JudikaturVwGhRa 2022/15/0102

Ra 2022/15/0102 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
26. April 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des L A in W, vertreten durch Mag. Maximilian Kocher, Rechtsanwalt in 2345 Brunn/Gebirge, Bahnstraße 43, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. November 2022, Zl. W147 2258985 1/4E, betreffend GIS Gebühren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: GIS Gebühren Info Service GmbH), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Ein Kostenzuspruch findet nicht statt.

1 Nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes beantragte der Revisionswerber die Befreiung von den Rundfunkgebühren für Radio und Fernsehempfangseinrichtungen aufgrund des Bezugs von Beihilfen aus dem Studienförderungsgesetz. Mit Bescheid vom 24. Juni 2020 wies die GIS Gebühren Info Service GmbH den Antrag zurück, weil die geforderten Unterlagen nicht fristgerecht nachgereicht worden seien. Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 25. Mai 2022 statt und hob den angefochtenen Bescheid auf.

2 Mit dem in der Folge ergangenen Bescheid vom 22. Juni 2022 wurde dem Antrag des Revisionswerbers teilweise stattgegeben und die Befreiung von den Rundfunkgebühren im Zeitraum 1. Juni 2020 bis 31. Dezember 2021 zuerkannt. Im Übrigen wurde der Antrag abgewiesen und dem Revisionswerber die Bezahlung der Rundfunkgebühren ab 1. Jänner 2022 aufgetragen, weil der maßgebliche Richtsatz durch das monatliche Haushaltsnettoeinkommen in den Monaten Jänner, Februar und Mai 2022 überschritten worden sei.

3 In der dagegen erhobenen Beschwerde brachte der Revisionswerber erstmals vor, dass am gegenständlichen Standort nie ein Rundfunkempfangsgerät vorhanden gewesen wäre und zudem die erforderliche Kabelvorrichtung nie verlegt worden sei. Auf Nachfrage des Bundesverwaltungsgerichts gab der Revisionswerber bekannt, dass er den Antrag auf Befreiung von der GIS Gebühr stelle; bei Abweisung in eventu die Aufhebung des Bescheides mit der Begründung, dass kein Rundfunkempfangsgerät am Standort vorhanden sei.

4 Das Bundesverwaltungsgericht hob den angefochtenen Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG auf und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die GIS Gebühren Info Service GmbH zurück. Begründend führte es aus, dass sich im Laufe des Verfahrens begründete Zweifel über das Vorhandensein von Rundfunkempfangsgeräten am gegenständlichen Standort ergeben hätten, wobei die Gebührenpflicht an das Vorhandensein eines solchen Gerätes anknüpfen würde. Die belangte Behörde habe jedoch während des Verwaltungsverfahrens keinerlei Erhebungen zu der Frage, ob am gegenständlichen Standort des Revisionswerbers ein Rundfunkempfangsgerät betrieben oder betriebsbereit gehalten werde, durchgeführt und es somit unterlassen, diese für das Verfahren grundlegende Vorfrage zu erörtern und die dafür erforderlichen Ermittlungsschritte zu setzen. Im konkreten Fall sei der maßgebliche Sachverhalt nicht bzw. bloß ansatzweise ermittelt worden, weshalb nach § 28 Abs. 3 VwGVG vorzugehen gewesen sei.

5 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, die Erledigung eines Eventualantrages vor dem Eintritt des Eventualfalles belaste das Erkenntnis mit einer Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit. Zudem hätte das Bundesverwaltungsgericht meritorisch entscheiden müssen und die Rechtssache nicht zurückverweisen dürfen.

6 Die GIS Gebühren Info Service GmbH hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, die wie folgt lautet:

„Aufgrund des Erkenntnis des BVwG, ZI. W147 2258985 1/4E vom 22. November 2022 übermittelte die GIS Gebühren Info Service GmbH (kurz GIS) am 13.12.2022 dem Beschwerdeführer ein Auskunftsbegehren, ob er auf dem Standort seit 01.06.2020 Rundfunkempfangsanlagen betrieben habe. Der Beschwerdeführer teilte der GIS, bei dieser eingelangt am 29. Dezember 2022, mit, dass er seit 01.06.2020 keine Rundfunkempfangsgeräte an gebührenrelevanten Standort betrieben habe. Aufgrund des Wegfalles des Tatbestandes nach § 2 Abs. 1 RGG (Betreiben von Rundfunkempfangsanlagen bzw. betriebsbereites Halten von Rundfunkempfangsanlagen auf dem gebührenrelevanten Standort) wurde die Teilnehmernummer [...] storniert. Der Beschwerdeführer ist nach RGG nicht verpflichtet, Rundfunkgebühren samt damit zusammenhängender Abgaben und Entgelte zu entrichten. Dies wurde am 19. Jänner 2023 dem Beschwerdeführer und auch dem Bundesverwaltungsgericht mitgeteilt.“

7 Der Revisionswerber releviert, dass das Bundesverwaltungsgericht zuerst über den Antrag auf Befreiung von der GIS-Gebühr hätte entscheiden müssen, bevor es sich mit dem Eventualantrag befassen hätte dürfen. Dem ist entgegen zu halten, dass der Revisionswerber in der Beschwerde angegeben hatte, an seiner Adresse kein Rundfunkempfangsgerät zu betreiben. Voraussetzung für die GIS Gebührenpflicht ist aber der Betrieb oder der mögliche Betrieb einer solchen Rundfunkempfangseinrichtung am Standort (vgl. VwGH 27.2.2013, 2010/17/0022, mwN). Die Frage der Befreiung von der Gebührenpflicht kann sich nur stellen, wenn eine solche Gebührenpflicht dem Grunde nach entstanden ist. Dem Bundesverwaltungsgericht kann somit nicht entgegengetreten werden, wenn es diese Frage vorrangig behandelt hat.

8 Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Bundesverwaltungsgericht die Rechtssache an die belangte Behörde zurückverwiesen, weil diese keine Ermittlungen hinsichtlich des Betriebs einer Rundfunkempfangseinrichtung getätigt hatte. Aufgrund dieses Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts hat die belangte Behörde die Ermittlungen nachgeholt und dem Revisionswerber bekanntgeben, dass wegen Wegfalls des Tatbestandes des § 2 Abs. 1 RGG der Revisionswerber nicht verpflichtet sei, Rundfunkgebühren samt damit zusammenhängender Abgaben und Entgelte zu entrichten; die Teilnehmernummer sei storniert worden. Damit hat die GIS Gebühren Info Service GmbH zu verstehen gegeben, dass kein Bescheid über die GIS Gebühren im strittigen Zeitraum mehr erlassen werde.

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat eine Anfrage an den Revisionswerber gestellt, ob in der Rechtsache noch ein rechtliches Interesse an einer Sachentscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof bestehe. Diese Anfrage wurde dahingehend beantwortet, dass sich der Revisionswerber nicht als klaglos gestellt erachte, weil „das in der Revisionsbeantwortung zitierte, formlose, nicht bindende Schreiben der belangten Behörde vom 19. Jänner 2023 nicht die Rechtskraftwirkung eines Bescheides hat und außerdem nur für die Zeit ab Wegfall des Tatbestandes nach § 2 Abs. 1 RGG gilt. Für die Zeit davor beharrt die belangte Behörde auf Gebührenvorschreibung mit vor dem Bundesverwaltungsgericht angefochtenem Bescheid, woran die Klaglosstellung nichts ändern würde.“

10 Prozessvoraussetzung im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist ein Rechtsschutzbedürfnis; dieses besteht im objektiven Interesse des Revisionswerbers an einer Beseitigung der angefochtenen, ihn beschwerenden verwaltungsgerichtlichen Erledigung. Das objektive Interesse des Revisionswerbers an der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof gründet in dessen Beschwer. Dieses Rechtsschutzinteresse wird daher immer dann zu verneinen sein, wenn es (aufgrund der geänderten Umstände) für die Rechtsstellung des Revisionswerbers keinen Unterschied mehr macht, ob die angefochtene Entscheidung aufrecht bleibt oder aufgehoben wird, bzw. wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für den Revisionswerber keinen objektiven Nutzen hat, also die in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen insoweit nur (mehr) theoretische Bedeutung haben (vgl. VwGH 31.10.2023, Ro 2021/04/0011). Liegt das Rechtsschutzbedürfnis schon bei Einbringung der Revision nicht vor, ist diese unzulässig: fällt die Voraussetzung erst nach Einbringung einer zulässigen Revision weg, so führt dies zu einer Einstellung des Verfahrens (vgl. VwGH 20.12.2021, Ro 2021/03/0003).

11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist mit der Einstellung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens im Sinne des § 33 Abs. 1 VwGG nicht nur bei formeller Klaglosstellung, sondern auch bei „Gegenstandslosigkeit“ der Revision vorzugehen (vgl. VwGH 1.6.2023, Ra 2022/10/0207, mwN).

12 Die GIS Gebühren Info Service GmbH hat bekanntgegeben, keinen Bescheid mehr zu erlassen und die Teilnehmernummer storniert zu haben. Die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses könnte die Rechtsstellung des Revisionswerbers daher nicht verbessern, weshalb es an einem Rechtsschutzinteresse mangelt.

13 Wenn der Revisionswerber im Rahmen der Klaglosstellungsanfrage zu seiner Beschwer vorbringt, das Schreiben der belangten Behörde gelte nur für Zeiträume ab Wegfallen des Tatbestandes nach § 2 Abs. 1 RGG und für die Zeit davor beharre die Behörde auf einer Gebührenvorschreibung aufgrund des angefochtenen Bescheides, dürfte der Revisionswerber übersehen haben, dass das Bundesverwaltungsgericht den Bescheid der Behörde behoben hat und daher gar kein Bescheid mehr existiert. Zudem wurde der Wegfall der Gebührenpflicht bereits mit 1. Juni 2020 angegeben; im angefochtenen Bescheid ging es um Zeiträume ab 1. Jänner 2022. Das Vorbringen des Revisionswerbers ist somit nicht nachvollziehbar.

14 Zufolge des Wegfalls des rechtlichen Interesses des Revisionswerbers an einer Sachentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes war die vorliegende Revision somit in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.

15 Mangels einer formellen Klaglosstellung liegt die Voraussetzung für einen Kostenzuspruch an den Revisionswerber gemäß § 55 VwGG nicht vor. In diesem Fall ist nach § 58 Abs. 2 VwGG der nachträgliche Wegfall des Rechtsschutzinteresses bei der Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu berücksichtigen. Im Hinblick darauf, dass die Frage des hypothetischen Schicksals der Revision nicht ohne nähere Prüfung zu lösen wäre und daher die Entscheidung über den vom Revisionswerber gestellten Kostenantrag einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde, entschied der Gerichtshof nach freier Überzeugung, dass gemäß § 58 Abs. 2 zweiter Halbsatz VwGG kein Aufwandersatz zugesprochen wird (vgl. VwGH 23.1.2020, Ro 2019/15/0015).

Wien, am 26. April 2024

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