verzeichnissen nur in groben Zügen festzulegen. Eine Verletzung des Bestimmtheitsgebotes sei nicht zu erkennen.
5 In weiterer Folge erhoben die revisionswerbenden Parteien die vorliegende außerordentliche Revision, in der sie zu deren Zulässigkeit fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den „von den Revisionswerbern aufgeworfenen Rechtsfragen“ geltend machen. Zusammengefasst wird vorgebracht, die verfahrensgegenständliche Schnellstraße ende im Verhältnis zur Bestimmung deren Verlaufes im BStG 1971 „grob denkunmöglich“ an der „südlichen Grenze des Gemeindegebietes“ von S. und erreiche W. nicht. Es gebe keine Judikatur, die es zulasse, „Beginn und Ende einer im Gesetz festgelegten Schnellstraße zu kürzen“. Durch die Kürzung des Straßenverlaufes solle die Anwendung der Alpenkonvention und des Protokolls „Verkehr“ ausgeschlossen werden. Art. 8 Abs. 2 Satz 2 des Protokolls „Verkehr“ sei aus näher dargestellten Gründen im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Das „Alpenprotokoll“ (gemeint wohl: Protokoll „Verkehr“) definiere als inneralpinen Verkehr jenen mit Ziel oder Quelle im Alpenraum. Im vorliegenden Fall habe der Verkehr sein Ziel beziehungsweise seine Quelle in W., da der Richtung Süden verlaufende Verkehr nicht mit der südlichen Grenze von S. ende, beziehungsweise sich der Verkehr von W. kommend Richtung Norden bewege. Die Alpenkonvention und das Protokoll „Verkehr“ seien somit anzuwenden. Die Verwirklichungsvoraussetzungen des Protokolls „Verkehr“, insbesondere Fragen zur besseren Auslastung bestehender Straßen- und Bahnkapazitäten, der Ausbau von Bahninfrastruktur und die Verbesserung des Verkehrs durch weitere verkehrsorganisatorische Maßnahmen seien nicht geprüft worden und würden nicht erfüllt.
6 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulässigkeitsbegründung. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision führen hätten können, aufzugreifen (vgl. etwa VwGH 17.11.2022, Ra 2022/06/0245, mwN).
11 Dem Gebot der gesonderten Darstellung der Gründe nach § 28 Abs. 3 VwGG wird insbesondere dann nicht entsprochen, wenn die zur Zulässigkeit der Revision erstatteten Ausführungen der Sache nach Revisionsgründe (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) darstellen oder das Vorbringen zur Begründung der Zulässigkeit der Revision mit Ausführungen, die inhaltlich (bloß) Revisionsgründe darstellen, in einer Weise vermengt ist, dass keine gesonderte Darstellung der Zulässigkeitsgründe vorliegt (vgl. VwGH 17.3.2023, Ra 2023/06/0025, mwN).
12 Die Begründung der Zulässigkeit der Revision erfordert (abgesehen von den Fällen einer abweichenden oder uneinheitlichen Rechtsprechung) die konkrete Darlegung, welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof noch nicht beantwortet hat. Der bloße Umstand, dass zu einer bestimmten Regelung keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht, begründet für sich allein noch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG (vgl. etwa VwGH 11.1.2023, Ro 2020/05/0007, mwN).
13 Die revisionswerbenden Parteien, eine anerkannte Umweltorganisation und eine Bürgerinitiative, sind gemäß § 19 Abs. 4 bzw. § 19 Abs. 10 UVP G 2000 berechtigt, die Einhaltung von Umweltschutzvorschriften als subjektives Recht im UVP-Verfahren geltend zu machen. Unter den Begriff einer „Umweltschutzvorschrift“ im Sinne des § 19 Abs. 4 bzw. 10 UVP G 2000 fallen nicht ganze Rechtsbereiche, sondern die Qualifikation der einzelnen Rechtsnormen ist jeweils für sich vorzunehmen; eine Rechtsnorm kann dann als „Umweltschutzvorschrift“ im Sinne der genannten Gesetzesbestimmungen qualifiziert werden, wenn ihre Zielrichtung (zumindest auch) in einem Schutz der Umwelt - im Sinne einer Hintanhaltung von Gefahren für die menschliche Gesundheit oder die Natur - besteht (vgl. VwGH 17.12.2021, Ra 2021/06/0101 bis 0105, mwN).
14 Die Revision rügt zu ihrer Zulässigkeit, soweit erkennbar, zunächst, der gemäß § 4 BStG 1971 bestimmte Straßenverlauf widerspreche dem im Verzeichnis dieses Gesetzes festgelegten Anfang und Ende, die streng einzuhalten seien.
15 Gemäß dem BStG 1971 werden Straßenzüge durch Aufnahme in ein (einen integrierenden Bestandteil des Gesetzes bildendes) Verzeichnis (Anlage 1 und 2) zu Bundesstraßen erklärt und der Straßenverlauf in groben Zügen mit Anfangs- und Endpunkt bzw. allfälligen Zwischenpunkten durch den Gesetzgeber festgelegt. Die Aufnahme eines Straßenzuges in ein Verzeichnis des BStG 1971 verpflichtet in der Folge den Bund, das Straßenbauvorhaben zu konkretisieren und die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (vormals: Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie) ein entsprechendes Projekt vorzulegen. Der Straßenverlauf wird in weiterer Folge (seit der BStG 1971-Novelle BGBl. I Nr. 154/2004) durch Bescheid (Trassenbescheid) bestimmt (vgl. dazu VwGH 24.08.2011, 2010/06/0002).
16 Die Ausführungen des BVwG, wonach die Straßenverläufe in den Anlagen 1 und 2 zum BStG 1971 nur in groben Zügen festgelegt werden, stehen somit im Einklang mit der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (sowie mit jener des Verfassungsgerichtshofes, vgl. den oben in Rn. 4 zitierten Ablehnungsbeschluss vom 14. Dezember 2022). Mit dem bloßen Hinweis darauf, dass die Schnellstraße an der südlichen Grenze der an W. angrenzenden Gemeinde S. ende, zeigt die Revision nicht auf, dass sich das BVwG im Beschwerdeverfahren bei der Bestimmung der Trasse von dem in groben Zügen im Verzeichnis 2 „Bundesstraßen S“ (Anlage 2 zum BStG 1971) festgelegten Straßenverlauf entfernt hätte. Soweit die Revision auf eine Unterscheidung zwischen dem Verlauf der Schnellstraße und deren Beginn und Ende abstellt und vermeint, letzteres sei „streng einzuhalten“, legt sie nicht nachvollziehbar dar, worauf sie diese Rechtsansicht stützt. Derartiges lässt sich auch weder dem Gesetzeswortlaut noch den Materialien (RV 2452 BlgNr XII. GP, S. 23) entnehmen. Vielmehr wird in den Materialien auf die „Trassenführung“, die nur in groben Zügen zu erfolgen habe, abgestellt und ausgeführt, dass die Ortsnamen in den Verzeichnissen, „Ungefähr Angaben seien“. Vor diesem Hintergrund zeigt die Revision in diesem Zusammenhang keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf. Dahingestellt bleiben kann daher auch, ob den revisionswerbenden Parteien überhaupt ein subjektiv-öffentliches Recht auf Mitsprache hinsichtlich des im Verzeichnis des BStG 1971 festgelegten Straßenverlaufes zukommt.
17 Darüber hinaus macht die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung fehlende Rechtsprechung zur Anwendbarkeit der Alpenkonvention und des Protokolls „Verkehr“ geltend. Das BVwG führte aus, die gegenständliche Schnellstraße liege außerhalb des räumlichen Anwendungsbereichs der Alpenkonvention. Dieses umfasse das „Gebiet der Alpen“, wie es in der Anlage der Alpenkonvention beschrieben und dargestellt sei. In der Anlage sei lediglich die Gemeinde W., die von der Schnellstraße nicht berührt werde, genannt und daher der Anwendungsbereich der Alpenkonvention nicht eröffnet. Die Revision, die selbst ausführt, die gegenständliche Schnellstraße liege nicht in W., formuliert in diesem Zusammenhang keine konkrete Rechtsfrage, die der Verwaltungsgerichtshof erstmals zu lösen hätte und der über den konkreten Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG zukäme.
18 Schließlich wendet sich die Revision gegen die Argumentation des BVwG, wonach sich auch aufgrund des Art. 8 Abs. 2 des Protokolls „Verkehr“ ergebe, dass die Alpenkonvention im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei. Dazu genügt es, auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach sich eine Revision als unzulässig erweist, wenn das von ihr angefochtene Erkenntnis auf einer tragfähigen Alternativbegründung beruht und im Zusammenhang damit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG aufgezeigt wird. Das gilt selbst dann, wenn davon auszugehen wäre, dass die anderen Begründungsalternativen rechtlich unzutreffend sind (vgl. VwGH 16.12.2019, Ra 2019/05/0310). Da die Revision hinsichtlich der Ausführungen des BVwG, die gegenständliche Schnellstraße sei nicht vom räumlichen Anwendungsbereich der Alpenkonvention erfasst, keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung formuliert, erübrigt sich eine weitere Auseinandersetzung mit der Frage, ob Art. 8 Abs. 2 des Protokolls „Verkehr“ durch das BVwG richtig zu Anwendung gebracht wurde.
19 In der Revision werden damit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 15. Juni 2023