JudikaturVwGH

Ra 2023/03/0164 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
EU-Recht
13. März 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer und den Hofrat Dr. Faber als Richter sowie die Hofrätin Dr. in Sabetzer als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der A. D GmbH in W, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Karlsgasse 15/3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Juli 2023, Zl. W131 2255486 1/17E, betreffend eine Angelegenheit nach dem Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Kommunikationsbehörde Austria; weitere Partei: Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis stellte das Verwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Bestätigung eines entsprechenden Bescheides der belangten Behörde vom 19. April 2022 fest, die revisionswerbende Partei habe am 31. Jänner 2020 im Fernsehprogramm „TV“ im Rahmen des Beitrages „D“ die Bestimmung des § 43 Abs. 2 Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz (AMD-G) idF BGBl. I Nr. 86/2015 verletzt, indem sie Werbung ausgestrahlt habe, ohne diese an ihrem Anfang um ca. 08:24:16 Uhr und an ihrem Ende um ca. 08:26:35 Uhr eindeutig von anderen Programmteilen zu trennen (Spruchpunkt 1.). Mit Spruchpunkt 2. wurde der revisionswerbenden Partei aufgetragen, die Feststellung der in Spruchpunkt 1. genannten Rechtsverletzung gemäß § 62 Abs. 3 AMD-G in näher beschriebener Weise zu veröffentlichen. Mit Spruchpunkt 3. wurde die revisionswerbende Partei gemäß § 29 Abs. 1 AMD-G zum (näher konkretisierten) Nachweis der Erfüllung des Auftrages laut Spruchpunkt 2. verpflichtet. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

2 Begründend führte das Verwaltungsgericht - soweit für das Revisionsverfahren wesentlich - aus, es fehle zu Beginn und am Ende der gesendeten Werbung an Trennmitteln, die den Anforderungen des § 43 Abs. 2 AMD-G entsprächen. Für eine eindeutige Trennung genüge es nicht, wenn Werbung bloß durch ihren Inhalt und ihre Aufmachung vom redaktionellen Teil abgegrenzt sei. Zum Verweis der revisionswerbenden Partei auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union zum sogenannten „Split Screen Advertising“ argumentierte das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf Kogler/Traimer/Truppe , Rundfunkgesetze 4 (2018) 593, dass eine solche Teilung des Bildschirmes, um einerseits Werbung und andererseits Programm auszustrahlen, im gegenständlichen Fall „gerade nicht“ vorliege.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, zu der die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung erstattete.

4 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Gemäß § 34 Abs. 3 VwGG ist ein solcher Beschluss in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

6 Hat das Verwaltungsgericht wie im vorliegenden Fall im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG zulässig ist, hat die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Die Revision macht zur Begründung ihrer Zulässigkeit geltend, der vorliegende Fall hänge von einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung ab, weil Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle. Die vom Verwaltungsgericht zum Trennungsgebot vertretene Rechtsauffassung sei „übertrieben streng“, „nicht mehr zeitgemäß“ und widerspreche der nicht näher zitierten jüngeren Rechtsprechung zur Erkennbarkeit und Unterscheidbarkeit von Werbung und der Trennung vom redaktionellen Programmangebot insbesondere im Bereich des Split-Screen-Advertisings. Ein redaktioneller Beitrag, der durch eine im Rahmen eines Split-Screen-Elements eingebundene Werbung „unterbrochen“ werde, erfordere weder vor noch nach diesem Split-Screen-Element ein gesondertes Trennmittel. Dies bestätige auch die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union, wonach in Fällen, in denen ein redaktioneller Programmteil mit einem Split Screen Element ende bzw. in dieses übergehe, und nach diesem Element Werbung folge, kein zusätzliches Trennelement zwischen dem Split Screen und der nachfolgenden Werbung erforderlich sei, sofern die Erkennbarkeit und die Unterscheidbarkeit der Werbung gegeben seien (Hinweis auf EuGH 17.2.2016, Sanoma Media Finland Oy/Nelonen Media , C-314/14). Diese Wertungen seien auch „hier“ anzuwenden. Entgegen der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung komme es somit sehr wohl auf die Erkennbarkeit und Unterscheidbarkeit im Sinne von § 43 Abs. 1 AMD-G an. Eine eindeutig erkennbare und unterscheidbare „Kennzeichnung“ von Werbung könne im Ergebniswie im vorliegenden Fall dazu führen, dass zusätzliche optische oder akustische Trennelemente nicht erforderlich seien. Dazu benötige es klärende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

9 Damit zeigt die Revision keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG auf:

10 § 43 AMD-G idF BGBl. I Nr. 86/2015 lautet:

„Erkennbarkeit und Trennung

§ 43. (1) Fernsehwerbung und Teleshopping müssen leicht als solche erkennbar und somit vom redaktionellen Inhalt unterscheidbar sein.

(2) Fernsehwerbung und Teleshopping müssen durch optische, akustische oder räumliche Mittel eindeutig von anderen Sendungs- und Programmteilen getrennt sein.

...“

Art. 19 der Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste) normiert:

„Artikel 19

(1) Fernsehwerbung und Teleshopping müssen als solche leicht erkennbar und vom redaktionellen Inhalt unterscheidbar sein. Unbeschadet des Einsatzes neuer Werbetechniken müssen Fernsehwerbung und Teleshopping durch optische und/oder akustische und/oder räumliche Mittel eindeutig von anderen Sendungsteilen abgesetzt sein.

...“

11 Soweit die Revision zur Begründung ihrer Zulässigkeit fehlende (aktuelle) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Trennungs- und Erkennbarkeits- bzw. Unterscheidbarkeitsgebot des AMD-G anführt, ist zunächst darauf zu verweisen, dass das bloße Fehlen einer solchen Rechtsprechung nicht automatisch zur Zulässigkeit einer Revision führt. Die Begründung der Zulässigkeit der Revision erfordert insoweit die Darlegung, konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof noch nicht beantwortet hat (vgl. etwa VwGH 18.12.2023, Ra 2023/03/0172, mwN).

12 Diesen Anforderungen wird das Zulässigkeitsvorbringen der vorliegenden Revision nicht gerecht.

13 Sofern darin ein Widerspruch zur Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union im Zusammenhang mit Split-Screen-Advertising gerügt wird, lässt die revisionswerbende Partei außer Acht, dass eine Konstellation wie sie dem dortigen Ausgangsverfahren zugrunde lag (vgl. EuGH 17.2.2016, Sanoma Media Finland Oy/Nelonen Media , C-314/14, Rn. 40; „dass ein geteilter Bildschirm, in dem der Programmabspann einer Fernsehsendung in einer Spalte und eine Programmtafel mit der Präsentation der nachfolgenden Sendungen des Diensteanbieters in einer anderen Spalte angezeigt wird, um die Sendung, die endet, von der Fernsehwerbeunterbrechung, die ihr nachfolgt, zu trennen ...“) im Revisionsfall ausgehend von den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses nicht zu beurteilen war.

14 Aus dem zitierten Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union ist weiters nicht abzuleiten, dass selbst bei entsprechender Erkennbarkeit bzw. Unterscheidbarkeit der Werbung eine Trennung der Werbung von anderen Programmteilen nicht mehr erforderlich wäre (vgl. ausdrücklich EuGH 17.2.2016, Sanoma Media Finland Oy/Nelonen Media , C-314/14, Rn. 37: „Folglich müssen Fernsehwerbung und Teleshopping zwar unter Anwendung der einzelnen in Art. 19 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste aufgezählten Mittel klar von den Fernsehsendungen getrennt werden. Diese Mittel müssen aber gemäß dieser Bestimmung nicht kumulativ angewendet werden. Wenn nämlich schon mit einem von ihnen, sei es optisch, akustisch oder räumlich, sichergestellt werden kann, dass die Anforderungen, die sich aus Art. 19 Abs. 1 Satz 1 dieser Richtlinie ergeben, in vollem Umfang eingehalten werden, brauchen die Mitgliedstaaten nicht den kombinierten Einsatz dieser Mittel vorzusehen.“).

15 Die revisionswerbende Partei lässt allerdings offen, worin im vorliegenden Fall der im Übrigen ausschließlich die Feststellung einer Verletzung des § 43 Abs. 2 AMD-G (und nicht auch des § 43 Abs. 1 AMD-G) betrifft die von ihr geltend gemachte „eindeutig erkennbare und unterscheidbare ‚Kennzeichnung‘ von Werbung“ bestehen sollte. Sie behauptet weder, dass im Revisionsfall eine Trennung der Werbung durch optische, akustische oder räumliche Mittel erfolgt wäre, noch, dass überhaupt ein Fall von Split Screen Werbung vorliege.

16 Dazu kommt, dass der Verwaltungsgerichtshof zur insoweit vergleichen Bestimmung des § 13 Abs. 3 ORF G idF BGBl. I Nr. 83/2001 (nunmehr: § 14 Abs. 1 ORF G) bereits ausgesprochen hat, dass einerseits die Erkennbarkeit der Werbung und andererseits die Trennung der Werbung von anderen Programmteilen zwei kumulativ zu erfüllende Tatbestandsvoraussetzungen darstellen. Es kommt daher nicht nur auf die Erkennbarkeit der Werbung an, sondern auch auf die eindeutige Trennung derselben vom übrigen Programminhalt (vgl. VwGH 12.12.2007, 2005/04/0243, mit Hinweis auf VwGH 14.11.2007, 2005/04/0152).

17 Dass das Verwaltungsgericht diese Rechtsprechung auf den vorliegenden nach dem AMD-G zu beurteilenden Fall übertragen hat, begegnet schon deswegen keinen Bedenken, da die Erfordernisse der Erkennbarkeit bzw. Unterscheidbarkeit und der Trennung in § 43 Abs. 1 und 2 AMD-G und (nunmehr) § 14 Abs. 1 ORF G auch weil damit jeweils Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste umgesetzt wird weitgehend gleichlautend geregelt sind (siehe zur Vergleichbarkeit der Bestimmungen z.B. nach dem PrR-G und dem ORF G in dieser Hinsicht VwGH 14.11.2007, 2005/04/0152; sowie zur Notwendigkeit der kumulativen Erfüllung der Anforderungen gemäß § 43 Abs. 1 und 2 AMD-G auch Kogler/Traimer/Truppe , Rundfunkgesetze 4 [2018] 585).

18 Die Revision zeigt somit nicht auf, welcher weiteren Leitlinien der Rechtsprechung es bedürfte, von denen die Entscheidung die Revision abhinge.

19 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 13. März 2024

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