Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Samm, die Senatspräsidentin Dr. Pollak und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Janitsch, über die Revision des M G in K, vertreten durch die Holzer Kofler Mikosch Kasper Rechtsanwälte OG in 9020 Klagenfurt am Wörthersee, Bahnhofstraße 51/DG, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 13. Dezember 2021, Zl. LVwG 302078/17/BMa/TK, betreffend Übertretungen des LSD BG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Linz Land), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 12. August 2021, Ra 2019/11/0173, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis hob der Verwaltungsgerichtshof die denselben Revisionswerber betreffende Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 23. Juli 2019 (mit der 20 Geld und Ersatzfreiheitsstrafen nach dem LSD BG verhängt worden waren) schon deshalb auf, weil es das Verwaltungsgericht verabsäumt hatte, auf das Vorbringen des Revisionswerbers einzugehen, die rechtzeitige Vorlage aller Lohnunterlagen sei nicht möglich gewesen.
2 Mit dem nunmehr angefochtenen - im zweiten Rechtsgang - erlassenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde gegen das behördliche Straferkenntnis insofern Folge, als (mit näher bezeichneten Spruchänderungen) eine Gesamtstrafe in der Höhe von € 5.000, für sämtliche in den Spruchpunkten 1) bis 20) des bekämpften Straferkenntnisses dargestellten Übertretungen des § 27 LSD BG verhängt wurde und die Ersatzfreiheitsstrafen entfielen. Weiters wurde dem Revisionswerber ein Beitrag zu den Verfahrenskosten vorgeschrieben und ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis die Erhebung einer ordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG zulässig sei.
3 Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass am 13. Februar 2017 Organe der Finanzpolizei Linz eine Kontrolle auf dem Werksgelände der F GmbH in T durchgeführt hätten. Für 20 Arbeitnehmer der M Srl. seien die erforderlichen Lohnunterlagen nicht auf der Baustelle bereitgehalten worden. Deshalb sei die M Srl. aufgefordert worden, die erforderlichen Unterlagen bis 15. Februar 2017 nachzureichen. Obwohl einige Unterlagen am selben Tag übermittelt worden seien, seien die weiteren gemäß § 22 LSD BG erforderlichen Unterlagen nicht innerhalb der gesetzlichen Frist vorgelegt worden.
4 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht zunächst aus, dass der Revisionswerber als Vertreter der M Srl. mit Sitz in Rumänien das Tatbild des § 27 Abs. 1 LSD BG erfüllt und dabei fahrlässig gehandelt habe. Vor dem Hintergrund des Urteils des EuGH vom 12. September 2019, C 64/18, Maksimovic , sowie des hg. Erkenntnisses vom 15. Oktober 2019, Ra 2019/11/0033 und 0034, habe eine Neubemessung der Strafe zu erfolgen. Im Lichte dieser Judikatur, der zufolge sowohl die Strafuntergrenze als auch die Ersatzfreiheitsstrafe zu entfallen habe und nur eine Gesamtstrafe zu verhängen sei, erweise sich der zur Tatzeit vor der LSD BG Novelle, BGBl. I Nr. 174/2021, geltende Strafsatz von € 5.000, als für den Revisionswerber günstiger als der im Zeitpunkt der nach Inkrafttreten der genannten Novelle getroffenen Entscheidung geltende Strafsatz von € 40.000, .
5 Im Rahmen der Strafbemessung führte das Verwaltungsgericht als Milderungsgründe die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Revisionswerbers, die lange Verfahrensdauer sowie den Umstand an, dass bestimmte Unterlagen im Zusammenhang mit der Lohnauszahlung nicht hätten vorgelegt werden können. Straferschwerend sei jedoch die fehlende Übermittlung von Unterlagen betreffend 20 Arbeitnehmer zu werten. Das von der belangten Behörde festgestellte Einkommen in der Höhe von ca. € 17.000, jährlich habe der Revisionswerber im Beschwerdeverfahren bestätigt, und mangels entsprechender Angaben werde zugunsten des Revisionswerbers davon ausgegangen, dass er kein Vermögen besitze. Die Verhängung einer Gesamtstrafe von insgesamt € 5.000, sei sohin nicht überhöht.
6 Die Zulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass „eine Judikatur zum Günstigkeitsprinzip, hinsichtlich der Abwägung der zur Tatzeit geltenden Fassung des § 27 Abs. 1 LSD BG, unter Berücksichtigung der europarechtskonformen Auslegung und der derzeit geltenden Rechtslage hinsichtlich dieser Bestimmung, nicht vorhanden ist“.
7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision, zu der die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung erstattet hat.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
11 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Kontrolle der Entscheidungen der Verwaltungsgerichte nicht nur für den Fall einer außerordentlichen Revision, sondern auch bei ordentlichen Revisionen auf die Wahrnehmung von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne dieser Bestimmung begrenzt. Wird in der Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichts das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht dargestellt und auch vom Revisionswerber nicht (gesondert) dargelegt, dass die Entscheidung der Revision von der Beantwortung einer (anderen als der vom Verwaltungsgericht angesprochenen) Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung abhängt, so ist auch eine ordentliche Revision zurückzuweisen (vgl. VwGH 24.1.2024, Ro 2022/11/0001, 4.9.2023, Ro 2023/03/0031, je mwN).
Ein solcher Fall liegt hier vor:
12 Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 12. Oktober 2021, Ra 2019/11/0015, 0016, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, dargelegt hat, wird durch die mit der Novelle BGBl. I Nr.174/2021 in (unter anderem) § 27 Abs. 1 LSD BG vorgenommene Änderung klargestellt, dass unabhängig von der Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer nur mehr eine einzige Verwaltungsübertretung begangen wird, die mit einer einzigen Geldstrafe zu bestrafen ist. Gleichzeitig wird eine Höchstgrenze (nämlich € 40.000, ) für diese Geldstrafe festgelegt, während die Untergrenze (Mindeststrafe) entfällt. Diese Bestimmung ist nach § 72 Abs. 10 letzter Satz der Novelle auf alle am 1. September 2021 auch vor dem Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahren anzuwenden.
13 Mit diesem Erkenntnis wurde die von der Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichts aufgeworfene Frage nach der anzuwendenden Rechtslage, auf die die Zulässigkeitsbegründung der Revision aufbaut, beantwortet: Die Neuregelung (und daher auch ein Strafrahmen von bis zu € 40.000, ) ist auf alle am Stichtag 1. September 2021 anhängigen Verfahren und damit auch im Revisionsfall anzuwenden.
14 Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem Günstigkeitsprinzip stellt sich vorliegend im Übrigen schon aus folgendem Grund nicht: Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts konnte (nur) in den jeweiligen Konstellationen, die nach der Rechtslage vor Inkrafttreten der Novelle BGBl. I Nr. 174/2021 zu entscheiden waren, dazu führen, dass es qua Unionsrecht zur (teilweisen) Verdrängung entgegenstehender nationaler Normen dahingehend kam, dass in den jeweils betroffenen Fällen auf Basis des § 27 Abs. 1 erster Strafsatz LSD BG in der Fassung vor BGBl. I Nr. 174/2021 unter Nichtanwendung u.a. der Wortfolge „für jeden Arbeitnehmer“ eine Höchststrafe von € 5.000, zugrunde zu legen war. Angesichts des im Revisionsfall durch die Novelle BGBl. I Nr. 174/2021 bestimmten Strafrahmens kann ein Anwendungsvorrang des Unionsrechts mit der soeben beschriebenen Wirkung gegenständlich von Vornherein nicht Platz greifen.
15 Auch das weitere Zulässigkeitsvorbringen der Revision, das (zusammengefasst) geltend macht, die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Strafbemessung sei unvertretbar, weil die Milderungsgründe überwögen, und verstoße damit gegen näher genannte Judikatur, ist nicht zielführend:
16 Bei der Strafbemessung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist. Vom Verwaltungsgerichtshof ist daher (bloß) zu prüfen, ob das Verwaltungsgericht von dem ihm eingeräumten Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat, das heißt, ob die verhängte Strafe unter Bedachtnahme auf die Strafbemessungsgründe vertretbar erscheint (vgl. etwa VwGH 1.2.2022, Ra 2022/11/0001, mwN).
17 Das Verwaltungsgericht führte in seiner rechtlichen Beurteilung sowohl Milderungs- als auch Erschwerungsgründe an und kam zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall ins Gewicht falle, dass 20 Arbeitnehmer von der fehlenden Übermittlung von Unterlagen betroffen gewesen seien, sodass die Verhängung einer Gesamtstrafe von € 5.000, gerechtfertigt sei.
18 Die Revision, die sich zum Aspekt der fehlenden Übermittlung von Lohnunterlagen in 20 Fällen (zur Zulässigkeit der Heranziehung dieser Tatsache als Erschwerungsgrund, vgl. VwGH 16.11.2021, Ra 2020/11/0080, Rn. 12) nicht weiter äußert, zeigt nicht konkret auf, inwiefern die ausgemessene Strafe vor dem Hintergrund der fallbezogenen Umstände im Ergebnis eine zu korrigierende Fehlbeurteilung darstellen sollte. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass § 27 LSD BG idF der Novelle BGBl. I Nr. 174/2021 anhand derer der Verwaltungsgerichtshof sämtliche bei ihm angefochtenen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte betreffend Bestrafungen nach dem LSD BG unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Erlassung zu prüfen hat (vgl. abermals VwGH 12.10.2021, Ra 2019/11/0015, 0016) eine Höchststrafe von € 40.000, vorsieht, im Revisionsfall jedoch nur eine Strafe von € 5.000, verhängt wurde.
19 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 29. August 2024