Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser sowie die Hofrätin Mag. Hainz Sator und den Hofrat. Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision des R N in W, vertreten durch die Höhne, In der Maur Partner Rechtsanwälte GmbH Co KG in 1070 Wien, Mariahilfer Straße 20, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 18. April 2023, Zl. VGW 105/020/11505/2022 47, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 1. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 12. August 2022 wurde dem Revisionswerber gemäß § 87 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 die Gewerbeberechtigung „Planung einer sinnvollen Freizeitgestaltung (Animation)“ entzogen.
2 2.1. Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) mit Erkenntnis vom 18. April 2023 als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
3 2.2. In der Begründung stellte das Verwaltungsgericht fest, dass der Revisionswerber mit Urteil des Bezirksgerichts Bruck an der Leitha vom 18. Jänner 2022 rechtskräftig zu einer Geldstrafe in der Höhe von EUR 2.400, wegen des Vergehens der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 StGB unter Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB verurteilt worden sei. Der Revisionswerber habe unter Außerachtlassung des § 6 der Seen und Flussverkehrsordnung, ohne geeignete Ausbildung für die Anwendung von Wasserfahrzeugen und Booten auf der hochwasserführenden Fischa, ohne geeignete Schlauchboote sowie ohne Schwimmwesten und ohne Sicherheitsausrüstung mit acht Kindern im Alter von acht bis zwölf Jahren eine Bootsfahrt durchgeführt. Dabei seien die Schlauchboote durch den Verlust von zwei Rudern manövrierunfähig geworden und in den Sträuchern des Ufers hängen geblieben. Dies habe eine Bergung durch den Donaudienst notwendig gemacht, um die Kinder vor Schaden zu bewahren. Der Revisionswerber sei in Kenntnis des Umstandes gewesen, dass die Fischa Hochwasser führe. Dennoch habe er keine weiteren Erkundigungen bei den zuständigen Behörden hinsichtlich Fahrverbote bzw. der Gefährdungslage angestellt. Die Kinder hätten während des gesamten Events keine Schwimmwesten getragen.
Sonstige strafrechtliche oder verwaltungsstrafrechtliche Verurteilungen des Revisionswerbers lägen nicht vor.
4 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, dass der Revisionswerber mit dem Schifffahrtsgesetz und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Seen und Flussverkehrsordnung Rechtsvorschriften missachtet habe, die bei Ausübung seines Gewerbes zu beachten seien, und dadurch eine Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 StGB bei mehreren Kindern herbeigeführt habe. Vom Gericht sei eine unbedingte Geldstrafe verhängt worden. Damit sei das Tatbestandsmerkmal „schwerwiegende Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen“ erfüllt, weil in Zusammenhang mit dem Gewerbe „Planung einer sinnvollen Freizeitgestaltung (Animation)“ bei Veranstaltungen mit Booten auf Flüssen zu beachtende Verwaltungsvorschriften missachtet und das Leben und die körperliche Unversehrtheit von insgesamt acht Kindern gefährdet worden seien.
5 Die Wertung der schwerwiegenden Verstöße ergebe sich nicht nur aus der Vorschriftsverletzung und der gerichtlichen Strafe, sondern auch aus den konkreten Tatumständen. So sei die Veranstaltung in Kenntnis einer erhöhten Gefahrenlage (Hochwasser) vom Revisionswerber ohne ausreichende Ausbildung für die konkrete Wasseraktivität durchgeführt worden. Bei der Ausbildung der Kinder sei keine ordnungsgemäße Kontrolle durchgeführt, sondern den Zusicherungen der Eltern vertraut worden. Der Revisionswerber habe keine ordnungsgemäße Recherche der Verbots und Gefährdungssituation (unsichtbare Stromschnellen) vor dem Befahren des Wassers vorgenommen. Zudem seien die Kinder durch das bewusste Weglassen von Schwimmwesten und Schwimmhilfen einer erhöhten Gefahr ausgesetzt worden.
6 Dem Revisionswerber sei zwar verwaltungsstrafrechtliches und strafrechtliches Wohlverhalten vor und (für einen kurzen Zeitraum) auch nach den der gerichtlichen Verurteilung zu Grunde liegenden Taten zuzugestehen. Die Tatumstände der der gerichtlichen Verurteilung zu Grunde liegenden Taten ließen aber ein grob sorgfaltswidriges Verhalten bei der Ausübung des Gewerbes erkennen. Dass der Revisionswerber im Bewusstsein einer für das Leben und die körperliche Unversehrtheit von Kindern gefährlichen Situation und trotz einer unzureichenden Ausbildung nicht von dem Unternehmen Abstand genommen habe, dabei von einem Schutz der acht bis zehnjährigen Kinder durch Schwimmwesten bewusst („Teil des Konzepts“) Abstand genommen und vor Beginn der Unternehmung geeignete Erhebungen unterlassen habe, zeige die offenkundige Sorglosigkeit und grobe Fahrlässigkeit. Auch im Rahmen der persönlichen Einvernahme lasse der Revisionswerber nicht erkennen, dass er sich seines Fehlverhaltens wirklich bewusst sei und daher erwartet werden könne, dass derartige Fehleinschätzungen und ein derartiges Fehlverhalten in Zukunft bei der Ausübung des gegenständlichen Gewerbes ausgeschlossen seien.
7 In der Tat manifestiere sich somit eine (nicht nur auf Veranstaltungen zu Wasser beschränkte) mangelnde Weit und Gefahrensicht, mangelnder Respekt vor dem Leben und der körperlichen Unversehrtheit anvertrauter Personen sowie grobe Sorglosigkeit beim Vorbereiten der Veranstaltung, insbesondere in Hinblick auf zu beachtende Vorschriften und die aktuelle und konkrete Gefahrensituation. Eine folgende Einsicht in diese Vergehen, die auf eine Lernfähigkeit und Änderung der Vorgangsweise schließen ließe, sei nicht ersichtlich.
8 Damit erfolge die Entziehung der Gewerbeberechtigung zu Recht. Es sei auch eine Befristung oder Einschränkung der Entziehung ausgeschlossen, weil die mangelnde Zuverlässigkeit nicht auf Veranstaltungen zu Wasser beschränkt und eine Wiederherstellung der Zuverlässigkeit aktuell nicht absehbar sei.
9 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
10 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11 Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
13 5. In der vorliegenden Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit vorgebracht, dass die Entscheidung über die gegenständliche Revision von der Lösung einer Rechtsfrage abhänge, der grundsätzliche Bedeutung zukomme. Von weitreichender Bedeutung sei die vom Verwaltungsgericht unrichtig beantwortete Frage, ob eine bloß teilweise und/oder befristete Entziehung der Gewerbeberechtigung gerade in Fällen anzuwenden sei, in denen die zu entziehende Gewerbeberechtigung eine breite Palette unterschiedlicher Aktivitäten mit unterschiedlichen Gruppen und Altersklassen von Personen erlaube. Die vollständige und unbefristete Entziehung der Gewerbeberechtigung sei in diesen Fällen überschießend und eine unverhältnismäßige Einschränkung der Freiheit der Erwerbsausübung. Bei einem Gewerbe wie der „Planung einer sinnvollen Freizeitgestaltung (Animation)“ könne sich bei einer reinen Planungstätigkeit (ohne Durchführung) das vom Verwaltungsgericht angenommene Risiko nicht verwirklichen. Doch auf Grund des angefochtenen Erkenntnisses sei dem Revisionswerber nicht einmal eine rein planende Tätigkeit gestattet. Damit sei ihm die gesamte Existenzgrundlage entzogen. Der Revisionswerber dürfe auch keine Wanderungen und Waldcamps mehr anbieten, nicht einmal mehr für Erwachsene. Dabei sei aktenkundig, dass der Revisionswerber sowohl Freizeitaktivitäten mit Erwachsenen und Senioren durchführte als auch Aktivitäten ohne die Nutzung von Gewässern veranstalte. Bei all diesen Aktivitäten und diesem Zielpublikum könne sich das vom Verwaltungsgericht als Begründung herangezogene Gefährdungsrisiko nicht realisieren.
14 Daher und diese Grundsatzfrage betreffe eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle, in denen eine Gewerbeberechtigung eine breite Palette von Aktivitäten mit völlig unterschiedlichem Zielpublikum erlaube sei die vollständige Entziehung der Gewerbeberechtigung überschießend und unverhältnismäßig. Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Frage liege bislang nicht vor.
15 Von weitreichender Bedeutung und für eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle relevant sei weiters die im angefochtenen Erkenntnis unrichtig gelöste Frage, ob das von einem Strafgericht in seinem Urteil gemäß § 28 StGB ausgesprochene Vorliegen mehrerer strafbarer Handlungen nebeneinander automatisch ein Vorliegen mehrerer „Verstöße“ im Sinn des § 87 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 darstelle.
16 6.1. Will sich eine revisionswerbende Partei mit ihrem Vorbringen auf ein Abweichen von der Rechtsprechung berufen, muss sie konkret darlegen, in welchen Punkten das angefochtene Erkenntnis von welcher Rechtsprechung abweicht. Es ist konkret darzulegen, in welchen tragenden Erwägungen das Verwaltungsgericht sich von einer bestimmt bezeichneten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entfernt hätte (vgl. etwa VwGH 5.3.2021, Ra 2018/04/0117, mwN).
17 Diesen Anforderungen wird die vorliegende Revision nicht gerecht. Sie nimmt in Zusammenhang mit den vorgetragenen Rechtsrügen in keiner Weise Bezug auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und zeigt damit auch kein Abweichen von dieser auf.
18 6.2. Soweit die Revision geltend macht, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Konstellationen fehle, in denen eine Gewerbeberechtigung eine breite Palette von Aktivitäten mit völlig unterschiedlichem Zielpublikum erlaube und dennoch eine vollständige Entziehung der Gewerbeberechtigung erfolge, wird ebenso keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt:
19 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 87 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 setzt das Tatbestandsmerkmal der „schwerwiegenden Verstöße“ voraus, dass sich aus den Verstößen unter Berücksichtigung der Art der verletzten Schutzinteressen und der Schwere ihrer Verletzung der Schluss ziehen lässt, der Gewerbetreibende sei nicht mehr als zuverlässig anzusehen (vgl. zuletzt etwa VwGH 12.6.2023, Ra 2023/04/0051, mwN). Die Annahme, der Gewerbetreibende besitze die erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr, ist gerechtfertigt, wenn seine Handlungen oder Unterlassungen so beschaffen sind, dass das daraus zu gewinnende Persönlichkeitsbild erwarten lässt, es werde die künftige Ausübung der gewerblichen Tätigkeit gegen die in Zusammenhang mit dem Gewerbe zu beachtenden öffentlichen Interessen verstoßen (vgl. die Judikaturnachweise bei Stolzlechner/Müller/Seider/Vogelsang/Höllbacher , GewO [2020] § 89 Rz. 22).
20 Dass in Fällen, in denen eine Gewerbeberechtigung eine breite Palette von Aktivitäten mit völlig unterschiedlichem Zielpublikum erlaube, nicht gelten solle (und daher insofern Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle) ist nicht nachvollziehbar.
Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass das Verwaltungsgericht von einer mangelnden Weit und Gefahrensicht des Revisionswerbers ausging, die sich nicht nur auf Veranstaltungen zu Wasser beschränke. Folglich wurde vom Verwaltungsgericht eine Befristung oder Einschränkung der Entziehung der Gewerbeberechtigung auch mit dem Argument ausgeschlossen, dass die mangelnde Zuverlässigkeit des Revisionswerbers nicht auf Veranstaltungen zu Wasser beschränke und eine Wiederherstellung der Zuverlässigkeit aktuell nicht absehbar sei. Dieser Beurteilung ist die Revision auch nicht substantiiert entgegengetreten.
21 7. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 27. Juli 2023