JudikaturVwGH

Ra 2022/10/0180 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
13. Juni 2023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Stoisser, über die Revision der M M in L, vertreten durch Mag. Dr. Sebastian Siudak, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Blütenstraße 15/5/5.13, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 16. Dezember 2021, Zl. LVwG 351113/2/BZ, betreffend Sozialhilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt Linz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerberin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeverfahren ergangenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 16. Dezember 2021 wurde der Antrag der Revisionswerberin vom 20. August 2021 auf Gewährung von Sozialhilfe zur Unterstützung des Lebensunterhalts und zur Befriedigung des Wohnbedarfs nach dem Oö. Sozialhilfe Ausführungsgesetz (Oö. SOHAG) mit der wesentlichen Begründung abgewiesen, dass die Revisionswerberin nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis nach § 5 Oö. SOHAG zähle, zumal sie lediglich (seit 18. September 2021) über den (bis 18. September 2022) befristeten Aufenthaltstitel „Niederlassungsbewilligung“ verfüge. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG unzulässig sei.

2 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 24. September 2022, E 355/2022 16, deren Behandlung ablehnte und diese dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B VG zur Entscheidung abtrat.

3 Die vorliegende, innerhalb der Frist des § 26 Abs. 4 VwGG erhobene außerordentliche Revision erweist sich als unzulässig:

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss sich die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, aus der gesonderten Darstellung der Zulässigkeitsgründe ergeben. Der Verwaltungsgerichtshof überprüft die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B VG sohin (nur) im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (vgl. VwGH 24.2.2022, Ra 2021/10/0029; 24.2.2022, Ra 2021/10/0194; 4.5.2021, Ra 2020/10/0081).

8 In den Zulässigkeitsausführungen der vorliegenden außerordentlichen Revision wird nach Ausführungen zur Rechtslage und Wiedergabe von Aussagen aus der hg. Judikatur (Verweis auf VwGH 28.4.2022, Ra 2021/10/0042; 21.3.2022, Ro 2021/10/0015) geltend gemacht, das Verwaltungsgericht habe gegen seine Verpflichtung zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes verstoßen und „in einem entscheidungswesentlichen Punkt“ mangelhafte Feststellungen getroffen. Der Revisionswerberin sei mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 29. Juni 2010 der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden, „diese Aufenthaltsberechtigung“ sei bis 2020 regelmäßig verlängert worden. Im Jahr 2020 sei der Status der subsidiär Schutzberechtigten aberkannt, eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig erklärt und der Revisionswerberin eine „Aufenthaltsberechtigung“ erteilt worden. Am 18. September 2021 sei der Revisionswerberin eine „Niederlassungsbewilligung“ erteilt worden, die im September 2022 bis zum 17. September 2023 verlängert worden sei. Das Verwaltungsgericht habe sich mit der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts der Revisionswerberin „kaum auseinandergesetzt“; hätte es den Sachverhalt ordnungsgemäß ermittelt, hätte es feststellen müssen, dass die Revisionswerberin seit 29. Juni 2010 ununterbrochen rechtmäßig in Österreich aufhältig sei, weshalb sie die Voraussetzungen für die Gewährung der Sozialhilfe erfülle. Es widerspreche zudem der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass das Verwaltungsgericht „den bisherigen rechtmäßigen Aufenthalt“ der Revisionswerberin nicht berücksichtigt habe.

9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Zulässigkeit der Revision neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass dieser abstrakt geeignet sein muss, im Falle eines mangelfreien Verfahrens zu einer anderen Sachverhaltsgrundlage zu führen (vgl. VwGH 25.1.2021, Ra 2020/10/0177; 5.1.2021, Ra 2020/10/0028; 30.3.2020, Ra 2019/10/0180 0182, 0187). Es reicht nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der genannten Verfahrensmängel darzulegen. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 7.9.2021, Ra 2020/10/0112; 27.4.2021, Ra 2021/10/0002 0003; 25.1.2021, Ra 2020/10/0157).

10 Mit dem oben wiedergegebenen Vorbringen wird dem aber nicht entsprochen:

11 § 5 Abs. 1 Oö. SOHAG, LGBl. Nr. 107/2019, lautet:

§ 5

Persönliche Voraussetzungen für die Leistung der Sozialhilfe

(1) Leistungen der Sozialhilfe sind unbeschadet zwingender völkerrechtlicher oder unionsrechtlicher Verpflichtungen ausschließlich österreichischen Staatsbürgerinnen bzw. Staatsbürgern und Asylberechtigten, im Übrigen nur dauerhaft niedergelassenen Fremden zu gewähren, die sich seit mindestens fünf Jahren dauerhaft, tatsächlich und rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten.“

Wie von der Revisionswerberin selbst ausgeführt wurde, sind Leistungen der Sozialhilfe nach § 5 Abs. 1 Oö. SOHAG demnach handelt es sich nicht um österreichische Staatsbürger oder Asylberechtigte „im Übrigen nur dauerhaft niedergelassenen Fremden zu gewähren, die sich seit mindestens fünf Jahren dauerhaft, tatsächlich und rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten“. Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin verlangt diese Bestimmung (ebenso wie jene des § 4 Abs. 1 Sozialhilfe Grundsatzgesetz) somit nach ihrem klaren Wortlaut nicht nur einen rechtmäßigen Aufenthalt in der genannten fünfjährigen Dauer, sondern dass der Betreffende sich als „dauerhaft niedergelassener Fremder“ seit mindestens fünf Jahren dauerhaft, tatsächlich und rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

12 Der Begriff „niedergelassen“ ist mangels jeglicher gegenteiliger Anhaltspunkte im Oö. SOHAG bzw. im Sozialhilfe Grundsatzgesetz im Sinne der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 und 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zu verstehen; die „Niederlassung“ ist demnach eine qualifizierte Form des Aufenthalts (vgl. etwa die zum Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 ergangene Rechtsprechung VwGH 19.12.2012, 2012/01/0134; 26.1.2012, 2010/01/0008; 25.6.2009, 2006/01/0520; siehe weiters zum Ausländerbeschäftigungsgesetz VwGH 21.3.2013, 2011/09/0186; 5.11.2010, 2007/09/0178; 4.9.2006, 2006/09/0070). Mit dem oben wiedergegebenen Zulässigkeitsvorbringen, das bloß auf die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts Bezug nimmt, kann daher die Relevanz des geltend gemachten Feststellungsmangels nicht aufgezeigt werden.

13 Auch nach dem Vorbringen der Revisionswerberin war diese bis 2020 aufgrund von Aufenthaltsberechtigungen in Österreich aufhältig, die aufgrund der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten erteilt wurden. Dass der Status der subsidiär Schutzberechtigten einen Aufenthaltstitel zur Niederlassung verschafft hätte, wird von der Revisionswerberin nicht behauptet. Eine derartige Sichtweise stünde auch mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht im Einklang (vgl. VwGH 26.1.2012, 2010/01/0008; 26.1.2012, 2012/01/0002; 20.9.2011, 2010/01/0002). Dass die Revisionswerberin im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses demnach als dauerhaft niedergelassene Fremde anzusehen gewesen wäre, die sich seit mindestens fünf Jahren dauerhaft, tatsächlich und rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, wird in der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision nicht aufgezeigt.

14 Soweit ein Abweichen von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes behauptet wird, weil das Verwaltungsgericht „den bisherigen rechtmäßigen Aufenthalt“ der Revisionswerberin nicht berücksichtigt habe, wird nicht konkret ausgeführt, von welcher hg. Rechtsprechung das Verwaltungsgericht insofern abgewichen sein soll. Sollten sich diese Ausführungen auf die im Zulässigkeitsvorbringen wiedergegebenen Ausführungen im hg. Erkenntnis vom 28. April 2022, Ra 2021/10/0042, beziehen, wonach § 4 Sozialhilfe Grundsatzgesetz auf einen durch eine fünfjährige „Wartefrist“ näher bestimmten „dauerhaften rechtmäßigen Aufenthalt“ des Fremden im Inland abstellt, ohne das Erfordernis bestimmter Aufenthaltstitel zu normieren, so wird verkannt, dass der Umstand, dass der Grundsatzgesetzgeber in § 4 Sozialhilfe Grundsatzgesetz nicht normiert hat, dass nur bestimmte Aufenthaltstitel zum Bezug von Sozialhilfeleistungen berechtigen sollen, nicht bedeutet, dass die weiteren dort genannten Voraussetzungen nicht zum Tragen kommen sollen. Im Ergebnis bedarf es daher eines qualifizierten Aufenthaltsrechts das zur Niederlassung berechtigt in der genannten Dauer, auch wenn der Grundsatzgesetzgeber nicht normiert hat, dass nur bestimmte (derartige) Aufenthaltstitel eine Gewährung von Sozialhilfeleistungen ermöglichen (vgl. demgegenüber die Bezugnahme in § 5 Abs. 2 NÖ SOHAG auf Aufenthaltstitel nach §§ 45, 47 Abs. 2 und 49 NAG und dazu das genannte Erkenntnis Ra 2021/10/0042).

15 In der Revision werden demnach keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 13. Juni 2023

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