Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulzbacher und den Hofrat Dr. Pfiel als Richter sowie die Hofrätin Dr. Wiesinger als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Eraslan, über die Revision des N T, vertreten durch Rast Musliu, Rechtsanwälte in 1080 Wien, Alser Straße 23/14, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. März 2022, W175 2246435 1/12E, betreffend Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen und eines befristeten Einreiseverbots (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der 1968 geborene Revisionswerber, ein aus dem Kosovo stammender serbischer Staatsangehöriger, hält sich nach eigenen Angaben seit 2001 im Bundesgebiet auf und verfügte zuletzt über einen Aufenthaltstitel „DaueraufenthaltEU“. Er ist Vater von drei volljährigen Kindern, die aus einer geschiedenen Ehe entstammen, und Großvater einer vierjährigen Enkelin.
2 Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 10. Dezember 2019 wurde derwegen einer am 17. Juli 2016 begangenen Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB vorbestrafteRevisionswerber wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 1 erster und dritter Fall StGB sowie der Vergehen des unbefugten Waffenbesitzes nach § 50 Abs. 1 Z 2 WaffG und des unerlaubten Umgangs mit Suchtgift nach § 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt, die er bis zu seiner bedingten Entlassung im Mai 2021 teilweise verbüßte. Seitdem unterzieht er sich einer gerichtlich angeordneten Psychotherapie. Dem Schuldspruch nach § 201 Abs. 1 StGB lag zugrunde, der Revisionswerber habe am 24. August 2019 im Rahmen seiner Tätigkeit als Security-Mitarbeiter eines Lokals eine deutlich jüngere, sichtlich alkoholisierte und körperlich weit unterlegene Frau mit Gewalt und Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben zur Vornahme von Oralverkehr und zur Duldung des Beischlafs genötigt. Im Rahmen der Strafbemessung wurden das teilweise Geständnis bezogen auf die Verurteilung nach dem WaffG und das Tatsachengeständnis bezogen auf die Verurteilung nach dem SMG mildernd, die einschlägige Vorstrafe und das Zusammentreffen von Verbrechen und zwei Vergehen hingegen erschwerend berücksichtigt.
3 Einer dagegen erhobenen Berufung gab das Oberlandesgericht Wien mit Urteil vom 7. Juli 2020 nicht Folge. Vielmehr führte es aus, dass der Milderungsgrund des Tatsachengeständnisses zur Verurteilung nach dem SMG zu entfallen habe, jedoch die heimtückische Tatbegehung zusätzlich als erschwerend zu werten sei. In den Tathandlungen manifestiere sich eine „erschreckende Gleichgültigkeit gegenüber der sexuellen Eigenbestimmtheit und Integrität anderer“, die den Vollzug der verhängten Freiheitsstrafe bedürfe.
4 Aufgrund der unter Rn. 2 dargestellten Straftaten erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 20. August 2021 gegen den Revisionswerber gemäß § 52 Abs. 5 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung und verband damit gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot. Des Weiteren stellte das BFA gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Serbien zulässig sei, und räumte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist von vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise ein.
5 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 25. März 2022 als unbegründet ab. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
6 In seiner Begründung stellte das BVwG unter anderem fest, der Revisionswerber pflege regelmäßigen Kontakt zu seinen Angehörigenmit denen jedoch kein gemeinsamer Haushalt vorliegeund unterstütze auch seine an Krebs erkrankte Tochter sowie seine Enkelin. Er spreche gebrochenes, aber verständliches Deutsch. Im Zeitraum ab März 2003 sei ermit kurzen Unterbrechungenbei verschiedenen Arbeitgebern erwerbstätig gewesen.
7 In rechtlicher Hinsicht berücksichtigte das BVwG die lange Aufenthaltsdauer und seine familiären Anknüpfungspunkte zugunsten des Revisionswerbers, ging aber aufgrund seiner Verurteilungen von einem die öffentliche Sicherheit besonders schwer gefährdenden und beeinträchtigenden Fehlverhalten aus. Angesichts der gravierenden Straffälligkeit des Revisionswerbers seien die Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines befristeten Einreiseverbots gegeben. Das öffentliche Interesse an der Verhinderung von Sexualstraftaten und Suchtmitteldelikten überwiege nämlich das aufgrund der langen Aufenthaltsdauer „nicht unerhebliche“ Interesse des Revisionswerbers am Verbleib im Bundesgebiet, weshalb der Revisionswerber die Trennung von seinen in Österreich lebenden Familienangehörigenzu denen der Kontakt insbesondere auch über deren Besuche in Serbien aufrechterhalten werden könnehinzunehmen habe.
8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B VG als unzulässig erweist.
9 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
11 Unter diesem Gesichtspunkt wendet sich der Revisionswerber vor allem unter Berufung auf seinen weit mehr als zehnjährigen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet, dem nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis insbesondere auf VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0243) besonderes Gewicht zukomme, sowie auf die zu § 9 Abs. 4 Z 1 BFA-VG idF vor dem FrÄG 2018 ergangene Judikatur gegen die nach § 9 BFA-VG vorgenommene Interessenabwägung.
12 Dem ist allerdings zu entgegnen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung im Allgemeinenwenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage beruht und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze erfolgt istnicht revisibel iSd Art. 133 Abs. 4 B VG ist (vgl. etwa VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0284, Rn. 7, mwN).
13 Dass die vom BVwG nach Durchführung einer Verhandlung unter Verwertung des persönlichen Eindrucks vorgenommene Interessenabwägung in unvertretbarer Weise erfolgt wäre, zeigt die Revision nicht auf. Es ist evident, dass das vom Revisionswerber verübte Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 1 StGB, das bei der Argumentation in der Revision überhaupt keine Berücksichtigung findet, eine massive Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellt. Wenn das BVwG vor diesem Hintergrund erkennbar im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum aufgehobenen § 9 Abs. 4 Z 1 BFA VG vom Vorliegen einer besonders verwerflichen Straftat und einer daraus ableitbaren spezifischen Gefährdung des öffentlichen Interesses an der Verhinderung von strafbaren Handlungen der vorliegenden Art ausging und die Interessenabwägung nach § 9 BFA VG auch trotz der langen Aufenthaltsdauer und der persönlichen Bindungen im Bundesgebiet zu Lasten des Revisionswerbers vornahm, so erweist sich das fallbezogen als nicht unvertretbar (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation wie hier VwGH 7.10.2021, Ra 2021/21/0276, Rn. 15).
14 Im Übrigen ist die angesprochene Judikaturlinie zu einem mehr als zehn Jahre dauernden Inlandsaufenthalt nur für die Frage maßgeblich, ob einem unrechtmäßig aufhältigen Fremden ein aus Art. 8 EMRK ableitbares Aufenthaltsrecht zuzugestehen ist, und sie ist daher in Fällen wie dem vorliegenden, in dem es um eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gegen einen aufgrund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig aufhältigen Drittstaatsangehörigen wegen dessen Straffälligkeit geht, schon von vornherein nicht einschlägig. Außerdem käme diese Judikaturlinie, die sich in der Regel nur auf strafrechtlich unbescholtene Fremde bezieht, im vorliegenden Fall auch wegen der erheblichen Straffälligkeit des Revisionswerbers nicht zum Tragen (vgl. VwGH 21.12.2021, Ra 2021/21/0294, Rn. 15, mwN).
15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Von der in der Revision beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte in diesem Fall gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 16. August 2022