JudikaturVwGH

Ra 2022/12/0021 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
19. September 2023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie Hofrätin Mag.a Nussbaumer Hinterauer und Hofrat Mag. Cede als Richterin und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über die Revision des H L in W, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs Kai 5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Jänner 2022, W257 2246662 1/2E, betreffend Zurückweisung eines Antrags auf Erlassung eines Feststellungsbescheides in Dienstrechtsangelegenheiten (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Personalamt Wien der Österreichischen Post AG), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die revisionswerbende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Der Revisionswerber steht als Beamter in einem öffentlich rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und ist der Österreichischen Post AG zur Dienstleistung zugewiesen.

2 Mit Antrag vom 29. April 2021 begehrte der Revisionswerber, aus Anlass der COVID 19 Positivtestung eines Kollegen bescheidmäßig darüber abzusprechen, welche seine Rechte in diesem Fall gewesen seien und allgemein in einem solchen Fall seien, und zwar insbesondere in Ansehung von Information, Testdurchführung beim Revisionswerber und Fernbleiben vom Dienst.

3 Er brachte vor, anlässlich seiner Dienstverrichtung komme es dazu, dass zwischen ihm und einem bestimmt genannten Arbeitskollegen zwei bis dreimal täglich Kontakte von jeweils etwa einer Minute stattfänden. Nachträglich habe er Kenntnis davon erhalten, dass dieser Mitarbeiter positiv auf COVID 19 getestet worden sei. Dies sei den Organen des Dienstgebers bekannt gewesen, diese hätten ihn jedoch nicht informiert. Darüber wäre er zu informieren gewesen, es hätte ihm eine sofortige Testung angeboten werden müssen und es wäre ihm auch die Möglichkeit einzuräumen gewesen, solange nicht zum Dienst zu erscheinen, bis gesichert davon auszugehen gewesen wäre, dass weder er noch andere Kollegen in seiner Umgebung ebenfalls infiziert worden seien. Auf Grund des damit nicht übereinstimmenden Handelns der Organe des Dienstgebers sei davon auszugehen, dass dieser ihm die eben genannten Rechte nicht zubilligen wolle.

4 Mit Bescheid vom 2. September 2021 wurde dieser Antrag des Revisionswerbers zurückgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, die Erhebung und Nachverfolgung von möglichen Kontaktpersonen im Falle einer COVID 19 Infektion obliege den Gesundheitsbehörden, die Dienstbehörde habe hier keinen Handlungsspielraum. Die Gesundheitsbehörden legten fest, ob jemand als Kontaktperson gelte, und informierten die betroffene Person gegebenenfalls. Nur die Gesundheitsbehörde könne unter gewissen Umständen eine Quarantäne anordnen. Ohne behördlich angeordnete Quarantäne sei kein Fernbleiben vom Dienst vorgesehen. Die Gesundheitsbehörden hätten den Revisionswerber nicht als K1 Kontaktperson (= Kontaktperson mit hohem Infektionsrisiko) definiert. In Erfüllung der Fürsorgepflicht des Dienstgebers seien im Bereich des Arbeitsplatzes des Revisionswerbers fünf Mitarbeiter am 22. März 2021 zur Teilnahme an einer Testung genannt worden darunter auch der Revisionswerber. Es seien Mitarbeiter ausgewählt worden, die eventuell etwas näher als zwei Armlängen Kontakt zu dem infizierten Mitarbeiter gehabt hätten. Das Ergebnis sei dem Revisionswerber persönlich übermittelt worden. Dieser Test sei negativ gewesen. Die Vorgehensweise im Falle einer positiven Testung eines Mitarbeiters obliege nicht der Dienstbehörde, sondern falle in den Zuständigkeitsbereich der Gesundheitsbehörde(n). Auch die angeführten Datenschutzthemen seien keinem Dienstrechtsverfahren zugänglich. Der Antrag sei sohin mangels Zulässigkeit zurückzuweisen gewesen.

5 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis ab und sprach aus, die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig.

6 In der Begründung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei, wenn die belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen habe, Sache des Beschwerdeverfahrens lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung. Eine inhaltliche Entscheidung über den verfahrensgegenständlichen Antrag sei dem Bundesverwaltungsgericht in solchen Fällen somit verwehrt, wobei auch eine Zurückverweisung gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG nicht in Betracht komme.

7 Soweit eine Behörde nach dem Inhalt der Begründung ihrer Entscheidung zwar davon ausgehe, dass ein gestellter Antrag abzuweisen sei, sie diesen aber dennoch zurückweise, habe sie sich nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes lediglich im Ausdruck „vergriffen“. Ein Antrag sei lediglich dann zurückzuweisen, wenn dieser Antrag unzulässig sei, nicht aber, wenn das Gesetz den Anspruch nicht gewähre und die Behörde aus diesem Grund nicht zu einem Zuspruch gelangen könne. Gerade wenn aus der gesamten Begründung eines angefochtenen Bescheides eindeutig hervorgehe, dass die belangte Behörde eine materielle Prüfung vorgenommen sowie eine inhaltliche Entscheidung getroffen habe und dass keine Anhaltspunkte zu dem Ausspruch einer Zurückweisung vorlägen (vor allem, wenn nirgends von einer Unzulässigkeit oder einer verspäteten Einbringung die Rede sei), habe sich die Behörde lediglich im Ausdruck „vergriffen“ (Hinweis auf VwGH 26.6.2014, 2013/03/0055).

8 Die Behörde habe die Zurückweisung damit begründet, dass der Antrag nicht zulässig sei. Sie meine, der Revisionswerber sei von der Gesundheitsbehörde nicht als K1 Kontaktperson eingestuft worden und er sei deshalb von der Dienstbehörde über die Infektion seines Arbeitskollegen nicht informiert worden. Damit habe die Behörde allerdings eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Begehren des Revisionswerbers vorgenommen. Sie habe die Ablehnung „nicht nur auf Grund des mangelnden gesetzlichen Antrages nach den Dienstrechtsgesetzen“ ausgesprochen, sondern habe sich auch darauf bezogen, dass die Gesundheitsbehörde zur Erteilung einer allfälligen Information zuständig gewesen wäre. Im Übrigen wäre sie ihrer Fürsorgepflicht nachgekommen, denn sie habe sofort Testungen durchführen lassen. Die Behörde habe sich somit mit dem Antrag inhaltlich auseinandergesetzt und es sei „deutlich“ von einem abweisenden Bescheid auszugehen. Insofern sie im Spruch das Wort „Zurückweisung“ anstatt „Abweisung“ verwendet habe, ändere dies nichts an der inhaltlichen Entscheidung, welche die Behörde vorgenommen habe.

9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei die Erlassung eines Feststellungsbescheides nur dann zulässig, wenn sie entweder im Gesetz ausdrücklich vorgesehen sei oder wenn eine gesetzliche Regelung zwar nicht bestehe, die Erlassung eines solchen Bescheides im öffentlichen Interesse liege, oder wenn sie insofern im Interesse einer Partei liege, als sie für die Partei ein notwendiges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung darstelle. Dieses rechtliche Interesse sei nur dann gegeben, wenn dem Feststellungsbescheid im konkreten Fall die Eignung zukomme, ein Recht oder Rechtsverhältnis für die Zukunft klarzustellen, und dadurch eine Rechtsgefährdung des Antragstellers beseitigt werde. Ein wirtschaftliches, politisches oder wissenschaftliches Interesse rechtfertige nicht die Erlassung eines Feststellungsbescheides. Ein Feststellungsbescheid als subsidiärer Rechtsbehelf sei jedenfalls dann nicht zulässig, wenn die strittige Rechtsfrage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgezeichneten Verwaltungsverfahrens entschieden werden könne.

10 Im vorliegenden Fall könne jedoch kein Feststellungsinteresse des Revisionswerbers gesehen werden. Weder sei ein Rechtsschutzinteresse, welches für den Revisionswerber zu wahren wäre, für die Zukunft ableitbar, noch bestehe für den Revisionswerber in Zukunft eine Rechtsgefährdung durch die Dienstbehörde.

11 Der Revisionswerber verlange von der Behörde, darüber abzusprechen, welche Rechte er in diesem Fall (der Infektion eines Kollegen oder einer Kollegin) habe. Insofern sich das Feststellungsinteresse darauf beziehe, welche Rechte er gehabt habe, sich somit eine Antwort der Behörde nur in der Wiedergabe von einschlägigen gesetzlichen COVID 19 Bestimmungen erschöpfen könne, sei darauf hinzuweisen, dass die Wiedergabe von gesetzlichen Bestimmungen kein Feststellungsinteresse darstelle. Gleiches gelte hinsichtlich von „Informationen, Testdurchführungen und dem Fernbleiben vom Dienst“, wie dies im verfahrenseinleitenden Antrag ausgeführt worden sei.

12 Mangels einem Feststellungsinteresse sei die gegenständliche Beschwerde abzuweisen gewesen.

13 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

14 Die Dienstbehörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Zurück , in eventu Abweisung der Revision beantragte.

15 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird einerseits der Standpunkt vertreten, die Revision sei schon deshalb zulässig, weil das Bundesverwaltungsgericht gegen die von ihm selbst zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wann von einem Vergreifen im Ausdruck betreffend Zurück bzw. Abweisung auszugehen sei, verstoßen habe.

16 Weiters wird ausgeführt, das Bundesverwaltungsgericht habe allerdings auch das Bestehen der Verpflichtung zur meritorischen Entscheidung wegen des Fehlens eines Feststellungsinteresses verneint. Die dafür angeführten Gründe träfen nicht zu. Es finde sich kein Gesetzeswortlaut zu Ansteckungsproblemen innerhalb des Verteilzentrums Brief, der zitiert werden könnte. Somit wäre dem allgemeinen Wesen einer individuellen rechtsstaatlichen Entscheidung entsprechend ausgehend von Gesetzesbestimmungen (unter deren Zitierung) zu überlegen gewesen, was diese allgemeinen Regeln für die konkrete Situation bedeuteten und welche Rechte sich daraus für den Revisionswerber ergäben. Es werde durch das angefochtene Erkenntnis gegen die Entscheidungspflicht gemäß den Bestimmungen des VwGVG verstoßen. Andererseits werde gegen die einschlägige Judikatur (Hinweis auf VwGH 23.7.2020, Ra 2019/12/0072 uva.) verstoßen, gemäß welcher das Feststellungsinteresse immer dann zu bejahen sei, wenn einerseits an eine konkrete Situation angeknüpft werde, andererseits aber auch eine Bedeutung für die Zukunft bei Eintritt ähnlicher Situationen bestehe. Die Revisionszulässigkeit sei somit auch unter dem Gesichtspunkt der Verneinung der Antragszulässigkeit wegen Fehlens eines Feststellungsinteresses gegeben.

17 Das angefochtene Erkenntnis sei unbestimmt und mit einem fundamentalen Begründungsmangel behaftet. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Begründungen entbehre das Erkenntnis der erforderlichen Bestimmtheit.

18 Was schließlich die meritorische Frage der in einer Situation der antragsgegenständlichen Art gegebenen Rechte des Beamten (samt entsprechenden Pflichten der Vorgesetzten) angehe, gebe es noch keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, woraus ebenfalls ein Zulässigkeitsgrund resultiere.

19 Schon mit dem Vorbringen, dass das Bundesverwaltungsgericht gegen die von ihm selbst zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 26.6.2014, 2013/03/0055) verstoßen habe, wird die Zulässigkeit der Revision aufgezeigt. Im Bescheid der belangten Behörde wurde ausgeführt, dass der Revisionswerber ohnehin auf COVID 19 getestet worden sei, womit zum Ausdruck gebracht wird, dass diesbezüglich kein strittiges Recht vorliege. Im Übrigen wird die Ansicht vertreten, dass eine von der belangten Behörde zu entscheidende Dienstrechtsangelegenheit nicht vorliege und der Antrag sohin zurückzuweisen sei. Den Ausführungen in der Zulässigkeitsbegründung der Revision ist daher zuzustimmen, dass der Bescheid der Dienstbehörde vom 2. September 2021 entgegen den Ausführungen des angefochtenen Erkenntnisses auch nach seinem Inhalt eine Zurückweisungsentscheidung darstellt.

20 Allerdings ist das Bundesverwaltungsgericht im Weiteren zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beschwerde mangels Vorliegen eines Feststellungsinteresses betreffend die Erlassung eines Feststellungsbescheides abzuweisen ist. Es ist damit davon ausgegangen, dass der Antrag des Revisionswerbers vom 29. April 2021 zurückzuweisen ist. Dies ist im Ergebnis richtig.

21 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Erlassung eines Feststellungsbescheides nämlich nur dann zulässig, wenn sie entweder im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist oder wenn eine gesetzliche Regelung zwar nicht besteht, die Erlassung eines solchen Bescheides aber im öffentlichen Interesse liegt, oder wenn sie insofern im Interesse einer Partei liegt, als sie für die Partei ein notwendiges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung darstellt. Dieses rechtliche Interesse ist nur dann gegeben, wenn dem Feststellungsbescheid im konkreten Fall die Eignung zukommt, ein Recht oder Rechtsverhältnis klarzustellen und dadurch eine Rechtsgefährdung des Antragstellers zu beseitigen (vgl. etwa VwGH 19.7.2023, Ra 2021/12/0078, mwN).

22 Gegenstand eines ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage gestellten Feststellungsantrages kann grundsätzlich nur die Feststellung eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses sein; darüber hinaus kann die Behörde weder über die Anwendbarkeit von gesetzlichen Vorschriften noch über ihre Auslegung und über das Vorliegen von Anspruchsvoraussetzungen spruchmäßig entscheiden (vgl. VwGH 27.4.2020, Ra 2019/02/0229). Die Behörde darf im Spruch eines Feststellungsbescheides nicht über abstrakte Rechtsfragen „entscheiden“, also weder über die Geltung bzw. Anwendbarkeit von Gesetzen oder gesetzlichen Bestimmungen noch über ihre Auslegung (vgl. VwGH 21.10.2022, Ra 2022/03/0217). Gegenstand des Spruches eines Feststellungsbescheides kann auch nicht die Entscheidung über das Bestehen einer bestimmten Rechtslage in einem gewissen Zeitraum sein (vgl. VwGH 24.5.2016, Ro 2014/05/0024).

23 Mit dem Antrag, welche Rechte dem Revisionswerber bei Infektion eines Arbeitskollegen zugekommen sind, wird aber in Wahrheit beantragt, festzustellen, welche Rechtslage für diesen Sachverhalt galt. Soweit beantragt wird, festzustellen, welche Rechte dem Revisionswerber im Allgemeinen im Falle der Ansteckung eines Arbeitskollegen zukommen, wird noch aus einem zusätzlichen Grund ein unzulässiger Feststellungsantrag gestellt. Eine im Allgemeinen anzuwendende Rechtslage in einem Ansteckungsfall eines Arbeitskollegen gab es nämlich nicht, weil die Rechtslage laufend gemäß der Entwicklung der Pandemie angepasst wurde. Im Übrigen wird mit dem vorliegenden Feststellungsantrag auch keine Rechtsgefährdung für die Zukunft aufgezeigt. Dies wiederum deshalb, weil sich die Rechtslage laufend entsprechend der Entwicklung der Pandemie änderte.

24 Der gestellte Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides wurde daher von der Dienstbehörde rechtsrichtig zurückgewiesen und vom Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

25 Die vorliegende Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

26 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 19. September 2023

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