Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak sowie die Hofrätinnen Dr. Leonhartsberger und Dr. in Gröger als Richterinnen, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann Preschnofsky, über die Revision des K G in G, vertreten durch MMMMag. Dr. Konstantin Haas, Rechtsanwalt in 4060 Leonding, Gerstmayrstraße 40, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 14. Juni 2022, LVwG 152574/28/DM, betreffend Zurückweisung von Anträgen 1. auf Zustellung eines Erkenntnisses sowie 2. auf Wiederaufnahme des Verfahrens in einer Angelegenheit nach der Oö. Bauordnung 1994 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeinderat der Marktgemeinde Gramastetten; weitere Partei: Oberösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom 13. November 2018, LVwG 151345/20/DM 151376/2, wurde der in einem Beseitigungsverfahren gemäß § 49 Oö. Bauordnung 1994 Oö. BauO 1994 ergangene Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde G vom 13. Juli 2017, mit dem die (mit dem Vorliegen einer ober- und unterirdischen Überbauung des im Eigentum des Revisionswerbers stehenden Nachbargrundstücks begründete) Beseitigung des „konsenslos errichteten Garagenriegels“ der Wohnanlage S in G aufgetragen worden war, mit der Begründung aufgehoben, dass die Garagenanlage entsprechend der in den 1970er Jahren erteilten Baubewilligung entlang der damals verlaufenden Grundgrenze errichtet worden sei.
2 Der Revisionswerber ist Nachbar und Eigentümer direkt an die Garagenanlage angrenzender Grundstücke; ihm wurde das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts nicht zugestellt.
3 Am 24. Februar 2020 stellte der Revisionswerber beim Verwaltungsgericht einen Antrag auf Zustellung des Erkenntnisses vom 13. November 2018 und regte gleichzeitig die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 32 Abs. 3 VwGVG an. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, er habe, nachdem ihm im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht keine Parteistellung gewährt worden sei, den Zivilrechtsweg beschritten. Das in diesem Verfahren vor dem Landesgericht Linz in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten beweise Tatsachen, die geeignet seien, im Verfahren des Verwaltungsgerichts ein im Hauptinhalt des Spruchs anderslautendes Erkenntnis herbeizuführen. Der Revisionswerber sei zudem übergangene Partei, weil er Eigentümer jener Grundflächen sei, auf welchen jene Teile des Garagengebäudes stünden, die über das von der Baubewilligung abgedeckte Ausmaß hinausgingen.
4 Das im Zivilrechtsweg eingebrachte Begehren des Revisionswerbers auf Entfernung des Überbaus wurde rechtskräftig abgewiesen (vgl. OGH 16.2.2022, 7 Ob 136/21g).
5 Mit Schriftsatz vom 2. Juni 2022 stellte der Revisionswerber beim Verwaltungsgericht den Antrag auf Wiederaufnahme des Beseitigungsverfahrens.
6 Mit dem angefochtenen Beschluss vom 14. Juni 2022 wies das Verwaltungsgericht den vom Revisionswerber gestellten Antrag auf Zustellung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichts vom 13. November 2018 mangels Parteistellung als unzulässig zurück. Unter einem wies es den weiteren Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens als unzulässig zurück. Eine Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig erklärt.
7 Begründend führte das Verwaltungsgericht soweit hier maßgeblich aus, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könnten Bauaufträge an einzelne (Mit )Eigentümer auch in getrennten Bescheiden und damit unabhängig voneinander ergehen; ein Bauauftrag sei nicht rechtswidrig, wenn nicht sämtliche Miteigentümer des Bauwerks dem Bauauftragsverfahren beigezogen worden seien. Selbst unter Zugrundelegung der Behauptung des Revisionswerbers, er sei durch den Grenzüberbau Miteigentümer der Garagenanlage, könne er durch den Beseitigungsauftrag der Baubehörde und in weiterer Folge auch durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes, mit welchem dieser aufgehoben worden sei, nicht in seinen subjektiven Rechten verletzt und somit nicht beschwert sein. Nach der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts komme im verwaltungspolizeilichen Verfahren nur dem Adressaten des Polizeibefehls, nicht aber Dritten, Parteistellung zu. Der Antrag des Revisionswerbers auf Zustellung der Entscheidung sei daher mangels Parteistellung als unzulässig zurückzuweisen.
8 Der Revisionswerber habe erstmals in seiner Stellungnahme vom 2. Juni 2022 einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gestellt, wobei Voraussetzung für dessen Zulässigkeit die Parteistellung sei, weshalb der Antrag schon aus diesem Grund als unzulässig zurückzuweisen gewesen sei. Zur Anregung der Wiederaufnahme des Verfahrens durch den Revisionswerber mit Eingabe vom 24. Februar 2020 sei festzuhalten, dass die Erlassung eines amtswegigen Wiederaufnahmebeschlusses im Ermessen des Verwaltungsgerichts liege. Nicht einmal die Parteien hätten einen Rechtsanspruch darauf. Die gegenseitige Bindung der Gerichte und Verwaltungsbehörden erstrecke sich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zudem nur so weit, wie die Rechtskraft reiche, erfasse daher nur den Inhalt des Spruchs, nicht aber die Entscheidungsgründe. Über die Frage, wo der Grenzverlauf im Zeitpunkt der Errichtung der Garagenanlage gewesen sei und ob eine Überbauung im Errichtungszeitpunkt der Garagenanlage stattgefunden habe, sei im vom Revisionswerber erwirkten Urteil des Landesgerichts Linz spruchgemäß nicht entschieden worden. Auch weil seit Erlassung des Erkenntnisses vom 13. November 2018 bereits mehr als drei Jahre vergangen seien und Wiederaufnahmegründe gemäß § 32 Abs. 1 Z 1 VwGVG nicht vorlägen, sei eine Wiederaufnahme gemäß § 32 Abs. 3 VwGVG nicht möglich.
9 Gegen diesen Beschluss erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss vom 29. November 2022, E 2092/2022-5, lehnte dieser die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
10 Daraufhin wurde die vorliegende außerordentliche Revision eingebracht.
11 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
14 Die vorliegende Revision macht zu ihrer Zulässigkeit ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geltend, nach der Bauaufträge, die sich an den Eigentümer zu richten hätten, im Fall des Miteigentums an alle Miteigentümer zu richten seien (Hinweis auf VwGH 23.7.2013, 2013/05/0012). Der Revisionswerber sei nach den zivilrechtlichen Vorschriften als Miteigentümer des verfahrensgegenständlichen Gebäudes zu qualifizieren, weshalb er durch die Verwehrung der Parteistellung durch das Verwaltungsgericht am für seine Rechtsdurchsetzung erforderlichen Zugang zum Verfahren gehindert gewesen sei.
15 Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgeführt, dass Bauaufträge im Fall des Miteigentums grundsätzlich an alle Miteigentümer zu richten sind (vgl. VwGH 30.6.1998, 98/05/0092, zu einem Instandsetzungsauftrag nach der Oö. BauO 1994, unter Hinweis auf Rechtsprechung zu vergleichbaren Regelungen in Bauordnungen anderer Bundesländer).
16 Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, hat der Verwaltungsgerichtshof jedoch auch bereits klargestellt, dass dies noch nicht bedeutet, dass dieser Auftrag auch in einem einheitlichen Bescheid gegen alle diese Personen erlassen werden müsste (vgl. wiederum VwGH 30.6.1998, 98/05/0092; 28.3.2000, 98/05/0216). Parteistellung im baupolizeilichen Auftragsverfahren hat demnach nur derjenige, gegen den der Auftrag tatsächlich ergangen ist, nicht jedoch derjenige, gegen den der Auftrag richtigerweise (auch) zu ergehen gehabt hätte (vgl. VwGH 17.6.2003, 2002/05/1503, mwN; vgl. dazu, dass eine Vollstreckung eines solchen baupolizeilichen Auftrages allerdings immer erst dann in Betracht kommt, wenn der baupolizeiliche Auftrag an alle Miteigentümer erlassen wurde, neuerlich VwGH 28.3.2000, 98/05/0216).
17 Mit dem die hg. Rechtsprechung nur verkürzt wiedergebenden Zulässigkeitsvorbringen gelingt es vor dem Hintergrund der dargelegten und vom Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten Rechtsprechung nicht, eine Abweichung davon darzutun.
18 Weiters wird vorgebracht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage, ob eine amtswegige Wiederaufnahme nach § 32 Abs. 3 VwGVG nach Ablauf der dreijährigen Frist zu erfolgen habe, wenn der Ablauf dieser Frist auf Versäumnisse des zur Entscheidung berufenen Verwaltungsgerichts hier: durch unberechtigte Aussetzung des Verfahrens zurückzuführen sei.
19 Voraussetzung dafür, dass eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt wird, ist bei Revisionen gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 1 B VG auch, dass ein Konnex der diesbezüglichen Zulässigkeitsbegründung mit einem tauglichen Revisionspunkt vorliegt (vgl. VwGH 26.2.2021, Ra 2021/05/0027; 22.12.2020, Ra 2020/11/0105, jeweils mwN).
20 Mit dem Zulässigkeitsvorbringen wird eine Frage der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für eine amtswegige Wiederaufnahme angesprochen, während der Revisionswerber als Revisionspunkt die Verletzung im Recht auf inhaltliche Entscheidung über seine Anträge umschrieben hat. Die Klärung der vom Revisionswerber aufgeworfenen Frage bewegt sich somit nicht innerhalb des Revisionspunktes.
21 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 4. Juni 2025